Interview

»Probieren wir es doch aus«

Joram Ronel Foto: Christiane Marek

Herr Ronel, am Mittwoch wurde der Gesetzentwurf zur teilweisen Cannabis-Legalisierung in Deutschland vom Kabinett beschlossen. Danach ist künftig der Besitz von bis zu 25 Gramm straffrei, einen kommerziellen Handel wird es im ersten Schritt nicht geben. Sind Sie für so ein Gesetz?
Ich bin da zwiegespalten: ein klares Ja für die Entkriminalisierung der Beschaffungssituation, ein klares Nein zur Normalisierung des Konsums.

Kann der Wirkstoff THC, der in Cannabis enthalten ist, wirklich zu physisch negativen Auswirkungen führen, wenn man die Droge zu heftig nutzt?
Es gibt da schon Rauschzustände und Vergiftungszustände. Wir behandeln sehr viele junge Patienten, die auch kiffen. Wenn sie in die stationäre Behandlung kommen, erwarten wir, dass sie es ohne schaffen.

Warum?
Wir wollen, dass Patientinnen und Patienten, die zu uns in Behandlung kommen, tatsächlich bei Alkohol, Cannabis und härteren Sachen abstinent sind. Was den Nikotinkonsum anbelangt, sind wir nicht ganz so streng. Der Grund ist, dass wir in der stationären Psychotherapie oder stationären Psychosomatik Veränderungsprozesse hervorrufen, entwickeln und unterstützen wollen. Und in dem Moment, wo ein süchtiges Verhalten besteht, ist die Motivation, an sich selbst etwas zu verändern, einfach geringer.

Das ist ein medizinisches Argument gegen jedwede Anwendung von bewusstseinsverändernden Stoffen …
Interessanterweise ist es ja zurzeit ex­trem modern, übrigens auch in Israel, mit Psilocybin, einem halluzinogenen Pilz, und mit Ketamin, einem Betäubungsmittel, das den Patienten im Wachzustand belässt, zu experimentieren. Dahinter steht die Idee, dass mit dem sogenannten Neuro-Enhancement schnellere und tiefere psychotherapeutische Erfolge erzielt werden können. Das passt auch irgendwie zum Zeitgeist. Aber Psilocybin und Ketamin werden in der psychotherapeutischen Szenerie global wesentlich positiver oder neugieriger betrachtet als Cannabis. Ich bin da sehr skeptisch, weil dadurch auch eine Art Ökonomisierungsdruck entsteht, alles muss schneller gehen – aber Beziehungen, mit denen wir arbeiten, müssen im Therapieprozess auch ihre Zeit bekommen.

Zurück zum Lauterbach-Gesetzentwurf, der ja in einer ersten Stufe keinen offenen Verkauf zulässt, sondern nur den Besitz von 25 Gramm und das Anpflanzen von drei Cannabispflanzen pro Person im Haushalt …
Wie schon eingangs erwähnt, bin ich gegen die Normalisierung des Konsums qua Gesetz. Aber eine Entkriminalisierung bei bestenfalls geringen Dosen, wo niemand finanzielle Gewinne daraus erzielen kann? Probieren wir es doch aus.

Mit dem Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und Chefarzt an der Klinik Barmelweid in der Schweiz sprach Daniel Killy.

Meinung

Kanye West und der grassierende Antisemitismus in den USA

Die neuesten judenfeindlichen Eskapaden des Rapstars sind symptomatisch für eine bedrohliche Diskursverschiebung, die von Donald Trump und Elon Musk befeuert wird

von Ruben Gerczikow  10.02.2025

FU Berlin

Francesca Albanese soll an der FU Berlin sprechen

Nach der Absage an der LMU München soll die UN-Sonderbeauftragte nun in der Hauptstadt sprechen

 10.02.2025

München

»Die AfD ist die stärkste Bedrohung für jüdische Menschen in Deutschland«

Charlotte Knobloch äußert sich zum Vorgehen der Union Woche im Bundestag. Die AfD hatte zusammen mit CSU/CSU und FDP für eine Verschärfung des Asylrechts gestimmt

von Imanuel Marcus  10.02.2025

Interview

»Es gab keine Zusammenarbeit mit der AfD«

Der CDU/CSU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz über die Brandmauer zur AfD, den Schutz jüdischen Lebens und die besondere deutsche Verantwortung gegenüber Israel

von Joshua Schultheis, Philipp Peyman Engel, Tobias Kühn  10.02.2025

Meinung

Da kann man sich gleich Björn Höcke einladen

UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese hätte an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität sprechen sollen. Dabei hat sie sich für den akademischen Diskurs disqualifiziert

von Ralf Balke  10.02.2025

New Orleans

Palästinensische Flagge bei 59. Super Bowl gezeigt

Ein Mitglied einer Tänzergruppe bekommt deswegen eine Strafe der NFL

 10.02.2025

AfD-Strategie

Forscherin: AfD nutzt soziale Medien gezielt, um Holocaust umzudeuten

AfD-Mitglieder und -Anhänger behaupteten unter anderem, wohlhabende Juden würden als vermeintliche »Strafe« für den Holocaust gezielt die deutsche Gesellschaft durch Migration »ausrotten« wollen

 10.02.2025

Berlin

Weidel-Patzer: Sind wirklich fast 1000 Juden Mitglieder der AfD?

Die tatsächliche Zahl jüdischer Mitglieder in der zumindest in Teilen rechtsextremistischen Partei ist »etwas« niedriger

von Imanuel Marcus  10.02.2025

Berlin

Israelfeindliche Demo: 28 Festnahmen, zweimal »Anschlussgewahrsam«

Die Liste der von Teilnehmern begangenen Delikte enthält Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Körperverletzung und Beleidigung

 10.02.2025