Debatte

»Paragrafen mit Leben erfüllen«

Foto: imago images/Jan Huebner

Im Kampf gegen Antisemitismus dringen Experten auf eine konsequente Anwendung rechtsstaatlicher Mittel und eine stärkere Sensibilisierung von Justiz- und Ermittlungsbehörden. So falle es etwa Richtern auch in einem gut funktionierenden Rechtssystem wie in Deutschland oft schwer einzuordnen, ob einer Tat ein antisemitisches Motiv zugrunde liegt, sagte die Antisemitismusbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, in einer Online-Diskussion am Dienstagabend.

MÄNGEL Sie würdigte in dem Zusammenhang Antisemitismusbeauftragte bei Generalstaatsanwaltschaften, wie es sie bereits in Berlin und Bayern gibt. Die frühere Bundesjustizministerin von der FDP berichtete zudem von einem Projekt in der Stadt Köln: Neu eingestellte Richter besuchten die dortige Synagogengemeinde für Gespräche. »Da bekommen sie einen Einblick.« Mit Blick auf Antisemitismus gebe es durchaus Mängel bei der Wissensvermittlung im Studium und bei Fortbildungen. »Dann darf man sich nicht wundern, wenn eine gewisse Sensibilisierung fehlt.«

Organisiert wurde die Veranstaltung vom jüdischen Begabtenförderungswerk Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk (ELES).

Wenn Opfer oder auch Zeugen nach einer Straftat bei den Ermittlungen feststellten, dass sie nicht ernst genommen würden, drohe ein Vertrauensverlust, betonte Leutheusser-Schnarrenberger. Alle Menschen müssten sich für das Vorgehen gegen Judenfeindlichkeit verantwortlich fühlen: »Antisemitismus verletzt die Menschenwürde. Und deshalb müssen wir uns alle angesprochen fühlen.«

WILLEN Der Journalist, Jurist und Autor Ronen Steinke (»Terror gegen Juden«) zitierte aus einer Statistik der EU-Grundrechteagentur, wonach nur 20 Prozent der antisemitischen Straftaten angezeigt werden. Dass Betroffene in diese Richtung abwägen, sei ein »Versagen« des Staates. Denn dieser habe den Anspruch, nicht das Recht des Stärkeren gelten zu lassen und sich für die Schwachen einzusetzen. Die »schönsten Paragrafen« nutzten nichts, wenn sie nicht mit Leben erfüllt würden; »es kommt auf den Willen an«.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Die Rechtsanwältin Vladislava Zdesenko, die ehrenamtlich Opfer von Antisemitismus berät, rief dazu auf, nicht zu schweigen. Auch Zeugen sollten sich für eine Ermittlung und einen Prozess zur Verfügung stellen. Es gebe in Deutschland ausreichend Instrumente, um präventiv und repressiv gegen Antisemitismus vorzugehen. Diese Instrumente würden aber oft nicht konsequent eingesetzt.

Die Diskussionsveranstaltung wurde vom jüdischen Begabtenförderungswerk Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk (ELES) in Berlin im Rahmen der Initiative »Nie wieder!? Gemeinsam gegen Antisemitismus & für eine plurale Gesellschaft« organisiert. Schirmherr des Programms ist Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Lesen Sie mehr zu diesem Thema in der Printausgabe der Jüdischen Allgemeinen.

Berlin

JSUD fordert Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Teheran

»Ohne den Iran hätte der 7. Oktober nicht passieren können«, sagt die Vorsitzende Hanna Veiler

 25.04.2024

Virginia

Biden: »Dieser unverhohlene Antisemitismus ist verwerflich und gefährlich«

US-Präsident Biden verurteilt antiisraelische Proteste an Universitäten

 25.04.2024

Terror

Argentinien schreibt Irans Innenminister zur Fahndung aus

Er war offenbar 1994 an dem Bombenanschlag 1994 auf das jüdische Gemeindezentrum Amia beteiligt

 25.04.2024

Oranienburg

Mehr antisemitische Vorfälle in Gedenkstätte Sachsenhausen

»Geschichtsrevisionistische Tabubrüche und Grenzverschiebungen von rechts« werden registriert

 25.04.2024

Wien

Spätwerk von Gustav Klimt für 30 Millionen Euro versteigert

Der Künstler malte das »Bildnis Fräulein Lieser« kurz vor seinem Tod

 25.04.2024

Berlin

Ausstellung im Haus der Wannsee-Konferenz beschädigt

Kuratorin: «Auffällig, dass ausgerechnet Plakate zum israelbezogenen Antisemitismus beschädigt wurden«

 24.04.2024

Kommentar

AfD in Talkshows: So jedenfalls nicht!

Die jüngsten Auftritte von AfD-Spitzenpolitikern in bekannten Talk-Formaten zeigen: Deutsche Medien haben im Umgang mit der Rechtsaußen-Partei noch viel zu lernen. Tiefpunkt war das Interview mit Maximilian Krah bei »Jung & Naiv«

von Joshua Schultheis  24.04.2024

Umfrage

Studie: Für die meisten muslimischen Schüler ist der Koran wichtiger als deutsche Gesetze

Fast die Hälfte der Befragten will einen islamischen Gottesstaat

 22.04.2024

Vereinte Nationen

»Whitewash«: UNRWA-Prüfbericht vorgelegt

Eine Untersuchung sollte die schweren Vorwürfe gegen das UN-Hilfswerk aufklären - vorab sickerten erste Details durch

von Michael Thaidigsmann  22.04.2024