Anschlag von Halle

Prozess hilft bei Trauma-Bewältigung

Marina Chernivsky Foto: Rolf Walter

Für die Überlebenden des Anschlags von Halle ist der Prozess gegen den Attentäter aus Sicht der Psychologin Marina Chernivsky von entscheidender Bedeutung bei der Bewältigung des traumatischen Erlebnisses. Der in der vergangenen Woche gestartete Prozess gegen den Attentäter Stephan B. wird an diesem Dienstag fortgesetzt.

MEHRHEITSGESELLSCHAFT »Die Überwindung eines Anschlags hängt sehr eng mit sozialen Faktoren zusammen, mit der Anerkennung durch die Mehrheitsgesellschaft und dem politischen Diskurs«, sagte die Geschäftsführerin der Beratungsstelle OFEK dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin.

»Der Anschlag ist ja schließlich nicht ›nur‹ ein individuelles Trauma, sondern ein politischer und gesellschaftlicher Einschnitt.« Die von Hass getriebene Gewalt habe nicht nur die Integrität einzelner Menschen getroffen, »sondern sich ganz klar gegen konkrete Gruppen gerichtet«, sagte Chernivsky: »Auch Menschen aus der jüdischen Community, die nicht vor Ort waren, fühlten sich mitgemeint.«

GEDÄCHTNIS Daher habe der Anschlag auf die Hallenser Synagoge am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur am 9. Oktober vergangenen Jahres bedrohlich auf die gesamte jüdische Community gewirkt und im kollektiven Gedächtnis tiefe Spuren hinterlassen. OFEK berät Betroffene bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung.

Zusammen mit der Mobilen Opferberatungsstelle Sachsen-Anhalt hat OFEK die Teilnahme der Nebenkläger aus der Synagoge organisiert und begleitet sie auch vor Gericht.

 Wichtig sei nun die Bereitschaft von Sicherheitsbehörden, Polizei, Justiz und Politik, Missstände zu thematisieren und grundlegend aufzuarbeiten: »Wenn dies ausbleibt, können weitere Gewalttaten nicht verhindert werden, und die Wirkung dieses Anschlags auf Überlebende wird verstärkt«, sagte Chernivsky.

Die Betroffenen nutzten das Recht der Nebenklage, um mit Anträgen, Fragen und ihrer Präsenz im Gerichtssaal den Prozess mitzugestalten, nicht als Opfer, sondern als Überlebende und politische Akteure: »Sie fordern die Aufarbeitung des Anschlags, nicht als Einzeltat, sondern als Teil der Kontinuität rechter, antisemitischer, rassistischer Gewalt in Deutschland.«

NEBENKLÄGER Zusammen mit der Mobilen Opferberatungsstelle Sachsen-Anhalt hat OFEK die Teilnahme der Nebenkläger aus der Synagoge organisiert und begleitet sie auch vor Gericht. Schon unmittelbar nach dem Anschlag sei mit »sofortiger Krisenintervention« reagiert worden, »wohlwissend, dass extreme Gewalt traumatisierende Wirkung haben kann«.

Stephan B. hatte am 9. Oktober 2019 einen Anschlag auf die Synagoge in Halle verübt, zwei Menschen erschossen und weitere verletzt. Die Bundesanwaltschaft klagt den 28-Jährigen wegen Mordes in zwei Fällen und versuchten Mordes in mehreren Fällen sowie weiteren Straftaten an. Es gibt in dem Verfahren am Oberlandesgericht Naumburg 43 Nebenkläger. epd

Interview

»Die Genozid-Rhetorik hat eine unglaubliche Sprengkraft«

Der Terrorismusforscher Peter Neumann über die Bedrohungslage für Juden nach dem Massaker von Sydney und die potenziellen Auswirkungen extremer Israel-Kritik

von Michael Thaidigsmann  16.12.2025

Wirtschaft

Hightech-Land Israel: Reiche sieht Potenzial für Kooperation

Deutschland hat eine starke Industrie, Israel viele junge Start-ups. Wie lassen sich beide Seiten noch besser zusammenbringen? Darum geht es bei der Reise der Bundeswirtschaftsministerin

 16.12.2025

Meinung

Der Stolz der australischen Juden ist ungebrochen

Der Terroranschlag von Sydney hat die jüdische Gemeinschaft des Landes erschüttert, aber resigniert oder verbittert ist sie nicht. Es bleibt zu hoffen, dass die Regierung künftig mehr für ihren Schutz tut

von Daniel Botmann  16.12.2025

IS-Gruppen

Attentäter von Sydney sollen auf den Philippinen trainiert worden sein

Die Hintergründe

 16.12.2025

Hamburg

Mutmaßlicher Entführer: Mussten im Block-Hotel nichts zahlen

Der israelische Chef einer Sicherheitsfirma, der die Entführung der Block-Kinder organisiert haben soll, sagt im Gericht aus. Die Richterin will wissen: Wer zahlte für die Unterbringung im Luxushotel der Familie?

 16.12.2025

Interview

Holocaust-Überlebender Weintraub wird 100: »Ich habe etwas bewirkt«

Am 1. Januar wird Leon Weintraub 100 Jahre alt. Er ist einer der letzten Überlebenden des Holocaust. Nun warnt er vor Rechtsextremismus und der AfD sowie den Folgen KI-generierter Fotos aus Konzentrationslagern

von Norbert Demuth  16.12.2025

Magdeburg

Anschlag geplant? 21-Jähriger reiste legal ein

Mit einem Visum kam er nach Deutschland, dann informierte er sich über Waffen und glorifizierte Anschläge. Zu dem in Vorbereitungshaft genommenen Mann werden Details bekannt

 16.12.2025

Sydney

Jüdisches Ehepaar stirbt beim Versuch, einen der Angreifer zu stoppen

Boris und Sofia Gurman versuchten, das Massaker vom Bondi Beach zu verhindern, und bezahlten dafür mit ihrem Leben

 16.12.2025

Bundestag

Ramelow: Anschlag in Sydney war Mord »an uns allen«

Erstmals gab es in diesem Jahr eine Chanukka-Feier im Bundestag. Sie stand unter dem Eindruck des Anschlags auf eine Feier zum gleichen Anlass am Sonntag in Sydney

 16.12.2025