Meinung

Ist doch nur Kino

Mit einem weinenden und einem lachenden Auge würde Ernst Lubitsch, der in Berlin das jüdische Kino erfand, heute mit einem Filmkoffer an die Türen des Hauptstadtkulturfonds pochen und schelmisch fragen: »Waren die Damen und Herren schon mal bei mir im Kino?« In den vergangenen 22 Jahren hat sich das Jüdische Filmfestival Berlin&Brandenburg zu einer Institution entwickelt.

Aber wozu, dachten einige in den Bürokratieetagen, brauchen wir ein jüdisches Filmfestival, der Gürtel sitzt eng. Die Mittel wurden gestrichen, das Festival stand auf der Kippe, erst im letzten Moment ist es mit Geldern des Auswärtigen Amtes – nicht aus dem Kulturfonds! – gerettet worden. Man kann spekulieren: Weil all die internationalen Spielfilme über Mord und Raub an Juden viel zu wenige gute Deutsche zeigen, könnte sich die Frage aufdrängen, wozu man das noch fördern sollte.

kulturvernichtung Ein wenig Aufklärung: Die jüdischen Lebenswelten leben kreativ und farbenfroh in Ländern wie Frankreich, England, Argentinien, Kanada, den USA und Israel. Junge Generationen von jüdischen Filmemachern produzieren erfolgreiche Filme. Fast überall. Doch in hiesige Kinos oder ins Fernsehen kommen nur wenige dieser bewegenden, komödiantischen und aufregenden Werke.

Ohne die jüdischen Filmfestivals bliebe der deutsche Film weitgehend eine langweilige Spätfolge der »Arisierung« der Filmkultur. Mehr als 2000 jüdische Filmschaffende sind nach 1933 vertrieben oder ermordet worden. Von dieser Kulturvernichtung hat sich der deutsche Film bis heute nicht erholt.

verantwortung Sonntagsreden, die historische Verantwortung beschwören, sind Schall und Rauch, Verantwortung kostet eben auch Geld. Und wenn bestimmte demokratische Organe der Bundesrepublik Deutschland sich nicht mehr für die jüdische Kultur in diesem Land zuständig fühlen, dann ist das ein eindeutiges Signal. Von der Gleichgültigkeit führt der Weg zur zynischen Ablehnung der Bedeutung jüdischer Kultur in Deutschland.

Aber es deutet sich ja Ersatz an. Nachdem Mein Kampf jetzt zum Bestseller wurde, kommen sicher bald auch die von den Alliierten verbotenen NS-Filme. Und das entspricht dem Bild vom Jüdischen, von allem kulturell Anderen, das nicht nur bei Rechtsextremen schon lange grassiert. Gefährlich ist das antijüdische Denken in der Mitte unserer Gesellschaft.

Der Autor ist Leiter des Jüdischen Filmclubs Wien und dieses Jahr Fellow am Zentrum für Jüdische Studien Berlin/Brandenburg.

Berlin

Gericht vertagt Verhandlung über Lahav Shapiras Klage gegen Freie Universität

Warum die Anwältin des jüdischen Studenten die Entscheidung der Richter trotzdem als großen Erfolg wertet. Die Hintergründe

 15.07.2025 Aktualisiert

Berlin

Vor 90 Jahren: Antisemitische Ausschreitungen am Kudamm

Am 15. Juli 1935 griff bei diesem Pogrom ein Nazi-Mob jüdische Passanten an. Zahlreiche Menschen wurden verletzt

 15.07.2025

Andenken

Berliner SPD: Straße oder Platz nach Margot Friedländer benennen

Margot Friedländer gehörte zu den bekanntesten Zeitzeugen der Verbrechen der Nationalsozialisten. Für ihr unermüdliches Wirken will die Berliner SPD die im Mai gestorbene Holocaust-Überlebende nun sichtbar ehren

 15.07.2025

Menlo Park

Zuckerberg kündigt riesige KI-Rechenzentren an

Der Facebook-Gründer will bei Künstlicher Intelligenz vorn liegen. Dafür nimmt er hunderte Milliarden Dollar in die Hand

 15.07.2025

München

Angriff auf Juden: Marokkaner muss ins Gefängnis

Das Verbrechen ereignete sich vor einem Jahr in der Münchner Innenstadt

 15.07.2025

Berlin

Organisationen unterstützen Lahav Shapiras Klage gegen die Freie Universität

Die Klage sei von »grundsätzlicher Bedeutung für alle Studierenden«, sagt etwa der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt

 15.07.2025

Untersuchung

BBC verletzte Sorgfaltspflicht mit Gaza-Doku

Wie sich herausstellt, ist der jugendliche Erzähler in einer BBC-Doku der Sohn eines Hamas-Vertreters. Das sorgt für heftige Kritik. Es ist nicht der einzige Fall, bei dem Sender schlecht aussieht

 15.07.2025

Judenhass

AJC Berlin: »Pro-palästinensische« Demos erinnern an Querdenker

Israelfeindliche Demonstranten und Querdenker? Aus Sicht des Direktors des American Jewish Committee gibt es da durchaus Gemeinsamkeiten. Was er jetzt von der deutschen Zivilgesellschaft erwartet

von Johannes Peter Senk  14.07.2025

Medien

Die Deutsche Welle und Israel: Mitarbeiter werfen ihrem Sender journalistisches Versagen vor

Die Hintergründe

von Edgar S. Hasse  14.07.2025