Antisemitismus

»Schule muss ein sicherer Ort sein«

Marina Chernivsky, Leiterin des Kompetenzzentrums für Prävention und Empowerment der ZWST Foto: Rolf Walter

Der Umgang von Lehrkräften mit antisemitischen Vorfällen in der Schule muss aus Sicht der Berliner Psychologin Marina Chernivsky gelernt, geübt und institutionalisiert werden. »Langfristig gesehen kann ich nicht auf etwas reagieren, wenn ich mich damit nicht beschäftigt habe, erst recht nicht, wenn es kritisch wird«, sagte Chernivsky am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd) bei einer Tagung der Evangelischen Akademie Loccum bei Nienburg.

Die Expertin leitet das Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST). Sie warb dafür, sensible Antennen für diskriminierende und antisemitische Äußerungen und Strukturen zu entwickeln. Lehrerinnen und Lehrer müssten das Thema nicht allein bewältigen, sondern könnten inzwischen auf eine Vielzahl von Formaten, Beratungsangeboten und Fortbildungsmöglichkeiten zurückgreifen.

übergriffe Antisemitismus und Judenfeindlichkeit äußerten sich in der Schule sowohl durch beiläufige Bemerkungen bis hin zu offenen und gezielten verbalen sowie tätlichen Übergriffen. »Jude ist zum Beispiel ein aufgeladener Begriff und wird oft als Abgrenzung eingesetzt«, sagte Chernivsky. Eine offensive Form sei die Verwendung des Wortes »Jude« als Schimpfwort. Es sei wichtig, den Motiven und Wirkungen solcher Äußerungen nachzugehen, da sie verheerende Wirkungen auf Betroffene entfalten könnten.

Die Vorfälle sollten nicht pädagogisch vereinnahmt werden, um ausschließlich über Geschichte aufzuklären, betont Chernivsky.

Die Vorfälle sollten jedoch nicht pädagogisch vereinnahmt werden, um ausschließlich über Geschichte aufzuklären, betonte Chernivsky. »Wir sollten verstehen lernen wie Geschichte nachwirkt, was für Spuren sie hinterlassen hat. Aber gleichwohl sind jüdische Kinder keine laufenden Geschichten, sondern junge Menschen, die hier und jetzt leben und Antisemitismus ausgesetzt sind.«

Wichtig sei, dass Lehrkräfte den Betroffenen signalisierten, dass sie ernst genommen und nicht alleingelassen würden, sagte die Expertin: »Schule muss ein sicherer Ort sein.« Dafür sollten Diskriminierungsschutz und Beschwerdemöglichkeiten vorhanden sein. Ob antisemitische Vorfälle in der Klasse sofort besprochen oder längerfristig aufgearbeitet werden müssten, hänge unter anderem von der Beziehung zwischen Lehrern und Schülern ab. Im Ernstfall seien pädagogische Disziplinarmaßnahmen erforderlich.

zeitgeist Antisemitismus erfülle die Funktion, sich abzugrenzen und einfache Antworten auf komplexe Sachverhalte zu finden, erläuterte Chernivsky. So seien die Ideen der Macht und Übermacht, der Konspiration und Verschwörung gerade in der digitalen Welt sehr langlebig. »Die Bilder sind alt und überliefert, aber sie passen sich dem Zeitgeist an.« Zwar habe der historische Antisemitismus seinen festen Platz in den Schulbüchern. »Aber dort endet häufig die Beschäftigung am 8. Mai 1945.«

Es sei lange übersehen worden, dass es in den Jahrzehnten danach weiterhin »antisemitische Ressentiments und eine Art unterdrückte Aggression gegen alles Jüdische« gegeben habe sowie das Bedürfnis, sich seiner Geschichte zu entledigen. »Deshalb gibt es auch im schulischen Kontext viele Leerstellen und Auslassungen, die wir jetzt aufarbeiten müssen.«  epd

Berlin

Zentralrat der Juden: Neuer Papst steht für Nächstenliebe und Frieden

Leo XIV. hat die Nachfolge von Papst Franziskus angetreten

 09.05.2025

Vatikan

Robert Francis Prevost ist neuer Papst

Er ist der erste Amerikaner in diesem Amt und hat sich den Namen Leo XIV. gegeben

von Philipp Znidar, Sabina Crisan  09.05.2025 Aktualisiert

Gedenken

Steinmeier: »Flüchten wir nicht aus unserer Geschichte«

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach bei der Gedenkstunde im Bundestag zum Ende des Zweiten Weltkriegs über Gefahren für die Demokratie

 08.05.2025

Gericht

AfD rechtsextrem? Verfassungsschutz gibt Stillhaltezusage ab

Damit können die Verfassungsschützer die AfD nicht beobachten, bis das Verwaltungsgericht Köln ein Urteil gefällt hat

 08.05.2025

Kommentar

Die Menschen in Gaza brauchen schnell Hilfe

Eine Demokratie wie Israel sollte sich nicht auf schmutzige Kriegstaktiken wie die Blockade von Hilfsgütern einlassen, auch wenn es sich bei der Hamas um skrupellose, abgrundtief böse Terroristen handelt

von Nils Kottmann  08.05.2025

Kommentar

Ulrike Eifler, die Linkspartei und die Auslöschung Israels

Ein hochrangiges Mitglied der Partei delegitimiert auf X Israel. Die Linke muss sich klar davon distanzieren, wenn sie glaubwürdig für Menschenrechte eintreten will

von Andreas Büttner  08.05.2025

Kommentar

Der Ukraine-Krieg überlagert die Pluralität der Erinnerungen

Die Auffassung, dass jeder nach seiner Fasson dem Zweiten Weltkrieg gedenkt, wurde durch Russlands Einmarsch in die Ukraine zerstört. Lenin- und Roter Stern-Orden jüdischer Veteranen und Veteraninnen und ihre »hundert Gramm« in Erinnerung an die gefallenen Kameraden wirken deplatziert

von Dmitrij Belkin  08.05.2025

Umfrage

80 Jahre Kriegsende – Jeder fünfte Deutsche will mehr Gedenken

Am 8. Mai 1945 kapitulierte die Wehrmacht. Der Zweite Weltkrieg war vorüber. In Berlin und anderswo erinnern die Menschen an die Millionen Opfer. Jüdische Vertreter würdigen die Erinnerungskultur - und warnen zugleich

von Leticia Witte  08.05.2025

Debatte

Schuster: AfD-Regierung wäre für Juden das Signal zur Auswanderung

Die hohen Zustimmungswerte der AfD machen gerade Juden besorgt. Zentralratspräsident Josef Schuster erinnert an die 1930er Jahre: Auch in der NS-Zeit hätten viele Juden lange nicht für möglich gehalten, was dann folgte

von Christoph Schmidt  07.05.2025