Meinung

Kunst darf alles, aber muss sie auch alles?

Ein »Lob dem Publikum« hat das Theater Konstanz ausgesprochen. Das habe sich nämlich der verbreiteten »ignoranten Vorverurteilung« der Inszenierung von George Taboris Stück Mein Kampf dankenswerterweise nicht angeschlossen, sondern »eigenverantwortliches Denken und Mut« bewiesen. Puh.

Dass hier nicht das Publikum gelobt wird, sondern sich Theatermacher auf sehr peinliche Weise selbst bescheinigen, immer schon alles richtig gemacht zu haben, ist kaum übersehbar.

hakenkreuz Was ist passiert? Das Theater hatte sich den 20. April, in bestimmten und nicht ganz kleinen Bevölkerungskreisen immer noch »Führers Geburtstag«, ausgesucht, um mit dem Regisseur Serdar Somuncu das Stück unter einer sehr besonderen Beteiligung des Publikums zu inszenieren. »Für eine Freikarte erklären Sie sich bereit, im Theatersaal ein Hakenkreuz zu tragen«, hatte es geheißen, und wer seine Karte bezahle, trage einen Davidstern.

Auf Kritik an dem bizarren Spektakel, wie sie etwa die Jüdische Gemeinde Konstanz formulierte, reagierte das Theater bemerkenswert arrogant: Ein »notwendiger Teil des Kunstwerks« sei das, außerdem gelte die Kunstfreiheit.

Ja, die Kunstfreiheit gilt, und das Recht von Theatermachern zu provozieren, gilt auch. Was aber überhaupt nicht einleuchtet, ist die Pose, dass diese Freiheit Kunst über Kritik erhebe.

Fake news »Das Theater hat eine Debatte in Gang gesetzt«, heißt es in der Mitteilung, und es ist schon sehr schmierlappig, wenn die Macher nach der Premiere glauben, Schulnoten verteilen zu müssen, wer ihre tolle Idee verstanden hat (»unser wunderbares Publikum«) und wer nicht (»aufgeregte Diskussionskultur im Zeitalter von fake news«).

Wenn das Theater Konstanz jetzt allen Ernstes behauptet, es habe »eine Debatte angestoßen« über die Frage »Was darf die Kunst?«, ist das haarscharf an der Lüge vorbei formuliert. Das Theater hat sich nämlich trotz seriöser Einwände sehr dreist über die gestellte Frage, was Kunst darf, hinweggesetzt. Das nennt ihr Debatte?

krauss@juedische-allgemeine.de

Berlin-Neukölln

Staatsschutz ermittelt wegen Volksverhetzung

Judenfeindliche und den Terror verherrlichende Plakate rufen die Behörden auf den Plan

 08.06.2023

Schleswig-Holstein

Karin Prien wehrt sich gegen Rassismusvorwurf

Die schleswig-holsteinische Ministerin steht wegen einer Äußerung über ihre Kabinettskollegin Aminata Touré in der Kritik

 08.06.2023 Aktualisiert

Populismus

Aus Protest?

Viele Erklärungen für das Umfragehoch der AfD greifen zu kurz. Wer die Partei wählt, weiß meist genau, was er tut

von Marcel Lewandowsky  08.06.2023

Interview

»Riesenschritt nach vorn«

Makkabi-Kapitän Doron Bruck über den Einzug des Berliner Oberligisten in den DFB-Pokal

von Michael Thaidigsmann  08.06.2023

Einspruch

Die Mutter aller Dialoge

Dmitrij Belkin freut sich auf die christlich-jüdischen Gespräche beim Evangelischen Kirchentag in Nürnberg

von Dmitrij Belkin  08.06.2023

Sicherheit

Anastasia-Bewegung in Brandenburg rechtsextremer Verdachtsfall

Innenministerium: In Teilen völkische, rassistische und antisemitische Ideologie

 07.06.2023

Debatte

CDU-Politikerin Prien in Kritik wegen Äußerung über Touré

Hintergrund ist die Diskussion über die Festlegung sicherer Herkunftsländer in der Asylpolitik

 07.06.2023

Berlin

Neukölln: Anzeige wegen antisemitischer Plakate

Poster der Gruppe Samidoun sorgen für Empörung. DIG-Präsident Volker Beck erstattet Anzeige

von Imanuel Marcus  07.06.2023 Aktualisiert

Judenhass

USA verurteilen Roger Waters

Laut dem US-Außenministerium enthielt sein Berliner Konzert »Bilder, die den Holocaust heruntergespielt haben«

von Imanuel Marcus  07.06.2023