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Bürgermeisterwahl in Thüringen: Holt die AfD das nächste Amt?

Jörg Prophet, Kandidat der rechtsextremistischen AfD für die Oberbürgermeister-Wahl in Nordhausen Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

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Bürgermeisterwahl in Thüringen: Holt die AfD das nächste Amt?

Ihr Kandidat fiel mit einem Text dem Verfassungsschutz auf

von Stefan Hantzschmann  24.09.2023 09:39 Uhr Aktualisiert

Jörg Prophet will Oberbürgermeister von Nordhausen werden, Interviews geben will der AfD-Politiker aber nicht. Der 61-Jährige mit weißen Haaren, zum Scheitel frisiert, steht mit seinem Wahlkampfstand an einem Werktag vor einem Einkaufszentrum der 42 000-Einwohner Stadt in Nordthüringen und redet mit Bürgern. Blaue Luftballons, eine Deutschland-Fahne an einem Baum, Kugelschreiber zum Mitnehmen. Ein Mann lobt Prophet für eine Rede bei einem Bürgerfest, ein anderer sagt nach dem Gespräch mit ihm, Prophet sei »der richtige Mann in der falschen Partei«.

Nach Erfolgen bei der Landratswahl im südthüringischen Sonneberg und bei der Bürgermeisterwahl im sachsen-anhaltischen Raguhn-Jeßnitz peilt die AfD nun eine Kreisstadt an. Gewinnt ihr Kandidat, wäre er der erste AfD-Oberbürgermeister in Deutschland. Es gehört zur Strategie der AfD, über Erfolge in den Kommunen auch Perspektiven für eine Regierungsbeteiligung zu erhalten. Das hatte der thüringische AfD-Fraktionschef Björn Höcke in diesem Jahr selbst als Ziel ausgegeben.

Die Thüringer AfD gilt als besonders weit rechts stehender Landesverband, er wird vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft und beobachtet. Zugleich hat die AfD wohl in keinem anderen Bundesland so viel Macht. Erst vor etwa einer Woche hatte eine Abstimmung im Thüringer Landtag eine Kontroverse ausgelöst. Ein CDU-Entwurf für eine Steuersenkung wurde mit Hilfe von AfD-Stimmen beschlossen. Ist das schon Zusammenarbeit oder nicht? Ein Nordhäuser Bürger am AfD-Stand sagt dazu: »Landtag ist Landtag, Nordhausen ist Nordhausen«. Er sei entschlossen, Prophet zu wählen.

Der Unternehmer gilt als Favorit in der Stichwahl am Sonntag (24.9.) gegen den amtierenden Stadtchef Kai Buchmann (parteilos). Im ersten Wahldurchgang erhielt Prophet 42,1 Prozent der Stimmen, Amtsinhaber Buchmann 23,7 Prozent. Buchmann sagt, er wisse nicht, ob die Abstimmung im Landtag auf das Konto seines Kontrahenten einzahle. Der Höhenflug der AfD in Umfragen aber womöglich schon. Die AfD kommt in Umfragen inzwischen in den drei ostdeutschen Bundesländern Thüringen, Sachsen und Brandenburg auf Werte von mehr als 30 Prozent. In diesen Bundesländern werden im kommenden Jahr neue Landtage gewählt.

Gegen Buchmann läuft ein Disziplinarverfahren wegen Mobbing-Vorwürfen, ein paar Monate lang war der Politiker, der früher ein Grünen-Parteibuch hatte, suspendiert. Ein Verwaltungsgericht machte die Suspendierung rückgängig, seit Anfang August ist Buchmann wieder im Amt, das Verhältnis zum SPD-Landrat gilt aber als zerrüttet.

Er wolle eine weltoffene Stadt Nordhausen, sagt Buchmann in einem Café in der Nähe des Rathauses. Dafür stehe er in diesem Wahlkampf. Man bemühe sich, Geflüchtete zu integrieren - in den Schulen und Kindergärten. Es sei gut, dass sie in der Stadt verstreut untergebracht seien und nicht in einer Gemeinschaftsunterkunft, sagt Buchmann. Prophet dagegen will sich gegenüber dem Landkreis für eine Residenzpflicht für Geflüchtete einsetzen - sie sollen in den ihnen zugewiesenen Gemeinden bleiben und nicht in die Stadt Nordhausen kommen, so die Idee.

Nordhausen ist ein Hochschulstandort mit vielen internationalen Studierenden, in der Stadt fahren Straßenbahnen, und es gibt zahlreiche Bahnverbindungen etwa in die Landeshauptstadt Erfurt. Allerdings gilt die Stadt auch als finanziell chronisch klamm.

Die Zeit des Nationalsozialismus hat in der Stadt Spuren hinterlassen. Die Straße der Opfer des Faschismus führt zur KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora. In das Konzentrationslager wurden zwischen 1943 und 1945 etwa 60 000 Menschen verschleppt, offiziell wurden von der SS 12 000 Tote vermerkt. Die Gedenkstätte geht davon aus, dass mindestens 20 000 Häftlinge die Deportation in das KZ nicht überlebten.

Man werde aus Rücksicht vor den Überlebenden und ihren Angehörenden Jörg Prophet nicht zu Gedenkveranstaltungen einladen, sagte die kommissarische Leiterin der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora, Anett Dremel. Der AfD-Politiker sei mit geschichtsrevisionistischen Äußerungen aufgefallen. »Uns erreichen seit Wochen Schreiben von Überlebenden-Verbänden, die sich besorgt äußern«, sagte Dremel.

Mit seinen Ansichten fiel Prophet nicht nur der Gedenkstätte auf, sondern auch dem Verfassungsschutz - vor allem mit einem Beitrag aus dem Jahr 2021 auf der Seite des Nordhäuser AfD-Kreisverbands. Darin geht es um die Bombardierung Dresdens und die Erinnerung daran. Prophet schreibt darin: »Schizophren wird es aber dann, wenn heute offen propagiert wird, dass Terror gegen Zivilbevölkerung immer dann zulässig ist, wenn es ein Tätervolk trifft.« Der Verfassungsschutz führt Auszüge des Textes später als Beleg dafür an, dass die »geschichtsrevisionistische Agenda« der AfD »in die Breite des Landesverbandes« hineinwirke. Prophet distanzierte sich nicht von seinem Text.

Ein Bürger, der mit Prophet am AfD-Stand spricht, und sich den umstrittenen Text nach eigenen Angaben durchlesen hat, stört das nicht. Vielmehr plädierte er für »mehr Zusammenarbeit« unabhängig vom Parteibuch, um die Probleme in der Stadt zu lösen. Ein anderer sagt, es gebe »Klüngel« in der Stadt, und es brauche jemanden, der damit Schluss mache.

Wird Jörg Prophet im Falle seiner Wahl auf seine Verfassungstreue überprüft, wie einst Sonnebergs AfD-Landrat Robert Sesselmann? Das Thüringer Innenministerium wollte sich dazu auf Anfrage nicht äußern.

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