Bundesversorgungsgesetz

Rente für KZ-Wächter

SS-Angehörige aus Auschwitz bei einem Erholungsausflug Foto: dpa

Heinz K., geboren 1923, trat 1941 in die Waffen-SS ein. Im Rang eines Rottenführers war er zeitweise im KZ Auschwitz Posten- und Blockführer und für Disziplinierung und Bestrafung der Häftlinge zuständig. Nach dem Krieg wurde zwar gegen ihn strafrechtlich ermittelt, zu einer Anklage kam es allerdings nicht.

Das Interesse an einer Strafverfolgung war nicht groß.
Aber eine Kriegsopferrente erhielt Heinz K. Ein entsprechendes Gesetz war 1950 beschlossen worden. Zu den damals 4,4 Millionen Rentenbeziehern gehörten nicht nur ausgebombte Zivilisten und verletzte Soldaten, sondern auch Nazirichter, SS-Wachmänner in KZs sowie deren Witwen und Angehörige.

rentenentzug Noch Ende der 90er-Jahre gehörte Heinz K. zu den Beziehern einer solchen Rente. Doch 1998 entschied der Bundestag in einer Novelle des Bundesversorgungsgesetzes, dass NS-Tätern diese Rente wieder entzogen werden kann.

Zusatzparagraf 1a verpflichtete die deutschen Versorgungsämter, Fälle von Kriegsopferrentenbeziehern zu überprüfen, bei denen etwa eine »freiwillige Mitgliedschaft in der SS« ein Anhaltspunkt sein könnte, dass sie gegen »Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen« haben. In der Folge ermittelte das Simon Wiesenthal Center (SWC) eine Liste mit 76.000 Namen, bei denen die Entziehung der Kriegsopferrente geprüft werden sollte.

Knapp zwei Jahrzehnte nach der Neufassung des Bundesversorgungsgesetzes hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Zusammenarbeit mit dem SWC einen Schlussbericht über die Umsetzung der Gesetzesnovelle vorgelegt. Das Resultat ist ernüchternd und erschütternd zugleich: Lediglich in 99 Fällen wurden seit 1998 die Kriegsopferrenten aufgrund von »Verstößen gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit in der Zeit des Nationalsozialismus« entzogen oder verweigert. »Die Ergebnisse sind enttäuschend«, kommentierte Efraim Zuroff, Direktor des SWC in Jerusalem, die mangelhafte Umsetzung des Gesetzes.

recherchen Die Historiker Stefan Klemp und Martin Hölzl, die im Auftrag des SWC den Bericht erstellt haben, benennen die Gründe: Administrative Schwierigkeiten hätten die Recherchen nach solchen Rentenbeziehern erschwert, etwa, dass man auf eine Digitalisierung der Kartei verzichtet habe, die die Zentrale Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg angelegt hat. Zudem würden dort überwiegend nur Nachnamen von Verdächtigen erfasst.

Außerdem, so die Historiker, sei es zu unterschiedlichen rechtlichen Interpretationen des Gesetzes gekommen. Durch eine striktere Auslegung, haben die Autoren ausgerechnet, hätte die Rentenkasse bis zu 2,8 Millionen Euro sparen können.
Im Raum steht aber auch der Vorwurf, dass die Behörden einiger osteuropäischer Länder, in denen SS-Männer eine deutsche Opferrente beziehen, kein Interesse an der Aberkennung des Rentenbezugs hatten. Ähnliches gelte auch für manche Bundesländer: In Sachsen wurden null Renten eingezogen, in Sachsen-Anhalt und Thüringen je eine, in Baden-Württemberg jedoch 29.

Heinz K., der 2013 auf einer Liste des SWC stand, gehört zu diesen skandalösen Fällen. Zwar fragte das zuständige Versorgungsamt Heilbronn, dem die Mitgliedschaft des damals 74-Jährigen in der Waffen-SS bekannt war, bei der Ludwigsburger Zentralstelle an. Aber deren Hinweis auf einen Einsatz K.s in Auschwitz führte nicht zu einem Einstellungsverfahren bezüglich der Rentenauszahlung.

Nach einer telefonischen Befragung K.s wurde der Kriegsopferrentenbezug nicht gestoppt, sondern fortgesetzt. Obwohl, so schreiben die Historiker, »die Auskunft der Zentralen Stelle Ludwigsburg, nach der K. in Auschwitz Posten- und Blockführer gewesen sein soll, in völligem Widerspruch zum Tenor seiner telefonischen Einlassung stand«.

signal Auch im Bundesarbeits- und Sozialministerium hält man das Untersuchungsergebnis für »unbefriedigend«. Dennoch sei das Gesetz, so eine Sprecherin zur Jüdischen Allgemeinen, ein »weiteres Signal der Anerkennung des Leidens der Opfer und zur Distanzierung von den Unrechtsmaßnahmen der NS-Täter«.
Enttäuscht über die unzureichende Umsetzung des Gesetzes zeigt sich auch der Präsident des Zentralrats der Juden.

»Für viele NS-Opfer ist dies besonders bitter«, sagte Josef Schuster der Jüdischen Allgemeinen, »weil sie im Gegensatz dazu häufig für ihre Entschädigungen jahrelang kämpfen mussten und zum Teil auch heute noch dafür kämpfen.« Der Zentralrat fordert jetzt »von den deutschen Behörden eine umfassende Überprüfung und dort, wo erforderlich, konsequentes Handeln. Die deutschen Behörden haben jahrzehntelang die Verfolgung der NS-Täter versäumt. Wenigstens bei der Aberkennung der Kriegsopferrenten für NS-Täter sollte endlich konsequent gehandelt werden.«

Ferdinand von Schirach

»Sie werden von mir kein Wort gegen Israel hören«

Der Jurist und Schriftsteller war zu Gast bei Markus Lanz - es war eine in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerte Sendung

von Michael Thaidigsmann  04.09.2025

Berlin

Zerstörtes Israel-Banner bei Adenauer-Stiftung ersetzt

Das mehrere Meter lange Banner mit der Israel-Flagge war in der Nacht zu Sonntag an der Fassade des Akademiegebäudes der Stiftung in Berlin-Tiergarten von Unbekannten in Brand gesetzt worden

 04.09.2025

Treffen

Vatikan dringt auf Befreiung aller Geiseln und Zwei-Staaten-Lösung

Papst Leo XIV. hat den israelischen Präsidenten Isaac Herzog empfangen. Das Staatsoberhaupt lobte »die Inspiration und Führungsstärke des Papstes im Kampf gegen Hass und Gewalt«

von Almut Siefert  04.09.2025

Chemnitz

Kunstfestival: Beauftragter hält einige Werke für judenfeindlich

Thomas Feist warf einigen Beteiligten »die Übernahme von «Fakten‹ vor, die nichts als Übernahme von Hamas-Propaganda sind«

 04.09.2025

Erinnerung

Herrmann enthüllt in Tel Aviv Gedenktafel für Olympia-Attentatsopfer

Mit der Tafel setze man ein sichtbares Zeichen gegen Hass, Antisemitismus und Terrorismus

 04.09.2025

Meinung

Vuelta-Radrennen: Israelhasser ohne Sportsgeist

Bei der spanischen Radtour ist der israelische Rennstall Ziel von Störaktionen. Nun forderte der Rennleiter das Team auf, nicht mehr anzutreten. Wenigen Fanatiker gelingt es, Israel vom Sport auszuschließen - wie so oft in der Geschichte

von Martin Krauss  04.09.2025

Vatikan

Papst Leo XIV. empfängt Israels Präsidenten Herzog

Die Sommerpause des Papstes ist vorbei: Am Donnerstag empfing Leo XIV. Israels Präsidenten Herzog im Vatikan. Zuvor kam es zu Unklarheiten bezüglich der Vorgeschichte des Treffens

von Severina Bartonitschek  04.09.2025

Spanien

Israel-Premier Tech: Direktor berichtet von Morddrohungen

Bei der Vuelta a España sorgen israelfeindliche Proteste für einen Eklat. Der Sportdirektor eines israelischen Teams spricht über Ängste. Eines kommt für ihn aber nicht infrage

 04.09.2025

Mar del Plata

Argentinisches Paar gibt Raubkunst-Gemälde zurück

Der Finanzexperte der Nazis brachte das einem jüdischen Galeristen gestohlene Bild einst nach Argentinien. Seine Tochter gibt es nun zurück. Aufgeflogen war sie durch eine Immobilienanzeige

 04.09.2025