Interview

»Mehr Abschreckung«

Herr van Creveld, der Nahe Osten rüstet auf: Die USA liefern im großen Stil Waffen an Saudi-Arabien. Und der Iran baut vermutlich Atombomben. Wie sicher ist Israel?
Sehr sicher. Früher standen unsere größten Feinde – Ägypten, Syrien und Jordanien – keine 40 Kilometer vor Tel Aviv. Heute aber geht die größte Gefahr vom Iran aus, und der ist 1.000 Kilometer entfernt. Das ist doch wunderbar! Israel ist eine regionale Großmacht. Das weiß jeder, sogar Herr Ahmadinedschad.

Der Iran kommt aber nicht mit Panzern, sondern verfolgt ein Atomprogramm.
Die Welt lebt seit über 60 Jahren in einem System atomarer Abschreckung. Das begann, als die Sowjetunion Atommacht wurde. Das Gleichgewicht des Schreckens hat immer gut funktioniert. Keine Atommacht hat bisher ihre Waffen gegen eine andere eingesetzt.

Basierte dieses System der Abschreckung aber nicht darauf, dass es zwei sich gegenüberstehende Militärblöcke gab?
Die Bipolarität haben wir seit 20 Jahren nicht mehr, und dennoch hat es keine Atomkriege gegeben. Abschreckung funktioniert. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Situation bipolar oder multipolar ist, ob ein Land kapitalistisch oder kommunistisch, christlich, jüdisch, buddhistisch oder muslimisch ist.

Setzt nukleare Abschreckung nicht rationale Akteure voraus? Kritiker haben gerade bei Irans Präsident Ahmadinedschad oder bei Nordkoreas Kim Il-Sung Bedenken.
Das hat man schon bei Stalin, Mao Tsetung und Pakistan gesagt. Vor allem amerikanische Autoren beschwören diese Furcht. Denn die USA wollen der einzige Atomstaat der Welt sein.

Sie fürchten sich gar nicht vor einer iranischen Atombombe?
Früher oder später werden die Iraner über Nuklearwaffen verfügen. Und das wird dann auch nicht schlimmer sein als die Waffen, die im Besitz Nordkoreas, Pakistans oder Indiens sind.

Also setzen die USA und Israel politisch einen falschen Schwerpunkt, wenn sie mit allen Mitteln versuchen, die iranische Bombe zu verhindern?
Die Amerikaner sind da zumindest konsequent: Sie dulden neben sich keine andere Atommacht. Und Israel wird die iranische Bombe nicht verhindern können.

Unterhalb der nuklearen Schwelle gibt es aber ständig Kriege. Wie sicher ist Israel, wenn es um einen Angriff mit konventionellen Waffen geht?
Ich habe den größten Teil meines Lebens in Israel verbracht. Der letzte große Krieg war 1973. Danach gab es zwei Libanonkriege und den Gazakrieg. Die Auseinandersetzungen werden immer kleiner, gar nicht zu vergleichen mit dem Jom-Kippur-Krieg 1973 oder gar dem Gemetzel 1948/49. Genau betrachtet, haben wir seit 1945 keinen Großkrieg mehr erlebt.

Verschwindet die Bedrohung Israels von alleine?
Die gegenwärtig größte Bedrohung Israels kommt von den Palästinensern. Und zwar nicht von der Hamas im Gazastreifen, sondern aus dem Westjordanland. Dort leben drei Millionen Palästinenser, vielleicht sogar noch mehr. Wir müssen diese Leute loswerden. Da wir sie nicht über den Jordan jagen können – eine Option, die ich für schrecklich und unmoralisch halte –, benötigen wir eine andere Lösung: das ist die Grenze von 1967.

Das hieße unter anderem, auf die Golanhöhen zu verzichten. Glauben Sie wirklich, dass das Israels Sicherheit erhöht?
Verschiedene israelische Generäle haben mehrfach behauptet, dass Israel auch ohne den Golan zu verteidigen ist.

Angenommen, Martin van Creveld wäre Israels Verteidigungsminister – was würde er tun?
Ich hätte zwei Hauptaufgaben: eine militärische und eine politische. Militärisch würde ich die nukleare Abschreckung ausbauen. Dazu gehört auch, öffentlich zu ma- chen, wozu wir waffentechnisch in der Lage sind. Die politische Aufgabe wäre, die besetzten Gebiete zu verlassen. Denn wir sind ohne die Gebiete stärker als mit ihnen.

Mit dem israelischen Militärhistoriker und -theoretiker sprach Martin Krauß.

Sicherheit

»Keine jüdische Veranstaltung soll je abgesagt werden müssen«

Nach dem Massaker von Sydney wendet sich Zentralratspräsident Josef Schuster in einer persönlichen Botschaft an alle Juden in Deutschland: Lasst euch die Freude an Chanukka nicht nehmen!

von Josef Schuster  17.12.2025

Faktencheck

Berichte über israelischen Pass Selenskyjs sind Fälschung

Ukrainische Behörden ermitteln wegen hochrangiger Korruption. Doch unter diesen Fakten mischen sich Fälschungen: So ist erfunden, dass bei einer Razzia ein israelischer Pass Selenskyjs gefunden wurde

 17.12.2025

Berlin

Klöckner zu Attentat: »Sydney hätte auch in Deutschland liegen können«

Bei einem antisemitischen Anschlag in Australien starben 15 Menschen. Die Bundestagspräsidentin warnt, dass sich Judenhass auch in Deutschland immer weiter ausbreite

 17.12.2025

Faktencheck

Bei den Sydney-Attentätern führt die Spur zum IS

Nach dem Blutbad am Bondi Beach werden auch Verschwörungsmythen verbreitet. Dass der jüngere Attentäter ein israelischer Soldat sei, der im Gazastreifen eingesetzt wurde, entspricht nicht der Wahrheit

 17.12.2025

Analyse

Rückkehr des Dschihadismus?

Wer steckt hinter den Anschlägen von Sydney – und was bedeuten sie für Deutschland und Europa? Terrorexperten warnen

von Michael Thaidigsman  17.12.2025

Bulletin

Terrorangriff in Sydney: 20 Verletzte weiter im Krankenhaus

Fünf Patienten befinden sich nach Angaben der Gesundheitsbehörden in kritischem Zustand

 17.12.2025

Bondi Beach

Sydney-Attentäter wegen 15-fachen Mordes angeklagt

15-facher Mord, Terrorismus, Sprengstoffeinsatz - dem überlebenden Sydney-Attentäter werden 59 Tatbestände zur Last gelegt

 17.12.2025

Meinung

Die Empörung über Antisemitismus muss lauter werden

Der Anschlag von Sydney war in einem weltweiten Klima des Juden- und Israelhasses erwartbar. Nun ist es an der Zeit, endlich Haltung zu zeigen

von Claire Schaub-Moore  17.12.2025

Washington D.C.

Trump ruft zu Vorgehen gegen islamistischen Terror auf

Bei einer Chanukka-Feier im Weißen Haus spricht der Präsident den Hinterbliebenen der Opfer vom Anschlag in Sydney sei Beileid aus

 17.12.2025