Wahl

In Höckes Windschatten

Der sächsische AfD-Chef Jörg Urban (l.) ist nicht weniger radikal als Björn Höcke. Foto: picture alliance/dpa

Björn Höcke gibt in der AfD gerne die Richtung vor. Es passiert selten, dass sich der Thüringer Parteichef auf offener Bühne an anderen orientiert. Mitte Juli beeindruckte ihn jedoch einer seiner Parteikollegen: »Genau das will ich auch«, sagte Höcke in Bezug auf dessen Aussagen. Mit seinem Vorredner, dem sächsischen AfD-Vorsitzenden Jörg Urban, bestehe »vollkommene Deckungsgleichheit«.

Anlass war ein Podiumsgespräch bei einem rechtsextremen Sommerfest in Schnellroda, bei dem Höcke und Urban im Gespräch mit Erik Lehnert, dem vormaligen Vorsitzenden des Ende Februar aufgelösten neurechten »Instituts für Staatspolitik«, die politische Situation in Deutschland sowie die kommenden Landtagswahlen diskutierten.

Auf die Frage, welche Maßnahmen er als Ministerpräsident als Erstes umsetzen würde, antwortete Urban, er plane einen Kassensturz, um Ausgaben für Projekte einzustellen, die Sachsen schaden. Danach werde er »für alle Ausländer, die noch keinen abgeschlossenen Aufenthaltsstatus haben«, das Sachleistungsprinzip konsequent umsetzen, um den Freistaat »für Wirtschaftsmigranten« zum »unattraktivsten Bundesland der BRD« zu machen. Höcke parierte, Thüringen werde Sachsen »den ersten Platz« als das »unattraktivste Land für illegale Einwanderung« streitig machen.

Von den beiden, die sich hier in ihrer migrationsfeindlichen Politik gegenseitig übertrumpften, hat nur einer landesweite Prominenz. Höcke ist das Gesicht der Hardliner in der AfD, während Urban den wenigsten Wählern außerhalb Sachsens ein Begriff sein dürfte. Wofür steht der Mann, der sich anschickt, der erste AfD-Ministerpräsident Deutschlands zu werden?

Urban sucht die Nähe zur extremen Rechten

Urban ist seit 2018 Vorsitzender der sächsischen AfD. Durch seine damalige Wahl vollzog der Landesverband eine weitere Entwicklung nach rechts. Bis zu dessen formaler Auflösung war Urban Unterstützer des rechtsextremen AfD-Flügels, auch außerhalb der Parteistrukturen sucht er seit Jahren die Nähe zur extremen Rechten. 2018 lief er gemeinsam mit Höcke bei einem Schweigemarsch in Chemnitz mit, an dem auch zahlreiche Neonazis teilnahmen. Im Anschluss sagte Urban, seine Partei grenze sich »stark ab« vom Neonazismus, »auch mehr als andere Parteien«.

Seit Dezember 2023 wird Urbans Landesverband vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft. Es ist der erste AfD-Landesverband, dessen Einstufung ein Gericht bestätigte – und dies wesentlich mit den Aussagen des Vorsitzenden begründete. Parteiintern war Urban einer der Ersten, der sich gegen eine Abgrenzung zu Pegida aussprach. Im Zusammenhang mit dem Landtagswahlkampf 2019 sagte er, er könne sich »gut vorstellen«, mit Pegida zu kooperieren, solange sich keine Entwicklung abzeichne, »die in Richtung rechtsextrem« gehe. Für ihn seien AfD und Pegida »dieselbe Bewegung«.

Jörg Urban greift immer wieder auf rechtsextreme Rhetorik zurück.

Trotz der 2021 erfolgten Einstufung der islamfeindlichen Organisation als gesichert rechtsextrem hat Urban nach wie vor keine Berührungsängste. Zum wiederholten Male trat er im Dezember 2023 bei einer Pegida-Demonstration als Redner auf und rief seinen Zuhörern entgegen: »Pegida hatte immer recht.«

In derselben Rede warnte Urban vor einem »Bevölkerungsaustausch«. Diese Bezugnahme auf die antisemitische Verschwörungserzählung des »Großen Austauschs«, nach der eine einflussreiche »Elite« plane, die »autochthone« Bevölkerung Europas durch Zuwanderung aus muslimischen Ländern zu ersetzen, ist kein Zufall. Immer wieder greift der AfD-Politiker auf rechtsextreme Rhetorik zurück. Im Januar betonte er im Gespräch mit dem rechten Medium »Junge Freiheit«, im Rahmen der bestehenden Regeln halte er »Remigration« für »notwendig für unser Land«. Bei der Pegida-Demonstration beklagte er »hunderttausendfache importierte Gewalt«, Moscheen würden »wie Pilze aus dem Boden« schießen.

Im Zentrum seiner Ausführungen im Zusammenhang mit Migration und Islam steht stets die Bewahrung »deutscher Kultur«. Diese habe die deutsche Nation »widerstandsfähig und erfolgreich gemacht« und auch nach den beiden Weltkriegen wieder erstarken und aufblühen lassen, so Urban in Dresden.

Urban will den Verfassungsschutz »auseinandernehmen«

Neben dem radikalen Migrationskurs zeichnet sich Urbans Politik durch Russlandnähe, Institutions- und Queerfeindlichkeit aus. Im Falle einer AfD-Regierung wolle er den jetzt bestehenden Verfassungsschutz »auseinandernehmen«. Ein mit »Zwangsgebühren« finanzierter öffentlich-rechtlicher Rundfunk passe nicht in eine freiheitliche Gesellschaft, glaubt Urban. Für das vermeintlich sinkende Bildungs­niveau in sächsischen Schulen sind ihm zufolge »Gender-Gaga«, »Klima-Gedöns« und Transsexualität verantwortlich. Mit seiner drastischen Wortwahl sticht der sächsische AfD-Spitzenkandidat selbst im rechtsextremen Teil seiner Partei noch hervor.

Angesichts der schlechten Umfragewerte der Parteienkonkurrenz stehen die Chancen, der erste Ministerpräsident der AfD zu werden, für Urban in Sachsen etwas besser als für seine Parteikollegen in Brandenburg und Thüringen. Mehrere etablierte Parteien müssen um den Einzug in den sächsischen Landtag bangen, darunter die SPD, die Grünen, die Linkspartei und die FDP. Sollte es so weit kommen, bestünde das Parlament künftig allein aus Fraktionen der AfD, der CDU und des BSW.

Urban weiß, dass eine absolute Mehrheit dann auch mit deutlich weniger als der Hälfte der Stimmen erreicht wäre. Beim Podiumsgespräch in Schnellroda gab er sich deshalb selbstbewusst: Ziel seien mindestens 40 Prozent. Man wolle allein regieren, weil alle anderen Parteien in die Probleme Sachsens »verstrickt« seien. Fraglich ist dennoch, ob ihm das gelingen wird. Aktuelle Umfragen prognostizieren für die AfD in Sachsen derzeit etwa 30 Prozent.

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