Für manche ist Israel eine Verheißung, für andere eine Versicherung. Für mich ist Israel eine Prüfung. Was heißt es, im Schatten der Schoa und ständiger Bedrohung zu überleben – und dabei Demokratie bleiben zu wollen? Mit vielen Feinden, vielen Waffen und einem Anspruch auf humanitäre Standards, der immer wieder scheitert. Wie besteht ein Land so eine Prüfung?
Und wie bestehen wir sie in unserer Beziehung zu diesem Land: Wie viel Vergangenheit erträgt eine Gegenwart? Wie viel Gegenwart verträgt das Erinnern? Wie universell sind Lehren, wenn schon das historische Verbrechen nicht universell war? Dazu kommen Hightech-Kooperation, familiäre Verbindungen, der normale Alltag – und der harte Vorwurf aus dem Ausland, wir würden mit dieser Beziehung moralisch versagen.
In den Seelen, die nicht resignieren, lebt diese Beziehung weiter.
Ja, diese Beziehung ist ein intellektueller Drahtseilakt – und für viele, wie mich, ein seelischer. Wo bleibt Raum für Normalität? Für Dankbarkeit, Freundschaft?
Unsere Mission: genau diesen Raum zu schaffen und zu verteidigen. Trotz allem. Viel Raum bleibt nicht zwischen platten Israel-Bekenntnissen aus unseren Gemeinden, die an schlechte sowjetische Schulfeste erinnern, und aggressiven Straßenzügen mit der Forderung »From the River to the Sea«, die Pogromstimmung wecken. Irgendwo dazwischen, in den Seelen, die nicht resignieren, lebt diese Beziehung weiter. Keine einfache Aufgabe. Unsere Aufgabe. Happy Birthday, Freundschaft!
Der Autor ist Grünen-Politiker und Abgeordneter des Europäischen Parlaments.