Runder Geburtstag

Jimmy Carter wird 100

Der frühere Präsident Jimmy Carter Foto: picture alliance / zz/Dennis Van Tine/STAR MAX/IPx

Die Stimme noch für Kamala Harris abgeben. Das hat sich der frühere US-Präsident Jimmy Carter, der heute 100 Jahre alt wird, zum Ziel gesetzt. »Ich versuche nur, es zu schaffen, um Kamala Harris zu wählen«, soll Carter seinem Sohn Chip vor einigen Wochen mit Blick auf seinen Geburtstag und die Wahl gesagt haben.

Das erzählte Carters Enkel Jason der Regionalzeitung »Atlanta Journal Constitution«. Die Briefwahlunterlagen werden im südlichen Bundesstaat Georgia, der Heimat des Ex-Präsidenten, rund einen Monat vor der Präsidentschaftswahl am 5. November verschickt.

Im Rennen ums Weiße Haus sind die Demokratin Harris und der Republikaner Donald Trump. Carter wolle, dass die Periode Trump endgültig zu Ende gehe, sagt sein Enkel. Georgia zählt zu den besonders hart umkämpften Bundesstaaten - hier kommt es bei der Wahl auf jede Stimme an.

Schwierige Präsidentschaft

Carter ist dort in einfachen Verhältnissen auf einer Farm aufgewachsen - ohne Strom und fließendes Wasser. Der einstige Erdnussfarmer und Nuklearingenieur aus dem Örtchen Plains machte nie großes Aufhebens um sich. Als Außenseiter kam er in die US-Hauptstadt Washington. Nach der Wahl 1976 zog der Demokrat ins Weiße Haus, nach nur einer Amtszeit musste er wieder ausziehen. Bei der Präsidentenwahl 1980 verlor er gegen den Republikaner Ronald Reagan.

Seine Amtszeit ist in die Geschichtsbücher als teils glücklos eingegangen. Kaum ein anderer US-Präsident hat während seiner Präsidentschaft so schwere Blamagen und Niederlagen erleben müssen wie Carter - vom Geiseldrama von Teheran bis hin zum sowjetischen Einmarsch in Afghanistan.

Selbst Triumphe wie das Friedensabkommen von Camp David zwischen Ägypten und Israel verblassten dagegen. So war es vor allem die Zeit nach seiner Präsidentschaft, die ihm Respekt und Anerkennung einbrachte, aber auch Kritik.

»Positive Rolle«

Denn Carter entpuppte sich als eingefleischter »Israelkritiker«. Selbst der einseitige Abzug Israels aus Gaza im Jahr 2005 stellte ihn nicht zufrieden. Sein Buch »Carter’s Palestine: Peace Not Apartheid« spricht im wahrsten Sinne des Wortes Bände. Er versuchte, die Veröffentlichung gegen heftige Kritik zu verteidigen, indem er sagte, er habe eine Debatte anstoßen wollen.

Im zweiten Band »We Can Have Peace in the Holy Land« wollte er selbst der Hamas eine »positive Rolle« auf dem Weg zum Frieden geben. Das American Jewish Committee kritisierte Jimmy Carter in beiden Fällen scharf für den Inhalt seiner Nahost-Bücher.

Der Demokrat machte sich in den Folgejahren einen Namen als Vermittler in Krisen und mit humanitärer Hilfe. 1982 gründete er gemeinsam mit Ehefrau Rosalynn in Atlanta das Carter Center zur Förderung von Demokratie, Menschenrechten und wirtschaftlicher Entwicklung besonders in ärmeren Ländern.

Ernussfestival in Plains

Als Vermittler bei Friedensbemühungen brachte Carter sich ein. 2002 bekam er dafür den Friedensnobelpreis. Seiner Heimat Plains blieb er immer treu. Aus der Hauptstadt Washington zog es ihn zurück in das Örtchen mit ein paar hundert Einwohnern. Jedes Jahr wird er dort bei einem Erdnussfestival gefeiert.

Ende des vergangenen Jahres musste Carter einen schweren Verlust hinnehmen. Seine Ehefrau Rosalynn starb im Alter von 96 Jahren - zuvor hatte sich ihr Gesundheitszustand rapide verschlechtert, sie litt unter anderem an Demenz.

Die Carters waren 77 Jahre lang verheiratet. Bei der Trauerfeier wurde auch offenbar, wie schlecht es um den Gesundheitszustand Carters selbst steht. Bereits vor rund anderthalb Jahren brach er nach mehreren Krankenhausaufenthalten seine medizinische Behandlung ab und begab sich in häusliche Pflege.

Biden und Carter

Sein schlechter Gesundheitszustand hat ihn gezeichnet. Der Trauerfeier seiner geliebten Rosalynn wohnte der Ex-Präsident dann im vergangenen November halb liegend in einem Rollstuhl bei, gewärmt von einer Decke. Es wirkte, als wäre er gar nicht wirklich wach. »Er hat körperlich stark abgebaut und kann nicht mehr viel alleine machen, aber er ist emotional sehr engagiert«, sagte Carters Enkel Jason vor wenigen Wochen.

Carter ist der älteste noch lebende frühere US-Präsident. Sein hohes Alter hat vor allem im Präsidentschaftswahlkampf immer wieder für Lacher herhalten müssen. Als der 81 Jahre alte US-Präsident Joe Biden noch im Rennen ums Weiße Haus war, scherzte der Komiker Colin Jost beim traditionellen Galadinner des Washingtoner Pressekorps: »Sie wissen, dass Jimmy Carter da draußen ist und denkt: Ich könnte dieses Ding vielleicht gewinnen.«

Als Biden dann nach der desaströsen TV-Debatte gegen Trump das Handtuch werfen musste, witzelte der ein oder andere, dass Carter für Biden ins Rennen gehen könnte.

»Schmach von Teheran«

Da der Ex-Präsident nur eine Amtszeit im Weißen Haus absolviert hat, dürfte er theoretisch noch einmal für das höchste Amt im Staate ins Rennen gehen. Geprägt haben seine Präsidentschaft vor allem die hohen Verbraucherpreise und die »Schmach von Teheran«.

Damals nahmen iranische Studenten Dutzende Amerikaner bei einem Überfall auf die US-Botschaft als Geiseln. Carters Beliebtheitswerte rutschten in den Keller. Er schickte schließlich Elitesoldaten, um die Geiselkrise nach mehr als fünf Monaten zu beenden. Doch die Aktion endete in einem Debakel. Acht Soldaten kamen dabei ums Leben.

Der Vorfall kostete ihn endgültig die Wiederwahl - die Ära Reagan begann. Aber wegen seiner Verdienste nach seiner Zeit im Weißen Haus gilt der bodenständige Südstaatler für viele Amerikaner als der beste Ex-Präsident, den das Land jemals hatte – trotz seiner Position in Hinblick auf Israel. (mit ja)

Meinung

Wenn deutsche Ex-Diplomaten alle antiisraelischen Register ziehen

Deutschland darf nicht länger schweigen? Eine Erwiderung von Daniel Neumann auf den vielsagenden »FAZ«-Gastbeitrag ehemaliger Botschafter

von Daniel Neumann  18.04.2025

Einspruch

Niemals vergessen!

Eva Umlauf will nicht hinnehmen, dass immer mehr Deutsche einen Schlussstrich unter die NS-Zeit ziehen möchten

von Eva Umlauf  18.04.2025

Meinung

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  18.04.2025

Kommentar

Bis zuletzt wollte Mustafa A. aus Lahav Shapira einen Täter machen

Dem Täter tue es leid, dass sein Angriff »instrumentalisiert wird, um jüdischen Bürgern Angst einzuflößen«. Ein unverfrorener Satz

von Nils Kottmann  17.04.2025

Berlin

Drei Jahre Haft für Mustafa A.

Der Prozess gegen den Angreifer von Lahav Shapira ist am Donnerstag zu Ende gegangen. Das Amtsgericht Tiergarten ging von einem antisemitischen Motiv aus und sprach den Täter der gefährlichen Körperverletzung schuldig

 17.04.2025

Berlin

100 Strafverfahren nach Besetzung der Humboldt-Universität

Die Polizei ermittelt unter anderem wegen Hausfriedensbruch und Volksverhetzung. Während der Besetzung sollen Aktivisten mutmaßlich Urin aus einem Fenster geschüttet haben

 17.04.2025

Analyse

Kleinster gemeinsamer Nenner

Im Koalitionsvertrag von Union und SPD steht kaum Konkretes über Israel und den Kampf gegen Antisemitismus

von Michael Thaidigsmann  17.04.2025

Berlin

Weitere Zeugenvernehmungen im Prozess gegen Angreifer auf Lahav Shapira

Der Prozess gegen Mustafa A. am Amtsgericht Tiergarten geht weiter. Noch ist unklar, ob am heutigen Donnerstag das Urteil bereits gefällt wird

 17.04.2025

Sebnitz

»Keine Hakennasen«: Jobanzeige eines Dachdeckers sorgt für Empörung

Die Stadtverwaltung der sächsischen Kreisstadt hat gegen den Urheber einer Anzeige im Amtsblatt Strafantrag gestellt

 17.04.2025 Aktualisiert