Flugreisen

Rabbiner wünscht sich Schulungen für mehr kulturelle Sensibilität

Rabbiner Yehuda Teichtal Foto: picture alliance/dpa

Es war der 8. August, ein Dienstag, als der Berliner Gemeinderabbiner Yehuda Teichtal am Flughafen Berlin Brandenburg (BER) auf die Sicherheitskontrolle wartete. Er wollte nach Israel fliegen. Plötzlich wurde aus dem Sicherheitscheck das, was der Rabbiner als eine »unangenehme Situation beschreibt«.

»Ich wurde beim Security-Check gebeten, die Kippa ganz kurz abzunehmen. Ich habe gefragt, warum ich das machen soll, und habe erklärt, dass ich das auf keinen Fall tun werde«, erklärt der Rabbiner am Montag im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen. Er habe dem Kontrolleur gesagt, er könne seine Hände auf die Kippa legen, um sicherzugehen, dass nichts unter der Kippa sei, aber die Kopfbedeckung abzunehmen, das ginge auf keinen Fall. Der Sicherheitsdienstmitarbeiter habe daraufhin mit der Bundespolizei gesprochen.

Vorfall Rabbiner Teichtal wurde in eine getrennte Kabine geführt. »Die Bundespolizei hat sich sehr professionell verhalten und war sehr korrekt«, betont Teichtal. Trotzdem habe der Vorfall einen bitteren Nachgeschmack bei ihm hinterlassen.

So sehr, dass er eine E-Mail an Dieter Romann, den Präsidenten der Bundespolizei, geschrieben habe. Teichtal erinnert sich an den Inhalt der E-Mail: Er bitte den Bundespolizei-Präsidenten um Prüfung, denn an keinem anderen Flughafen der Welt würden Juden aufgefordert, ihre Kippa abzunehmen.

Die Antwort auf die E-Mail kam sehr schnell: Die Kippa müsse nicht abgenommen werden, eine Kontrolle sei manuell oder technisch möglich. Offenbar habe die »Luftsicherheitskontrollkraft des Dienstleisters« davon keine Kenntnis gehabt; diese Person sei belehrt worden.

»Ich bedankte mich für die schnelle und sachliche Antwort«, sagt Teichtal, der vor allem den positiven Charakter des Geschehens hervorheben will. »Die Menschen sollen wissen, dass es kein Gesetz gibt, das besagt, dass man die Kippa abnehmen muss«, betont er.

Standard Auf der Webseite der Bundespolizei steht klar formuliert, wie bei Kontrollen vor Flugreisen vorgegangen werden soll. »Die Luftsicherheitskontrollen werden unabhängig von religiöser Überzeugung und Weltanschauung durchgeführt. Sollten einzelne Kontrollschritte nicht mit den religiösen und kulturellen Belangen eines Fluggastes vereinbar sein, kann das Kontrollpersonal gebeten werden, eine geeignete alternative Kontrollmethode anzuwenden (beispielsweise Kontrolle in einem separaten Raum statt in der Öffentlichkeit).«

»Nach Berlin kommen so viele Menschen, und die sollten wissen, dass sie die Kippa auch bei der Sicherheitskontrolle auflassen können«, sagt Rabbiner Teichtal. Seit vielen Jahren arbeite er »eng und vertrauensvoll« mit der Bundespolizei zusammen. Es gebe Austauschprogramme und Trainings.

Präventiv Um Vorfälle wie den am BER zu vermeiden, müsste es künftig vielleicht noch mehr Präventivmaßnahmen in Form von Sensibilisierungstrainings geben, so Teichtal. »Wenn wir wirklich wollen, dass die Menschen vertrauensvoll nach Berlin reisen«, dann wäre dies eine Überlegung. Dafür stehe er gern zur Verfügung – auch im Rahmen der Arbeit auf dem kürzlich eröffneten jüdischen Campus.

Das gelte nicht nur für die Bundespolizei, sondern auch für das Sicherheitspersonal und für die anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Flughafens, sagt der Rabbiner. Eigentlich alle, »die in öffentlicher Verantwortung stehen, sollten die Möglichkeit haben, im Rahmen einer Fort- oder Weiterbildung diese Sensibilisierung zu erhalten«. Das schaffe kulturellen Austausch.

»Ich bin ein großer Befürworter von Präventivmaßnahmen«, denn die Mehrheit der Gesellschaft sei tolerant und wünsche einen normalen Austausch untereinander, aber dazu sei es erforderlich, »dass es von vornherein Angebote im Präventivbereich gibt«, sagt Teichtal, der bereits im Mai 2022 nach einem Zwischenfall am Flughafen Frankfurt am Main Sensibilitäts-Trainings vorgeschlagen hatte.

Damals waren dort mehr als 100 ultraorthodoxe Juden kollektiv vom Weiterflug nach Budapest ausgeschlossen worden, weil es auf dem vorangegangenen Flug von New York bei einigen zu Problemen mit der Einhaltung der Maskenpflicht gekommen war.

Der Vorstandsvorsitzende der Lufthansa, Carsten Spohr, hatte sich damals beim Berliner Rabbiner Yehuda Teichtal sowie auch beim Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, für den Vorfall am Frankfurter Flughafen entschuldigt. kat

Interview

»Diskrepanzen zwischen warmen Worten und konkreten Maßnahmen«

Nach dem Massaker von Sydney fragen sich nicht nur viele Juden: Wie kann es sein, dass es immer wieder zu Anschlägen kommt? Auch der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antisemitismus, Felix Klein, sieht Defizite

von Leticia Witte  22.12.2025

Washington D.C.

Kritik an fehlenden Epstein-Dateien: Minister erklärt sich

Am Freitag begann das US-Justizministerium mit der Veröffentlichung von Epstein-Akten. Keine 24 Stunden später fehlen plötzlich mehrere Dateien - angeblich aus einem bestimmten Grund

von Khang Mischke  22.12.2025

Australien

Behörden entfernen Blumenmeer für die Opfer von Bondi Beach

Die Regierung von New South Wales erklärt, man habe sich vor dem Abtransport der Blumen eng mit der jüdischen Gemeinde abgestimmt

 22.12.2025

Sydney

Attentäter warfen Sprengsätze auf Teilnehmer der Chanukka-Feier

Die mutmaßlichen Attentäter Naveed und Sajid Akram bereiteten sich auf das Massaker vor. Ihre Bomben explodierten nicht

 22.12.2025

New York

Tucker Carlson ist »Antisemit des Jahres«

Die Organisation StopAntisemitism erklärt, ausschlaggebend seien Beiträge, in denen er erklärten Judenhassern, Holocaustleugnern und extremistischen Ideologen eine große Bühne geboten habe

 22.12.2025

In eigener Sache

Die Jüdische Allgemeine erhält den »Tacheles-Preis«

Werteinitiative: Die Zeitung steht für Klartext, ordnet ein, widerspricht und ist eine Quelle der Inspiration und des Mutes für die jüdische Gemeinschaft

 21.12.2025

Gaza

Das Problem mit der Entwaffnung

Die Hamas weigert sich strikt, die Waffen niederzulegen. Was Zustimmung in der palästinensischen Bevölkerung findet und den Friedensplan stocken lässt

 21.12.2025 Aktualisiert

Interview

»Die Zustände für Juden sind unhaltbar. Es braucht einen Aufstand der Anständigen«

Zentralratspräsident Josef Schuster über den islamistischen Anschlag von Sydney und das jüdische Leben in Deutschland nach dem 7. Oktober

 21.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  20.12.2025