Pegida

Rechts liegen lassen

Geert Wilders bei der Pegida-Kundgebung in Dresden am 13. April: »Schaut nach Israel, lernt von Israel!« Foto: dpa

Sie bejubelten ihn. Weil er gesagt hat, dass sie in seinen Augen Helden seien. Und dass es ihm eine Ehre sei, vor ihnen zu sprechen. Geert Wilders, dem niederländischen Popstar unter den europäischen Rechtspopulisten, gelang bei seiner Rede vor Pegida-Anhängern in Dresden Mitte April zunächst die Aufwertung der Abwertenden, die sich der fremdenfeindlichen und rassistischen Initiative angeschlossen hatten.

Bei seinem Lob auf Israel aber, das er, der mit einer jüdischen Ungarin verheiratet ist, als Insel im Meer der Barbarei des Islam gepriesen hatte, schwiegen sie bedeutungsvoll. Und in den Gesichtern vieler seiner Zuhörer hatten sich nach diesen Worten Irritation und Unverständnis gezeigt.

protestform Ist Pegida doch zuallererst eine reine Protestform, wie sie etwa sozialen Bewegungen anfangs zu eigen ist. Eine inhaltliche Ausdifferenzierung gibt es nicht. Pegida ist vor allem dagegen und führt den rechten Kulturkampf an, der seit einem Jahr in Deutschland tobt, regional unterschiedlich, unter wechselnden Namen, auf der Straße, im Internet, als mediale Gegenöffentlichkeit und – durch die rechtspopulistische AfD – in den Parlamenten: gegen Zuwanderung, gegen den Islam, gegen Europa, gegen die immer wieder gescholtene »systemgesteuerte Lügenpresse«, gegen die USA. Aber für Israel? Für Toleranz im Zusammenleben mit Menschen jüdischen Glaubens?

Das Gegenteil ist der Fall: So sind unter denen, die Woche für Woche die mediale Aufmerksamkeit nach Dresden und an andere regionale Spielorte des rassistischen Zirkus ziehen, zahlreiche Antisemiten und Holocaustleugner. Neonazis aus Kameradschaften, rechtsmotivierte Hooligans, viele Anhänger der NPD sowie Sympathisanten der ursprünglich aus Frankreich stammenden antisemitisch geprägten Identitären-Bewegung.

mitläufer Dass Pegida eine islamfeindliche Initiative ist, steht für sich. Dass sie für sich auch die vermeintliche Tradition des »christlich-jüdischen Abendlandes« in Anspruch nimmt, darf nicht über den antisemitischen Bezug vieler ihrer Anhänger hinwegtäuschen. Dafür gibt es zahlreiche Belege, etwa unter den Anhängern der rechtsextremen Bewegungspartei »Die Rechte«, die nach Dresden pilgern und von Anfang an einen Großteil der Mitläufer von Pegida in Nordrhein-Westfalen ausgemacht haben.

So auch ein Landesvorstandsmitglied und Betreiber eines Internethandels unter der Domain antisem.it, dessen Vorsitzender als Stadtratsabgeordneter im Dortmunder Kommunalparlament im vergangenen Jahr gezielt mit der Anfrage nach den Wohnorten der in der Stadt lebenden Juden provozierte. Oder die rechtsextremen Hooligans des Fußballclubs Lok Leipzig, die ihre sportlichen wie politischen Gegner öffentlich als »Juden« diffamieren. Von den Veranstaltern bei Legida in Leipzig als eine Schutztruppe eingesetzt, verunglimpfen sie die Medienvertreter dort im Chor als »Judenpresse«. Sie alle sind Pegida, je nach Konjunktur, sofern es eine solche Demonstration in ihrer Nachbarschaft gibt.

sammelbecken
Pegida ist kein politisches Programm, es ist ein Sammelbecken, in dem sich die üblich verdächtigen Rassisten, Rechtspopulisten, Antisemiten und Rechtsextremisten tummeln, die über eine scheinbar harmlose neue Protestform endgültig einen funktionierenden Übergang in die gesellschaftliche Mitte gefunden haben, der ihnen bislang verschlossen geblieben ist.

Errichtet wurde sie im Internet von Pegida-Mitbegründer Lutz Bachmann, der die technischen Möglichkeiten, die Reichweite und die Anonymität der sozialen Medien geschickt mit den eigenen organisatorischen Fähigkeiten, seinem persönlichen Charisma und den reaktionären Bedingungen und rechtsextremen Strukturen gepaart hat, die seine Heimat, das Land Sachsen, in besonderem Maße vorhält.

strategie Zwar weist der sächsische Verfassungsschutzbericht Pegida nicht als verfassungsfeindlich aus. Denn die Veranstalter achten in den Redebeiträgen und bei der öffentlich dargestellten Symbolik peinlich darauf, dass sie verfassungskonform sind. Auf diese Strategie gründet der zwischenzeitliche Erfolg von Pegida: auf der Verschleierung des eigentlichen Wesens, das die Summe der menschenfeindlichen Einstellungen ihrer Sympathisanten ist.

Dass unter denen auch einige sind, die sich gelegentlich um eine israelische Fahne scharen, blieb bislang ohne Folgen. Es ist ein kleiner Zirkel gut organisierter reisefreudiger Islamhasser aus Westdeutschland, aus Bayern, auch aus Nordrhein-Westfalen, die ihre Zuneigung zu Israel aus der Ablehnung des Islam ableiten.

Ihre Stimme ist der stark frequentierte islamfeindliche Internetblog »Politically Incorrect«, der Pegida ebenso bewirbt wie die homogen antisemitische und gewaltgeneigte Initiative der rechtsextremen »Hooligans gegen Salafisten«, die mit den vermeintlichen Israelfreunden im rechten Kulturkampf vereint sind. Hauptsache dagegen.

Der Autor ist Journalist und Verfasser des Buches »Rechter Terror in Deutschland«.

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