Die Lage der drusischen Minderheit im Süden Syriens spitzt sich weiter zu. Nachdem syrische Regierungstruppen und verbündete Milizen in der Stadt Sweida brutal gegen drusische Zivilisten vorgegangen sind, hat Israel nach eigenen Angaben mittlerweile über 160 Luftangriffe auf syrische Stellungen geflogen. Ziel seien neben militärischer Infrastruktur in Sweida auch Teile des syrischen Verteidigungsministeriums und sogar des Präsidentenpalasts in Damaskus gewesen. Dutzende Angehörige des Regimes sollen bei den Angriffen getötet worden sein.
Das israelische Militär bereitet sich nach eigenen Angaben auf eine mehrtägige Operation vor. Ziel sei es, das syrische Militär zum Rückzug aus der Region zu bewegen und den Drusen vor Ort wieder eine gewisse Autonomie zu ermöglichen. Allerdings berichten israelische Quellen, dass die Kontrolle über Sweida faktisch bereits verloren sei: Während die Drusen noch am Dienstag etwa 70 Prozent der Stadt hielten, kontrolliere das Regime nun dieselbe Fläche.
Zusätzlich zu den Kampfhandlungen sorgt der Fall eines 80-jährigen drusischen Geistlichen weltweit für Empörung: Scheich Marhej Shahine ist nach Angaben syrischer Quellen gestorben, nachdem ein Video in sozialen Netzwerken viral ging, das seine öffentliche Demütigung durch Mitglieder der radikalislamischen Miliz Hayat Tahrir al-Sham (HTS) zeigt. In der Aufnahme ist zu sehen, wie dem betagten Mann in der Ortschaft al-Tha’la der Bart abrasiert wird – ein gezielter Akt der Entwürdigung gegenüber einem religiösen Führer.
»In Würde gelebt«
Die Enkelin des Scheichs, die syrische Journalistin Christine Shahine, schrieb auf Facebook: »Mein Großvater wurde zum Märtyrer! Er hat sein Leben in Würde gelebt, sein Haus war immer offen für alle. Er hat uns zur Güte erzogen.« Shahine betonte, ihr Großvater habe sich geweigert, sein Haus zu verlassen – in der Hoffnung, seinen gefallenen Enkel bestatten zu können.
Der saudische Autor Aimen Dean forderte auf X (ehemals Twitter) von Syriens Regierung eine Reaktion: »Wer möchte, dass Syrien als ernstzunehmender Staat angesehen wird, muss sich auch wie ein solcher verhalten. Die öffentliche Demütigung eines älteren religiösen Minderheitenführers ist ein Akt der Schande, kein Zeichen von Souveränität.«
Er appellierte an Präsident Ahmed al-Sharaa, dessen Innen- und Verteidigungsminister, »die Täter festzunehmen und zur Rechenschaft zu ziehen. Zeigt, dass ihr euer eigenes Volk respektiert – besonders die religiösen Führer von Minderheiten.«
An der Grenze zwischen Israel und Syrien herrschte am Mittwoch Chaos: Dutzende syrische Drusen versuchten, ins sichere Israel zu kommen. Die israelische Armee setzte Tränengas ein. Rund 1.000 Drusen aus Israel wiederum durchbrachen die Grenze in anderer Richtung, vermutlich, um ihren drusischen Verwandten in Suweida zu Hilfe zu eilen. Auch nach vier Tagen der Zusammenstöße stieg die Zahl der Opfer der tödlichen Gewalt in der südsyrischen Drusenregion Suweida weiter an.
In Israel leben rund 150.000 Drusen, viele davon als loyale Staatsbürger mit Wehrdienstpflicht. In den Golanhöhen leben etwa 23.000 weitere Drusen, die sich zumeist als Syrer verstehen und enge Verbindungen zu den Drusengemeinschaften in Syrien pflegen. Dort leben rund 700.000 Drusen, vor allem im Süden des Landes – aktuell ein Brennpunkt der Gewalt. ja