Israel

Schwieriges Reagieren

Unter Druck: Benjamin Netanjahu Foto: Flash 90

Die dramatische Situation, die durch den Raketenbeschuss auf israelische Städte entstanden ist, hat innenpolitisch kein Zusammenrücken bewirkt. Im Gegenteil. Außenminister Avigdor Lieberman kündigte am Montag das zu den Wahlen im Januar 2013 eingegangene Bündnis zwischen seiner ultrarechten Partei Israel Beitenu und dem Likud von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf.

Die Zusammenarbeit habe nie funktioniert, sagte Lieberman. »Bei den Wahlen nicht und auch nicht danach.« Es bestünden »tiefgreifende Meinungsunterschiede«, sagte er. Aktuell hatte Lieberman, der in der Regierung bleiben will, dem Ministerpräsidenten zögerliches und nicht konsequentes Reagieren auf die aktuelle Bedrohung vorgeworfen.

gazastreifen Unabhängig von Liebermans Kritik wies Netanjahu am Dienstag die Armeeführung an, sich auch auf eine eventuelle Bodenoffensive im Gazastreifen vorzubereiten. Es geht um die Mobilisierung von 40.000 Reservisten, um mit der Militäroperation »Zuk Eitan«, zu Deutsch: Fels in der Brandung, den dauernden Beschuss israelischer Städte und Ortschaften durch Raketen der Hamas zu unterbinden. Wörtlich sagte Netanjahu, Israel müsse im Kampf gegen die Hamas nun »die Samthandschuhe ausziehen«.

Gleichzeitig betonte der Premier, Israel sei »nicht versessen auf einen Krieg«, es könne aber Raketenangriffe auf israelische Städte auf keinen Fall tolerieren. Der Militäreinsatz müsse »spürbar« ausgeweitet werden, »die Operation könnte Zeit erfordern«. Ähnlich äußerte sich Verteidigungsminister Moshe Ya’alon: »Wir bereiten uns auf eine Schlacht gegen die Hamas vor, die nicht in wenigen Tagen vorbei sein wird.«

Auch Sicherheitsminister Yitzhak Aharonowitsch bereitete die Israelis auf eine längere Auseinandersetzung vor: »Es wird nicht innerhalb eines Tages enden, es wird nicht in zwei Tagen enden«, sagte er im Fernsehen und sprach auch von der Möglichkeit einer Bodenoffensive.

einschätzung
Nach Einschätzung von Shimon Stein, früherer israelischer Botschafter in Deutschland, wurde Netanjahu von Lieberman unter Druck gesetzt, härter auf die Bedrohung zu reagieren. Zugleich gibt es in Israel Stimmen, die vermuten, dass Lieberman für seine innenpolitische Loslösung von Netanjahus Likud die aktuelle Auseinandersetzung mit der Hamas nur als Auslöser gebraucht hat. Schon vor zwei Wochen hatte Lieberman – entgegen alle Expertenmeinungen – sogar vorgeschlagen, Israel solle Gaza wieder besetzen. Es nütze nichts, die Terroristen nur zu schädigen, wie zuletzt im November 2012 bei der »Operation Wolkensäule«.

Lieberman warf Netanjahu vor, er habe sie damals wegen der anstehenden Neuwahlen vorzeitig abgebrochen, obwohl dies eine Gelegenheit gewesen sei, mithilfe einer Bodenoffensive »mit der Hamas aufzuräumen«. Am Montag unterstrich der 55-Jährige seine Haltung: »Die Realität, in der wir leben, mit Hunderten von Raketen, die eine Terrororganisation zur Verfügung hat, die jederzeit entscheiden kann, wann sie sie einsetzen will, ist unerträglich«, sagte Lieberman. »Ich verstehe nicht, worauf wir warten.«

koalition Innenpolitisch hatte das Bündnis mit dem Likud Liebermans Partei bislang nur Nachteile gebracht. Zuerst kostete sie ihn Stimmen bei den Wahlen, dann fand er im Likud keine Unterstützer, um die Nachfolge Netanjahus anzutreten. Und zuletzt sanken seine Umfragewerte erneut. Eine Distanzierung von Netanjahus Politik, die von vielen derzeit kritisiert wird, könnte deshalb seiner Partei zu neuem Schwung verhelfen.

Innerhalb der Koalition hatte Lieberman dem Premier immer wieder Führungsschwäche vorgeworfen, zuletzt Anfang Juni. Es sei lächerlich, dass jeder Minister seine eigene Meinung vortrage, so etwa zu einer Lösung des Nahostkonflikts. Er forderte von Netanjahu einen Vorschlag, dem jeder in der Koalition zustimmen könne.

Innenpolitisch hat die Trennung der beiden Parteien zunächst keine Auswirkungen: Die Koalition bleibt bestehen. Nur die Zahlenverhältnisse ändern sich. So bleiben dem Likud nur noch 20 von insgesamt 120 Mandaten im Parlament. Damit hat die Partei nur noch einen Sitz mehr als »Yesh Atid« von Finanzminister Jair Lapid. Israel Beitenu verfügt über elf Mandate.

Diplomatie

Bosnien: Diplomatischer Eklat um Nazi-Helm an deutschen UN-Vertreter

Vor 30 Jahren endete der Krieg in Bosnien und Herzegowina. Jetzt flammt die Debatte um die politischen Nachwehen von Neuem auf. Im Fokus eines skandalösen Angriffs steht ein deutscher UN-Politiker

 20.11.2025

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  20.11.2025 Aktualisiert

Berlin

Messerangriff am Holocaust-Mahnmal: Prozess beginnt

Ein 19-jährigen Syrer soll dort im Februar einem spanischen Touristen lebensgefährlich verletzt haben. Aufgrund einer sofortigen Notoperation überlebte das Opfer

 20.11.2025

Washington D.C.

Trump unterschreibt Gesetz zur Freigabe von Epstein-Akten

Der Druck auf den US-Präsidenten wurde zu groß - nun hat er die Veröffentlichung von Akten zu einem Fall genehmigt, den er nicht loswurde. Was das bedeutet

von Anna Ringle, Franziska Spiecker, Khang Mischke, Luzia Geier  20.11.2025

Russischer Eroberungskrieg

Neuer US-Friedensplan: Ukraine unter Druck

Die USA haben Sanktionen gegen Russland verhängt, doch hinter den Kulissen scheint weiter verhandelt worden zu sein. Kiew trifft dies zu einem doppelt ungünstigen Zeitpunkt

 20.11.2025

Gespräch

»Der Überlebenskampf dauert an«

Arye Sharuz Shalicar über sein neues Buch, Israels Krieg gegen den palästinensischen Terror und die verzerrte Nahost-Berichterstattung in den deutschen Medien

von Detlef David Kauschke  20.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  20.11.2025

Essay

All die potenziellen Schüsse

In diesem Herbst liest man fast täglich von vereitelten Anschlägen auf Juden. Was die ständige Bedrohung mit uns macht

von Mascha Malburg  20.11.2025

Stuttgart

Polizei plant Großeinsatz bei Maccabi-Spiel

Vor den Europa-League-Auftritten gegen Maccabi Tel Aviv sind der VfB Stuttgart und der SC Freiburg alarmiert. Ein Fan-Ausschluss wie zuletzt in Birmingham ist momentan nicht geplant

 19.11.2025