Einspruch

Persilschein für Islamisten?

Dass die Muslimbruderschaft bei den ersten freien Parlamentswahlen in Ägypten eine klare Mehrheit erringen wird, gilt als sicher. Und schon sind westliche Regierungen eifrig bemüht, sich mit den Siegern von morgen gut zu stellen. Es sei »kein Geheimnis«, dass die Bundesregierung »auf Arbeitsebene« bereits mit »einigen« Muslimbrüdern rede, erklärte kürzlich Außenminister Guido Westerwelle. »Berührungsängste« gebe es nicht, solange »rote Linien« wie Gewaltverzicht und das Bekenntnis zur Demokratie beachtet würden. Dem Westen dahin gehende verbale Zugeständnisse zu machen, kostet die Islamisten freilich nichts. Für sie zählt, erst einmal ungestört an die Schalthebel der Macht zu gelangen.

Allianz Was von der »Mäßigung« der Muslimbrüder tatsächlich zu halten ist, lässt sich indes an einer antiisraelischen Kundgebung Ende vergangener Woche in Kairo ablesen, auf der sie ihrem mörderischen Hass gegen »die Juden« freien Lauf ließen und Parolen wie »Tel Aviv, der jüngste Tag ist angebrochen« skandierten. Der Versuch, den Volkszorn vom Protest gegen die ungebrochen autoritäre Herrschaft des Militärs in Richtung Israel abzulenken, hat System. Längst haben Armee und Muslimbrüder eine strategische Allianz zwecks Aufteilung der Macht geschlossen – auf Kosten der säkular-demokratischen Freiheitsbewegung, die verstärkt willkürlicher Repression ausgesetzt ist.

Unter diesen Bedingungen haben die drangsalierten und zersplitterten liberalen Kräfte bei Wahlen keine Chance, selbst wenn diese nicht manipuliert werden sollten. Die Begeisterung, mit der die Ägypter jetzt von ihrem freien Stimmrecht Gebrauch machen, lässt immerhin einen Funken Hoffnung zu, der neue demokratische Elan könne sogar eine islamistische Regierung im Zaum halten. Europäische Politiker, die der Muslimbruderschaft schon im Voraus Persilscheine im Sinne ihrer Demokratietauglichkeit ausstellen, sind dabei jedoch keine Hilfe.

Der Autor ist Politischer Korrespondent der »Welt« und der »Welt am Sonntag«.

Dortmund

Ermittlungen gegen Wachmann von NS-Gefangenenlager 

Die Polizei ermittelt gegen einen Ex-Wachmann des früheren NS-Kriegsgefangenenlagers in Hemer. Er soll an Tötungen beteiligt gewesen sein - und ist laut »Bild« inzwischen 100 Jahre alt

 22.11.2025

Deutschland

»Völlige Schamlosigkeit«: Zentralrat der Juden kritisiert AfD-Spitzenkandidat für NS-Verharmlosung

Der AfD-Spitzenkandidat aus Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, äußert sich einschlägig in einem Podcast zur NS-Zeit

von Verena Schmitt-Roschmann  21.11.2025

München

»Wir verlieren die Hoheit über unsere Narrative«

Der Publizist und Psychologe Ahmad Mansour warnte in München vor Gefahren für die Demokratie - vor allem durch die sozialen Netzwerke

von Sabina Wolf  21.11.2025

Tobias Kühn

Wenn Versöhnung zur Heuchelei wird

Jenaer Professoren wollen die Zusammenarbeit ihrer Universität mit israelischen Partnern prüfen lassen. Unter ihnen ist ausgerechnet ein evangelischer Theologe, der zum Thema Versöhnung lehrt

von Tobias Kühn  21.11.2025

Kommentar

Martin Hikel, Neukölln und die Kapitulation der Berliner SPD vor dem antisemitischen Zeitgeist

Der bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln ist abgestraft worden - weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Gespräch

»Der Überlebenskampf dauert an«

Arye Sharuz Shalicar über sein neues Buch, Israels Krieg gegen den palästinensischen Terror und die verzerrte Nahost-Berichterstattung in den deutschen Medien

von Detlef David Kauschke  21.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  21.11.2025

Deutschland

»Hitler ist niedergekämpft worden. Unsere Städte mussten in Schutt und Asche gelegt werden, leider«

Militanter Linker, Turnschuhminister, Vizekanzler und Außenminister: Das sind die Stationen im Leben des Grünenpolitikers Joschka Fischer. Warum er heute vom CDU-Kanzler Konrad Adenauer ein anderes Bild als früher hat

von Barbara Just  21.11.2025

Berlin

Bundesinnenministerium wechselt Islamismusberater aus

Beraterkreis statt Task Force: Die schwarz-rote Bundesregierung setzt einen anderen Akzent gegen islamistischen Extremismus als die Ampel. Ein neues Expertengremium, zu dem auch Güner Balci gehören wird, soll zunächst einen Aktionsplan erarbeiten

von Alexander Riedel  21.11.2025