NPD

Konsequentes Zögern

Der Druck nimmt zu: Ein erneutes Verfahren zum Verbot der rechtsextremistischen Partei ist wahrscheinlich. Foto: dpa

Gut ein Jahr ist seit dem Bekanntwerden der NSU-Terrorserie vergangen. Doch die Bundesregierung bleibt ihrer Linie treu: konsequent zögerlich. Sehr zurückhaltend verhält sich die Regierung beispielsweise in Sachen NPD-Verbotsverfahren. Anfang des Jahres erklärte Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), er halte ein Verfahren für möglich, ohne dass der Verfassungsschutz alle seine V-Leute »abziehe« – also nicht mehr Informationen mit zweifelhaftem Wert von Neonazis kaufe. »Wir werden prüfen, ob es einen gangbaren Mittelweg gibt«, sagte der Politiker damals. Bis heute hat Friedrich aber keine klare Position zum NPD-Verbot entwickelt.

material Die Verantwortlichen aus den Ländern sind da weiter: Innenminister und Ministerpräsidenten sprachen sich für einen neuen Versuch aus, die Partei zu verbieten, und stellten dafür eine rund 1000-seitige Materialsammlung zusammen. Friedrich lobte diese zwar, aber auch auf wiederholte Nachfrage von Journalisten wollte er nicht sagen, ob er ein Verfahren unterstützt oder ablehnt. Vielmehr warnte er nun nicht mehr vor einem möglichen Scheitern wegen der V-Leute, sondern vor politischen Risiken. Die NPD könne durch ein Verfahren aufgewertet werden, fürchtete Friedrich plötzlich.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) schlug in eine ähnliche Kerbe und verkündete, ein Verbotsverfahren könne einen Solidarisierungseffekt auslösen, außerdem sei die Partei politisch am Boden, daher sollte man ein Verbot lieber unterlassen. Eine Empfehlung, die den NSU-Ausschussvorsitzenden Sebastian Edathy (SPD) verärgert. Ihm sei unklar, sagte er der Jüdischen Allgemeinen, »woraus der Bundestagspräsident die Aufgabe ableitet, das Ergebnis des anstehenden parlamentarischen Meinungsbildungsprozesses in Sachen NPD-Verbotsverfahren vorwegzunehmen«.

Friedrich und Lammert geht es offenbar nicht mehr grundsätzlich darum, ob eine Neonazipartei geduldet wird, sondern diese Frage wird an die aktuelle Verfasstheit der NPD geknüpft. Doch sitzt die Partei immerhin nach wie vor in zwei ostdeutschen Landesparlamenten und stellt Hunderte Kommunalabgeordnete. Zudem hetzen NPDler weiterhin aggressiv gegen Menschen mit Migrationshintergrund, Juden oder Angehörige anderer Minderheiten – auf Kosten des Staates.

Zentralrat Der Zentralrat der Juden in Deutschland fordert daher seit Jahren ein Verbot. Bereits 2007 sagte die damalige Präsidentin Charlotte Knobloch, es könne nicht sein, dass die NPD jährlich Hunderttausende Euro kassiere, »während an anderer Stelle die Mittel für Projekte gegen Rechtsextremismus knapp werden«. Auch die Türkische Gemeinde in Deutschland mahnt immer wieder, entschieden etwas gegen organisierte Neonazis zu unternehmen.

Offenbar verhallen diese Stimmen im politischen Berlin ungehört; zwar versichern Vertreter der Bundesregierung bei jeder Gelegenheit ihre Entschlossenheit, konsequent gegen Rechtsextremismus vorzugehen, doch ihr zögerliches Handeln steht im Widerspruch dazu. Vor allem ignorieren sie aber die Perspektive von Menschen, die von Neonazis bedroht werden.

feindbilder So ist es sicher richtig, dass die Demokratie in der Bundesrepublik eine Partei wie die NPD aushält, doch für Menschen, die zu den Feindbildern der Rechtsextremen zählen, ist es eben nicht akzeptabel, dass in Deutschland Steuergeld an eine Partei fließt, zu der Holocaust-Leugner und verurteilte Neonazi-Schläger zählen und zu denen mit Ralf Wohlleben über mehr als zehn Jahre sogar ein mutmaßlicher Terrorhelfer gehörte. Nach dessen Festnahme hatte Innenminister Friedrich übrigens noch verkündet, die Verbindung zwischen NSU und NPD könne ein Verbot erleichtern, davon ist heute nichts mehr zu hören.

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, appellierte daher an die Verantwortlichen: Ein Verzicht auf einen Verbotsantrag nach monatelanger Prüfung wäre »ein Signal der Schwäche der Demokraten und ein sofortiger Triumph für die Faschisten«.

Derzeit sieht es so aus, als werde es einen Verbotsantrag geben, der aber lediglich von den Ländern getragen wird. Bundestag und Bundesregierung warnen weiter vor diversen Risiken. Ein entschlossenes Vorgehen gegen die extreme Rechte gibt es in Deutschland somit weiterhin nur in Sonntagsreden.

Medien

»Besonders perfide«

Israels Botschafter wirft ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann Aktivismus vor. Die Hintergründe

 18.07.2025

Analyse

Inszenierung des angeblich Unpolitischen

Im Prozess von Lahav Shapira gegen Burak Y. versuchte die Verteidigung, so zu tun, als hätte die Nötigung des jüdischen Studenten nichts mit dem Nahost-Konflikt zu tun. Doch Burak Y. selbst unterlief diese Strategie

von Ruben Gerczikow  18.07.2025

Berlin

Israelisches Restaurant verschiebt wegen israelfeindlicher Proteste Eröffnung

»Ein Restaurant zu eröffnen, sollte eine fröhliche Feier sein«, so die Betreiber. Unter den aktuellen Umständen sei es »kaum möglich, diese Freude zu spüren«

 18.07.2025

Washington D.C.

Trump will Veröffentlichung einiger Epstein-Unterlagen

Der amerikanische Präsident lässt sich selten unter Druck setzen. Doch im Fall Epstein reagiert er nun. Ob das seinen Anhängern reicht?

 18.07.2025

Flandern

Gericht verbietet Transit von Militärgut für Israel

Der Hafen in Antwerpen ist einer der größten Europas. Einer Gerichtsentscheidung zufolge dürfen Schiffe, die von dort aus in den einzigen jüdischen Staat fahren, kein Militärgut mehr mitnehmen

 18.07.2025

Berlin

Bundesamt entscheidet wieder über Asylanträge aus Gaza

Seit Anfang 2024 hatte das BAMF nicht mehr über Asylanträge aus Gaza entschieden. Nun wurde der Bearbeitungsstopp laut Innenministerium aufgehoben

 18.07.2025

Regierung

Warum Friedrich Merz Angela Merkel erst zum 100. Geburtstag öffentlich gratulieren will

Alte Rivalität rostet nicht? Als der Bundeskanzler in Großbritannien auf das Verhältnis zu seiner Vorvorgängerin angesprochen wird, reagiert er schlagfertig

 17.07.2025

Syrien

Hunderte Drusen fliehen nach Israel

Mitglieder der religiösen Minderheit wollen sich vor der Gewalt des Regimes und beduinischer Milizen retten. Gleichzeitig übertreten Drusen aus Israel die Grenze zu Syrien, um ihren Glaubensbrüdern zu helfen

 17.07.2025

Berlin

Ordner bedrängte Lahav Shapira bei Uni-Besetzung: Geldstrafe

Der 32-Jährige wurde der Nötigung schuldig gesprochen

 17.07.2025