Iran

Lernziel Hass

»Al-Quds-Tag« in Teheran 2019: Verbrennung der israelischen Fahne Foto: imago images / ZUMA Press

Iran

Lernziel Hass

Die Hetze gegen Juden, Israel und den Westen nimmt neue Dimensionen an

von Ralf Balke  25.02.2021 08:22 Uhr

Satan lässt grüßen. Auch im 42. Jahr seit der Gründung der Islamischen Republik sind in iranischen Schulbüchern die Konfliktlinien klar definiert und lassen sich auf eine Formel bringen: Der Westen will uns Muslimen an den Kragen. Vor allem die aktuelle Coronavirus-Krise hat diesem Weltbild eine neue Konjunktur beschert.

Die Anti-Defamation League (ADL) hat in einer Studie die vom Bildungsministerium in Teheran vorgegebenen Unterrichtsmaterialien unter die Lupe genommen. Laut den Lehrbuchtexten hätten westliche Medien durch das Verbreiten von gezielten Gerüchten, dass man die Pandemie im Iran nicht im Griff habe, die Feierlichkeiten zum 41. Jahrestag der Islamischen Revolution im vergangenen Jahr torpedieren wollen.

sanktionen Auch seien die amerikanischen Sanktionen gegen das Regime der Mullahs Teil eines »satanischen Plans« gegen den Islam und das iranische Volk. Nur der »große Dschihad« und das »Blut der Jugend« würden Schlimmeres verhindern – weshalb Märtyrertum in den Curricula weiterhin großgeschrieben wird.

Die Anti-Defamation League (ADL) hat in einer Studie die vom Bildungsministerium in Teheran vorgegebenen Unterrichtsmaterialien unter die Lupe genommen.

Doch das ist nur eine Seite der Medaille, wie David Weinberg, ADL-Direktor für Internationale Angelegenheiten in Washington, betont. Darüber hinaus werden die Schüler dazu angehalten, Parolen wie »Tod Israel« zu skandieren, und zur Vernichtung des jüdischen Staats aufgerufen. Auch ist viel von jüdischen Verschwörungen gegen den Islam die Rede, die es bereits seit den Tagen des Propheten geben würde.

Dies sei umso erstaunlicher, betont Weinberg, weil es in einigen Ländern in der Region zu einem Umdenken gekommen und antisemitische Inhalte aus Lehrplänen gestrichen worden seien. Im Iran dagegen habe es in den vergangenen fünf Jahren eher eine Radikalisierung gegeben.

NARRATIVE »Leider ist der Antisemitismus in offiziellen Schulbüchern in vielen Teilen des Nahen Ostens weiterhin ein verbreitetes Problem«, sagt Weinberg und verweist auf die Unterrichtsmaterialien, die beispielsweise auf dem Gebiet der Palästinensischen Autonomiebehörde in Gebrauch sind. »Juden werden darin dämonisiert, der Staat Israel delegitimiert und der Holocaust ignoriert. All das macht die Aussichten auf eine Koexistenz und friedliche Beilegung des Konflikts zunichte.«

Im Falle des Irans kommen aber noch ganz andere Narrative zur Geltung. »Sowohl die USA als auch die Europäische Union sowie Israel und die arabischen Staaten werden entweder als Strippenzieher oder Marionetten des Imperialismus dargestellt. Sie alle sind Figuren in einem ständigen Existenzkampf zwischen der wahren Religion und ihren Feinden.«

Juden werden in diesem Kontext so dargestellt, als ob sie schon immer diese Rolle gespielt hätten. »Einzige Ausnahmen sind die jüdische Minderheit im Iran oder solche, die sich ausdrücklich von jeder Art von Zionismus distanzieren. Ansonsten gelten sie als ›Feinde des Islam‹ und Teil eines globalen imperialistischen Komplotts.«

terroristen Die Tötung von international gesuchten Terroristen wie Qassem Soleimani und Abu Mahdi al-Muhandis vor einem Jahr durch eine amerikanische Drohne in Bagdad bot zudem Anlass, von der Jugend mehr Militanz und Bereitschaft zur Selbstopferung einzufordern.

Experten sehen eine wachsende Kluft zwischen den Mullahs und der Jugend.

Die Ergebnisse der ADL-Studie bestätigen das, was bereits längere Zeit von anderen Experten beobachtet wurde. »Seit der Machtübernahme der religiösen Revolutionäre im Jahr 1979 versucht man, mit systematischer Gehirnwäsche in den Schulen und an den Universitäten die herrschende Ideologie in die Köpfe der nächsten Generation zu pflanzen«, sagte der in Deutschland lebende Wissenschaftsjournalist Erfan Kasraie, der sich ebenfalls mit den Curricula im Iran beschäftigt, im vergangenen November der Deutschen Welle. Die Tatsache, dass ständig neue Konzepte für die weitere Islamisierung der Schulbücher entwickelt werden müssen, deutet er als Indiz für eine wachsende Kluft zwischen den Mullahs und der Jugend.

»Die ungeheuerlichen Schulbuch-Texte sind seit 42 Jahren bekannt«, sagt Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen). »Ich selbst musste diese antisemitische, anti-israelische und anti-amerikanische Hetze in der Schule lesen und zusammen mit meinen Schulkameraden beim täglichen Morgenappell auf dem Schulhof ›Tod den USA‹ und ›Tod Israel‹ skandieren«, so der Grünen-Sprecher für Außenpolitik.

»Al-Quds-Tag« »Es gibt ja auch schon ältere Untersuchungen darüber, beispielsweise die des American Jewish Committee (AJC)«, sagt Nouripour. »Die ADL-Studie ist nicht nur eine gute Zusammenfassung, sondern auch eine Aktualisierung der an Kinder gerichteten Propaganda, inklusive der gefährlich-verharmlosenden Corona-Verschwörungstheorien. Dass die Schulbücher im Iran eine Abbildung der eliminatorischen Politik des Systems Israel gegenüber sind, sollte spätestens seit der Ausrufung des ›Al-Quds-Tages‹ durch den Revolutionsbegründer Ayatollah Khomeini allen bekannt sein, auch in Deutschland.«

Für ihn gehört dieses Thema auf die lange Liste der enormen Herausforderungen, die derzeit von Teheran ausgehen. »Die Dro­hungen gegen Israel, die aggressive Re­gi­o­nalpolitik Irans, das ballistische Raketenprogramm, das Nuklearprogramm und die katastrophale Menschenrechtslage im Land sind die anderen großen Probleme, die wir Europäer zusammen mit unseren amerikanischen Freunden adressieren müssen.«

Magdeburg

Mehr antisemitische Vorfälle in Sachsen-Anhalt

Direkt von Anfeindungen betroffen waren laut Rias 86 Personen und in 47 Fällen Einrichtungen

 14.05.2025

Mythos

Forscher widerlegen Spekulation über Olympia-Attentat 1972

Neue Recherchen widersprechen einer landläufigen Annahme zum Münchner Olympia-Attentat: Demnach verfolgten die Terroristen die Geschehnisse nicht am Fernseher. Woher die falsche Erzählung stammen könnte

von Hannah Krewer  14.05.2025

Tel Aviv

Steffen Seibert: Schicksal der israelischen Geiseln geht mir sehr nah         

Botschafter Steffen Seibert kennt viele Angehörige der noch immer verschleppten israelischen Geiseln persönlich und beschreibt ihre Verzweiflung. Auch ihn selber bewegen die Ereignisse

von Hannah Krewer  14.05.2025

Margot Friedländer

Ein Jahrhundertleben

Mit fast 90 kehrte die Schoa-Überlebende zurück nach Berlin, ins Land der Täter. Bis zuletzt engagierte sie sich für das Erinnern. Nun ist sie gestorben – ihre Worte bleiben. Ein Nachruf von Joachim Gauck

von Joachim Gauck  14.05.2025

Kommentar

Den Nachkommen der Schoa-Opfer kaltschnäuzig und nassforsch die Leviten gelesen

Ausgerechnet zum 60. Jubiläum der deutsch-israelischen Beziehungen kritisiert die ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann die Kriegsführung in Gaza und das auch noch ohne die Hamas zu erwähnen

von Esther Schapira  14.05.2025

Jerusalem/Rom

Herzog zur Amtseinführung von Papst Leo XIV. erwartet

Der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Kardinal Pierbattista Pizzaballa, wertet dies als Zeichen, dass Israel daran liege, die Beziehungen zur Kirche aufrechtzuerhalten

 14.05.2025

Rechtsextremismus

»Cicero« veröffentlicht komplettes AfD-Gutachten

Die Macher des Magazins sagen, es gebe keine relevanten geheimdienstlichen Quellen, die es durch eine Nichtveröffentlichung des Gutachtens zu schützen gälte

 14.05.2025

Israel

Steinmeier verteidigt Treffen mit Netanjahu

Der Bundespräsident erteilt den Forderungen von Amnesty International eine klare Absage

 13.05.2025

Meinung

Bruch von Weimer mit Roths Politik: Ein notwendiger Neuanfang

Selten haben so viele kultivierte Menschen einen Kulturstaatsminister so heftig kritisiert wie Wolfram Weimer. Dabei hat er innerhalb von wenigen Tagen gleich zwei wichtige Zeichen gesetzt

von Maria Ossowski  13.05.2025