Berlin

Krach am Kollwitzplatz

Die Gegend rund um den Kollwitzplatz im Berliner Ortsteil Prenzlauer Berg gilt als Wohlfühlkiez. Anwohner und Touristen schätzen die entspannte Atmosphäre, und für viele gehört der Wochenmarkt mit seinen Leckereien zum Pflichtprogramm.

Doch mit der Harmonie scheint es nun vorbei zu sein. Denn mehrfach soll in der Vergangenheit ein arabischer Falafel-Brutzler Juden verbal attackiert haben. »Und genau deshalb stehe ich hier«, erklärt Zeev Avrahami, ein 49-jähriger Israeli, der sich mit Pappschild in der Hand als eine Art Ein-Mann-Demo gegen diese Beschimpfungen und Beleidigungen zur Wehr setzt.

»Juden sollen nicht länger einfach nur den Mund halten, wenn so etwas geschieht«, sagt der Journalist und Gastronom, der seit mehr als zehn Jahren in Berlin wohnt. Bereits den dritten Samstag in Folge hat er sich vis à vis dem roten Falafelstand aufgebaut.

Schmähungen Dieser wiederum gehört Mohammed Abdelmuhdi, dem vermeintlichen Urheber der Schmähungen, dessen Familie aus dem Westjordanland stammt. Und Avrahami bleibt nicht allein. Im Laufe des Mittags gesellen sich rund sechs bis acht weitere Personen hinzu, um ihre Solidarität zu zeigen. Die Mehrheit der Marktbesucher nimmt den Protest jedoch nur am Rande zur Kenntnis.

Genau diese Indifferenz ärgert Avrahami. »Ihnen scheint es völlig egal zu sein, wenn Juden hier belästigt werden.« Einige wenige suchen dennoch das Gespräch und wollen wissen, was genau geschehen ist. Und Avrahami gibt Auskunft. Er selbst sei vor drei Jahren von dem Falafel-Mann als »dreckiger Jude« beschimpft worden. Auf die Frage, warum er dann erst jetzt protestiere, antwortet Avrahami: »Der antisemitische Vorfall auf dem Helmholtzplatz hat das Maß vollgemacht.« Für ihn war das eine Art Dammbruch.

»Immer wieder haben mir Bekannte und Freunde berichtet, dass Abdelmuhdi ausfällig wird, wenn er merkt, dass er Israelis vor sich hat.« Einen Journalisten der Zeitung Haaretz soll er 2010 mit den Worten »Hitler hat seine Arbeit noch nicht vollendet«, bedacht haben. Auch eine Jüdin aus der Nachbarschaft habe er beschimpft. »Das war kein Einzelfall.« Einige Juden würden deshalb den Kollwitzmarkt meiden.

unverständnis All das aber will Doreet Levitte-Harten nicht bestätigen. Die Israelin und ihr Mann wohnen seit 15 Jahren am Kollwitzplatz. »Jeder hier weiß, woher ich komme. Auch Mohammed.« Er sei ihr gegenüber nie unfreundlich oder gar ausfallend gewesen.

Offensichtlich hat der jüngste Fall eine Vorgeschichte. Vor einigen Jahren sei Abdelmuhdi für einen Monat vom Kollwitzplatz verwiesen worden. Auch damals ging es um Beleidigungen gegen Juden. Wann das war, weiß Philipp Strube, seit rund 18 Jahren Marktleiter, nicht mehr. »Antisemitismus hat hier keinen Platz«, betont er. »Deshalb habe ich mehrfach versucht, zwischen ihnen zu vermitteln, damit sie ins Gespräch kommen.« Doch Avrahami würde wenig Bereitschaft dazu zeigen. »Warum auch?«, fragt der Israeli. »Wieso soll ich mit jemanden reden, der mir den Tod an den Hals wünscht?«

Stube wirkt angesichts der Situation hilflos und überfordert. »Wir sind ja hier nicht im Gazastreifen.« Und während er mehrfach versucht, Avrahami davon abzuhalten, dem Stand von Abdelmuhdi zu nahe zu kommen, ereignen sich immer wieder Provokationen. Ein älteres deutsches Ehepaar baut sich vor Avrahami auf, futtert demonstrativ seine bei Abdelmuhdi erstandenen Falafel und beschimpft den Israeli, dass er nur »Gast« in Deutschland sei und deshalb den Mund zu halten habe. Genau den lässt er sich aber nicht verbieten und gibt Contra. Und auf dem Kollwitzplatz wird es wohl weiterhin unruhig bleiben.

Extremismus

Beobachtungsstelle: Tausende christenfeindliche Straftaten in Europa

Europa gilt immer noch als christlicher Kontinent. Doch Experten warnen: Christen sind von einem Klima wachsender Intoleranz bedroht. Auch in Deutschland muss die Lage Besorgnis erregen

 17.11.2025

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025

Deutschland

Auktion von Besitztümern von NS-Opfern abgesagt

Im Online-Katalog waren unter anderem Dokumente und Post von NS-Verfolgten aus Konzentrationslagern sowie Täterpost zu finden

 16.11.2025 Aktualisiert

Meinung

Mit Martin Hikel geht einer, der Tacheles redet

Der Neuköllner Bürgermeister will nicht erneut antreten, nachdem ihm die Parteilinke die Unterstützung entzogen hat. Eine fatale Nachricht für alle, die sich gegen Islamismus und Antisemitismus im Bezirk einsetzen

von Joshua Schultheis  16.11.2025

Berlin

Merz verspricht Schutz jüdischen Lebens in Deutschland

Bei der diesjährigen Verleihung des Preises für Verständigung und Toleranz im Jüdischen Museum Berlin an Amy Gutmann und David Zajfman gab Bundeskanzler Friedrich Merz ein klares Versprechen ab

 16.11.2025

Meinung

Die Ukrainer brauchen unsere Hilfe

Die Solidarität mit ukrainischen Geflüchteten in Deutschland nimmt ab. Aus einer jüdischen Perspektive bleibt es jedoch wichtig, auch weiterhin nicht von ihrer Seite abzuweichen

von Rabbinerin Rebecca Blady  16.11.2025

Berlin

Angriff auf Leiter deutsch-arabischer Schule in Neukölln

Al-Mashhadani gilt als Kritiker islamistischer Netzwerke und setzt sich für einen arabisch-israelischen Austausch ein

 15.11.2025

Debatte

»Hitler hatte eine unentdeckte genetische sexuelle Störung«

Eine neue britische Dokumentation über Adolf Hitler sorgt für Diskussionen: Kann die Analyse seiner DNA Aufschluss über die Persönlichkeit des Massenmörders geben?

 15.11.2025

Deutschland

Auschwitz-Komitee: Geplante Auktion ist schamlos 

Ein Neusser Auktionshaus will einen »Judenstern« und Briefe von KZ-Häftlingen und deren Angehörigen versteigern. Das internationale Auschwitz-Komitee reagiert

 15.11.2025