Olaf Scholz

Jüdisches Leben muss unspektakulär werden

Foto: Marco Limberg

Olaf Scholz

Jüdisches Leben muss unspektakulär werden

Der Bundeskanzler forderte in seiner Rede mehr Selbstverständlichkeit

von Nils Kottmann  16.12.2023 20:38 Uhr

Als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in den festlich geschmückten Gala-Saal in die Gesichter der rund 1400 Teilnehmer schaute, wünschte er sich vor allem eines: mehr Normalität. Der Gemeindetag müsse »für unser ganzes Land ein Fest der Selbstverständlichkeit des jüdischen Deutschland sein«, sagte der Kanzler in seiner Rede am Samstagabend.

»Genauso selbstverständlich, genauso alltäglich, letztlich genauso unspektakulär wie das Deutschland jedes anderen Glaubens und auch Nichtglaubens.«

Auf die von Zentralratspräsident Schuster geäußerte Kritik zum deutschen Abstimmungsverhalten bei den UN und die Hinhaltepolitik bei der Reform des Volksverhetzungsparagrafen reagierte Scholz nicht. Stattdessen verlief auch der Rest seiner Ansprache unspektakulär. Der Kanzler wiederholte sein Versprechen, jede Form von Antisemitismus, Terrorpropaganda und Menschenfeindlichkeit zu bekämpfen.

»Unser Rechtsstaat nimmt das nicht hin«, sagte er mit Blick auf die Terrorunterstützer, die in den vergangenen Wochen in großen Teilen Deutschlands demonstriert hatten. Wir verfolgen diejenigen mit den Mitteln des Strafrechts, die Terrorismus unterstützen und antisemitisch hetzen. Und wir regeln mit dem neuen Staatsangehörigkeitsrecht ganz klar, dass Antisemitismus einer Einbürgerung entgegensteht» so der Kanzler.

Gegen die Antisemiten, die schon in Deutschland leben, empfahl Scholz vor allem Bildung. In den Schulen müsse die Erinnerung an die Schoa und die Verantwortung dafür wachgehalten werden. «Eine Verantwortung, die jede und jeder, der in unserem Land lebt, als eigene wahrnehmen muss – unabhängig von der eigenen Herkunft, dem sozialen oder kulturellen Hintergrund.» Eine Forderung, die schon seit Jahrzehnten auf dem Lehrplan steht.

Olaf Scholz erinnerte daran, dass er 2012 als Hamburger Bürgermeister zum ersten Mal an einem Gemeindetag teilgenommen hatte. «Dieter Graumann wünschte sich den Gemeindetag in seiner Rede damals als ein Fest der Vielfalt des Judentums in Deutschland», so der Kanzler über den früheren Zentralratspräsidenten. «Ich glaube, sein Wunsch ist in Erfüllung gegangen.»

Denn elf Jahre später sei der Gemeindetag «ein beeindruckendes Fest der Vielfalt, ein Fest der Gemeinschaft, ein Fest des Zusammenlebens» geworden, sagte der Kanzler.

Deutschland

»Völlige Schamlosigkeit«: Zentralrat der Juden kritisiert AfD-Spitzenkandidat für NS-Verharmlosung

Der AfD-Spitzenkandidat aus Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, äußert sich einschlägig in einem Podcast zur NS-Zeit

von Verena Schmitt-Roschmann  21.11.2025

München

»Wir verlieren die Hoheit über unsere Narrative«

Der Publizist und Psychologe Ahmad Mansour warnte in München vor Gefahren für die Demokratie - vor allem durch die sozialen Netzwerke

von Sabina Wolf  21.11.2025

Kommentar

Wenn Ideologen mehr zu wissen scheinen als Expertinnen

Der Antisemitismusbekämpfer und bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Martin Hikel, ist abgestraft worden - weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  21.11.2025

Deutschland

»Hitler ist niedergekämpft worden. Unsere Städte mussten in Schutt und Asche gelegt werden, leider«

Militanter Linker, Turnschuhminister, Vizekanzler und Außenminister: Das sind die Stationen im Leben des Grünenpolitikers Joschka Fischer. Warum er heute vom CDU-Kanzler Konrad Adenauer ein anderes Bild als früher hat

von Barbara Just  21.11.2025

Berlin

Bundesinnenministerium wechselt Islamismusberater aus

Beraterkreis statt Task Force: Die schwarz-rote Bundesregierung setzt einen anderen Akzent gegen islamistischen Extremismus als die Ampel. Ein neues Expertengremium, zu dem auch Güner Balci gehören wird, soll zunächst einen Aktionsplan erarbeiten

von Alexander Riedel  21.11.2025

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  21.11.2025 Aktualisiert

Vor 80 Jahren

Zentralrat der Juden: Nürnberger Prozesse waren Wendepunkt

Es waren hochrangige NS-Kriegsverbrecher, die vor 80 Jahren in Nürnberg vor Gericht standen. Was diese Prozesse aus Sicht des Zentralrats der Juden bedeuten - auch heute

von Leticia Witte  21.11.2025

Paris

EJC warnt vor wachsender Radikalisierung junger Menschen im Netz

»Hass ist viral gegangen«, sagt Moshe Kantor, der Präsident der Organisation

 21.11.2025