Irankonflikt

Im Angesicht der Gefahr

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Ob Israel die iranischen Atomanlagen angreifen wird, wissen im Augenblick wohl nicht einmal die israelischen Entscheidungsträger selbst. Allerdings löst allein schon die Tatsache, dass Jerusalem einen militärischen Alleingang gegen die iranischen Atomwaffenschmieden erwägt, im Westen Sorge und Unverständnis aus. Die laufenden Dokumentationen auf CNN, in denen auch die Verteilung von Gasmasken an Zivilisten gezeigt wird, lassen böse Erinnerungen aus jüngster Zeit wach werden. Warum die Israelis denn nicht geduldig auf die Wirkung der internationalen Sanktionen warten wollen, so der Grundtenor der Einwände, die auch von Israels großer Schutzmacht USA, aber auch in Europa erhoben werden.

Die Antwort liegt auf der Hand. Bisher hat die internationale Gemeinschaft weder wirksam den Handel mit dem Iran zu beeinträchtigen vermocht, noch lässt sie wirkliche Entschlossenheit erkennen, das zu tun. Gerade Indien schickt sich dieser Tage an, neue Handelsabkommen mit dem Iran abzuschließen. Die unter amerikanischer Federführung eingeleiteten Sanktionen haben, wie auch US-Verteidigungsminister Leon Panetta zugab, bisher keinen durchschlagenden Erfolg erzielt.

Unter diesen Umständen werden auch keine weiteren Appelle an die Teheraner Führung helfen. Diktaturen beugen sich äußerem Druck in aller Regel nur dann, wenn ihre eigene Herrschaft bedroht ist. Im Fall des Iran könnte dies bei weitgehendem Handelsembargo oder bei glaubwürdiger Androhung einer internationalen Militäraktion gegen die Atomanlagen und/oder die iranische Infrastruktur gelingen. Geschehen ist das bisher nicht. Es steht nicht einmal eine wirkliche Drohkulisse.

USA Das geben inzwischen auch die USA, die stärkste Militärmacht der Welt, zu. Zwar brüstete sich Panetta vor einiger Zeit – in der Sache zu Recht –, ein amerikanischer Schlag hätte viel mehr Aussicht auf Erfolg als ein israelischer, doch stellte kürzlich US-Generalstabschef Martin Dempsey unumwunden klar, die USA lebten nicht mit derselben existenziellen Gefahr, mit der Israel konfrontiert sei.

Daher liefen die amerikanischen Uhren, wenn es um eine Militäraktion im Iran gehe, anders als die israelischen. Abgesehen davon ist Amerika kriegsmüde. Das wird man sowohl in Teheran als auch in Jerusalem als Absage an einen baldigen Angriff auf das iranische Atomprogramm verstanden haben: für Israel ein Warnzeichen, für den Iran hingegen ein »Weiter so«. Angesichts der neuesten Nachrichten zur weiteren Intensivierung der Urananreicherung kein gutes Omen. Schon jetzt ist die Rede davon, dass es für eine »schmutzige Bombe« ausreichendes Material gibt.

Syrien So sieht sich Israel allein einem fanatischen Regime gegenüber, das morgens und abends wiederholt, das »zionistische Regime« müsse vernichtet, der israelische »Tumor« herausoperiert werden – all das mit viel Antisemitismus garniert. Darauf verlassen, dass der Iran seine künftigen Atombomben aus Angst vor israelischer Vergeltung niemals – wohlgemerkt: niemals – einsetzen wird, kann sich Israel nicht.

Zwar stimmt, dass das Mullah-Regime seinen eigenen Untergang kaum heraufbeschwören würde, solange es fest im Sattel sitzt, doch gibt es ein Aber. Gerade dieser Tage sorgt sich die Welt, der belagerte syrische Diktator Baschar al-Assad könnte, quasi als Begleitmusik zu seinem eigenen Abgang, den Einsatz chemischer oder biologischer Waffen befehlen. Wer kann denn sagen, ob die iranischen Herrscher in einer ähnlichen Situation nicht auch zu ihrer eigenen ultimativen Waffe greifen? Nur dass es dann eben ein atomares Arsenal wäre.

Szenarien Wenn aber weder auf die Völkerfamilie noch auf Abschreckung ausreichender Verlass ist, hat Israel keine andere Wahl, als die Möglichkeit eines präventiven Alleingangs zu prüfen. Dass der Westen sich über einen möglichen israelisch-iranischen Krieg Sorgen macht, ist verständlich. Auch die Israelis machen sich darüber Sorgen – und weil sie im Fadenkreuz iranischer Raketen liegen, noch weitaus mehr als andere. Seit Wochen werden realistische Horrorszenarien ausgemalt, wie groß die Verluste unter der Zivilbevölkerung sind, wenn beispielsweise Tel Aviv mit Raketen angegriffen würde.

Es ist mehr als zynisch, wenn Dritte Israel vom sicheren Sofa aus in dieser konkreten Bedrohungslage zu »mehr Vernunft« ermahnen. Schließlich geht es um das Überleben des jüdischen Staates. Dieses darf und muss Israels Regierung höher bewerten als die Angst westlicher Staaten vor einer Ölpreisexplosion, Wirtschaftskrise, iranischen Terroranschlägen oder auch die Sorge um die Wiederwahlchancen westlicher Politiker.

Sicherheit Damit soll in keiner Weise unterstellt werden, dass die existenzielle Bedrohung Israels durch den Iran einem Großteil westlicher Politiker gleichgültig wäre. Wenn die zahlreichen Medienberichte zu den deutschen U-Boot-Lieferungen an Israel stimmen, ist beispielsweise die deutsche Bundesregierung dabei, Israel beim Aufbau einer strategischen Seestreitmacht und damit einer Zweitschlagoption zu helfen, die Israel stärkt und wirksam potenzielle Feinde abschreckt.

Dafür gebührt dem Kabinett, den betroffenen Ministern und vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel Dank und Hochachtung. Auch Präsident Barack Obama ist Israels Schicksal, jenseits wahltaktischer Erwägungen, mit Sicherheit nicht gleichgültig. Er hat Israels Sicherheit in der Fortsetzung der Tradition seiner Amtsvorgänger mehr oder weniger gestärkt. Wenn aber all das nicht reicht, um die eine existenzielle Gefahr zu bannen, muss der jüdische Staat eben prüfen, was er mit eigenen Kräften ausrichten kann. Das ist kein Zeichen für waghalsiges Abenteurertum oder gar Kriegslust, sondern eine zwangsläufige Folge der selbst erwählten westlichen Impotenz.

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