AfD

Judenhass befördert

Vor zehn Jahren wurde die rechtspopulistische Partei gegründet. In der jüdischen Gemeinschaft stößt sie überwiegend auf Ablehnung

von Michael Thaidigsmann  09.02.2023 09:13 Uhr

AfD-Bundessprecherin Alice Weidel Foto: Reuters

Vor zehn Jahren wurde die rechtspopulistische Partei gegründet. In der jüdischen Gemeinschaft stößt sie überwiegend auf Ablehnung

von Michael Thaidigsmann  09.02.2023 09:13 Uhr

Mit Religion hatten die 18 Männer, die am 6. Februar 2013 im hessischen Oberursel zusammenkamen, um eine neue politische Partei zu gründen, an jenem Abend wohl eher wenig im Sinn. Das Treffen im Gemeindesaal der Christus­kirche markierte aber den offiziellen Beginn einer politischen Formation, die wie keine zweite die politische Debatte der letzten Jahre geprägt hat.

»Alternative für Deutschland« war der Name, für den sich die Gründer entschieden. Es war wohl der erste von vielen Nadelstichen gegen Angela Merkel. Die damalige Kanzlerin hatte ihre Regierungspolitik in der Finanzkrise als »alternativlos« bezeichnet.

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euro Auch für die frisch gegründete AfD war der Euro – oder besser: der Kampf gegen ihn – zunächst das Hauptthema. Der Hamburger Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke, der ehemalige »Welt«-Chefreporter Konrad Adam und die ostdeutsche Unternehmerin Frauke Petry wurden im April 2013 zu den drei Gründungsvorsitzenden gewählt.

Der große Durchbruch gelang der AfD bei der Europawahl im Mai 2014, sie errang 7,1 Prozent der Stimmen.

Bei der Bundestagswahl im September trat die AfD zwar an, scheiterte aber noch knapp an der Fünfprozenthürde. Der große Durchbruch gelang ihr dann bei der Europawahl im Mai 2014, sie errang 7,1 Prozent der Stimmen. In den Folgejahren zog die AfD in alle 16 deutschen Landtage ein. Erst in jüngster Zeit musste die Partei Rückschläge einstecken.

Dennoch ist die AfD aus dem politischen Leben in Deutschland momentan nicht mehr wegzudenken – und das, obwohl viele Beobachter aufgrund des Rechtsdralls der Partei ein schnelles Ende prophezeit hatten.

stammwähler Der Politikwissenschaftler Marcel Lewandowsky glaubt, dass die AfD mittlerweile ein stabiles Wählerreservoir hat, aus dem sie schöpfen kann. Sie werde nicht mehr nur als Protestpartei wahrgenommen, sondern verfüge über eine treue Stammwählerschaft, an die die etablierten Parteien kaum mehr herankämen.

»Die Menschen wählen die AfD, weil sie wie keine zweite Partei auch die Ablehnung der liberalen Demokratie artikuliert. Außerdem sehen wir, dass viele AfD-Wähler sich ein Stück weit eingemauert haben«, so Lewandowsky. Von allen größeren Parteien in Deutschland habe die AfD heute den größten Anteil an Stammwählern. Die seien kaum mehr bereit, eine andere Partei zu wählen.

War es zunächst der Euro, so verlagerte sich der thematische Schwerpunkt der neuen Partei schnell auf andere Themen: Zuwanderung und vor allem Fragen der nationalen Identität standen nunmehr im Mittelpunkt. Immer wieder stellte die AfD auch die Systemfrage und säte so Zweifel am bundesrepublikanischen Konsens der Nachkriegszeit. Fraktionschefin Alice Weidel wetterte gegen Muslime, nannte sie »Burkas, Kopftuchmädchen, alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse«.

»vogelschiss« Weidels Kollege Alexander Gauland behauptete, die Nazizeit sei in 1000 Jahren deutscher Geschichte nur ein »Vogelschiss« gewesen. Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke bezeichnete das Berliner Holocaust-Mahnmal als »Denkmal der Schande«. Der Rechtsdrall der AfD war damit für alle sichtbar.

Immer offener fordert die Partei auch Einschränkungen der Religionsfreiheit.

Immer offener fordert die Partei auch Einschränkungen der Religionsfreiheit. So ist sie für ein Verbot des rituellen Schächtens. Kürzlich brachte die AfD-Bundestagsfraktion einen Antrag ein, der die Streichung des Paragrafen im Tierschutzgesetz fordert, welcher den jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften eine Ausnahme vom generellen Verbot des betäubungslosen Schlachtens gewährt. Dass der AfD der Tierschutz am Herzen liegt, bezweifeln jedoch viele.

Von den 18 Gründungsvätern – Mütter waren keine dabei – haben sich die meisten längst von der Partei abgewandt. Zahlreiche ehemalige Parteivorsitzende, von denen einige zunächst den Rechtsruck selbst befördert hatten, sind ausgetreten, die völkisch-nationalistische Strömung dominiert die AfD. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, sagte im Dezember: »Kräfte, die versuchen, die extremistischen Tendenzen aus der Partei zu verdrängen, nehmen wir kaum noch wahr.«

rechtsextrem Anführer der rechtsextremen Tendenzen in der AfD ist der Gymnasiallehrer Björn Höcke. Seit 2014 amtiert er als AfD-Fraktionschef im Thüringer Landtag. Höcke hat gute Chancen, aus der nächsten Landtagswahl als Führer der stärksten Kraft hervorzugehen.

Reinhard Schramm, Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde im Freistaat, sagte dieser Zeitung: »Im Gegensatz zur schweigenden Mehrheit sind die Thüringer Juden entsetzt, dass die schmerzliche Relativierung der nationalsozialistischen Verbrechen nicht zum spürbaren Stimmenverlust dieser Partei führt.«

Man habe Angst vor einer künftigen Teilhabe der AfD an der Landesregierung und fordere »alle demokratischen Parteien auf, jegliche Zusammenarbeit mit der AfD zu verhindern«.

Bedrohung Mit der jüdischen Gemeinschaft pflegt die AfD auch sonst ein schwieriges Verhältnis. Obwohl es einzelne jüdische Parteimitglieder gibt und sich 2019 eine kleine Gruppierung mit dem Namen »Bundesvereinigung der Juden in der AfD« formiert hat: Die Rechtspopulisten werden weithin als Bedrohung für Demokratie und jüdisches Leben in Deutschland angesehen.

Die völkische Strömung dominiert die »Alternative für Deutschland«.

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sagte, die Geschichte der AfD sei »geprägt von Unzufriedenheit, Radikalisierung und Opportunismus«. Mit der AfD hätten »Ressentiments und eine menschenverachtende Sprache« Einzug in Parlamente gehalten. Der von der AfD geprägte Diskurs sei einer der Gründe, warum Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft angekommen sei. »Wenn etwas im Parlament gesagt wird, glauben andere, sie könnten das jetzt auch tun.«

Die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, hatte die AfD bei ihrer Rede im Bundestag anlässlich des Holocaust-Gedenktags 2021 frontal angegangen: »Sie haben Ihren Kampf vor 76 Jahren verloren«, wetterte sie damals. Der Jüdischen Allgemeinen sagte Knobloch nun: »Wenn man fragt, ob die AfD allein verantwortlich war für den Judenhass der letzten zehn Jahre, dann lautet die Antwort: nein. Fragt man aber, ob diese Partei die politische Debatte vergiftet, die Demokratie angegriffen und so den Judenhass in Deutschland massiv befördert hat, ist die Antwort eindeutig: ja, ja und nochmals ja.«

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