Einspruch

Rechtsfrieden braucht Klartext

Philipp Stricharz Foto: privat

Einspruch

Rechtsfrieden braucht Klartext

Philipp Stricharz findet es befremdlich, dass die Staatsanwaltschaft Hamburg antisemitische Motive verschweigt

von Philipp Stricharz  14.01.2021 09:25 Uhr

Am 4. Oktober 2020, während des Laubhüttenfestes Sukkot, setzte sich in Hamburg ein Angreifer ins Taxi und ließ sich zur einzigen Hamburger Synagoge fahren. Dort erkundigte er sich, ob das Gebäude vor ihm auch wirklich die Synagoge sei. Anschließend schlug er mit einem Spaten auf den Kopf des ersten Juden ein, den er anhand der Kippa als solchen erkennen konnte.

Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat nun offenbar die Ermittlungen abgeschlossen. Sie bewertet den Angriff als versuchten Mord, da die Tat heimtückisch sei. Befremdlich ist die Äußerung, es gebe keine Hinweise auf ein politisches oder antisemitisches Motiv und auch keine niederen Beweggründe.

arglosigkeit Die Staatsanwaltschaft wirft dem Täter durchaus vor, ganz bewusst die Arglosigkeit des Angegriffenen ausgenutzt zu haben. Denn so ist Heimtücke definiert. Wenn die geistigen Fähigkeiten des Täters für diese bewusste Entscheidung ausreichten, wie kann es dann außerhalb seiner Kontrolle gewesen sein, dass er gezielt Juden angriff?

Zu verschweigen, dass ein Mordversuch an dem ersten identifizierbaren Juden nach dem gezielten Aufsuchen einer Synagoge ein judenfeindlicher Angriff ist, fördert den Rechtsfrieden nicht.

Strafprozesse haben die Aufgabe, den Rechtsfrieden zu fördern. Zu verschweigen, dass ein Mordversuch an dem ersten identifizierbaren Juden nach dem gezielten Aufsuchen einer Synagoge ein judenfeindlicher Angriff ist, fördert den Rechtsfrieden nicht. Im Gegenteil.

vertrauen Wir Juden sind es, die sich wegen solcher Taten hinter massiven Sicherheitsmaßnahmen und Zäunen verschanzen müssen. Die sich gut überlegen müssen, ob ihre Kinder auf der Straße als Juden erkennbar sein sollen. Wir sind es, die selbst inmitten bewaffneter Polizisten solchen Angriffen ausgesetzt sind – und trotzdem weitermachen, unsere Gemeinden aufbauen, auf unsere Stadt, unser Land und auch unsere Justiz vertrauen.

Dieses Vertrauen ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Es wird durch jeden Angriff beschädigt und muss mühsam wiederaufgebaut werden. Angriffe auf Juden nicht klar beim Namen zu nennen, ist nicht hilfreich und trägt auch nichts zur Diskussion darüber bei, wie solche Angriffe künftig verhindert werden können.

Der Autor ist 1. Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Hamburg.

Deutschland

Bildungszentrum von Yad Vashem soll Leerstelle füllen

Das in Deutschland geplante Bildungszentrum der Gedenkstätte Yad Vashem soll ein größeres Bild in den Dialog der Erinnerungskultur bringen

 31.12.2025

Rohstoffe

Wandel durch Handel

Der Erdgasdeal zwischen Israel und Ägypten hat auch eine sicherheitspolitische Dimension

von Sabine Brandes  31.12.2025

Arlington (Virginia)

USA genehmigen Milliardenauftrag: Neue F-15-Kampfjets für Israel

Der Vertrag umfasst die Entwicklung, Integration, Erprobung, Produktion und Lieferung von zunächst 25 neuen Maschinen

 30.12.2025

Terror

Warum?

Die nichtjüdische Deutsche Carolin Bohl wurde am 7. Oktober 2023 von der Hamas brutal ermordet. Hier nimmt ihre Mutter Abschied von der geliebten Tochter

von Sonja Bohl-Dencker  30.12.2025

Einspruch

Solidarität mit Somaliland

Sabine Brandes findet Israels Anerkennung der Demokratie am Horn von Afrika nicht nur verblüffend, sondern erfrischend

von Sabine Brandes  30.12.2025

Meinung

Für mich heißt Neujahr Nowy God

Das Neujahrsfest hat mit dem Judentum eigentlich nichts zu tun. Trotzdem habe ich warme Erinnerungen an diesen Feiertag

von Jan Feldmann  30.12.2025

London

Vorwurf gegen Facebook: Beiträge feiern Mord an Juden und bleiben online

»Die Beiträge, die den Anschlag von Bondi feiern, sind schlicht widerwärtig«, sagt Dave Rich von der jüdischen Organisation CST in England

 30.12.2025

Berlin

Tagung »Digitale Horizonte«: Wie sich Erinnerungskultur im digitalen Zeitalter wandelt

Wie verändert die Digitalisierung das kollektive Erinnern? Welche Chancen eröffnen neue Technologien – und wo liegen ihre Grenzen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Konferenz

 30.12.2025

Deutschland

Shahak Shapira »superverbittert« über Antisemitismus

Shahak Shapira spricht offen über seinen Frust angesichts von Antisemitismus in Deutschland – und wie er mit politischer Comedy darauf reagiert

 29.12.2025