Griechenland

»Ich bin gegen diese Trotzaktion«

Ist Deutschland schuld am drohenden Staatsbankrott Griechenlands?
Nein, definitiv nicht. Im Gegenteil, ich betrachte Deutschland innerhalb der EU als wichtigsten Partner Griechenlands.

Seit vergangener Woche polemisieren griechische Politiker gegen Deutschland. Teilen Sie die antideutschen Ressentiments?
Ich bin gegen diese Trotzreaktion. Allerdings muss man bedenken, dass wir Griechen ein stolzes Volk sind. Der Stinkefinger auf dem Titelblatt eines deutschen Magazins im Zusammenhang mit der antiken Geschichte verletzt Gefühle und reißt Gräben auf. Gerade in Krisenzeiten sollte ein brüderliches, solidarisches Miteinander im Vordergrund stehen. Heute kämpft Griechenland gegen den Ruin, morgen könnte es ein anderes Land treffen, vielleicht Deutschland.

Einige griechische Politiker, so auch Vizepremier Theodoros Pangalos, fordern von Deutschland Reparationszahlungen für die NS-Verbrechen. Finden Sie es korrekt, die Staatsfinanzen mit der mehr als 60 Jahre zurückliegenden Nazizeit zu verbinden?
Ich sehe keinen Zusammenhang. Aber als Zentralratspräsident steht es mir nicht an, diese Äußerungen der Regierung zu bewerten. Sollte die Forderung berechtigt sein, dann muss sie mit Nachdruck verfolgt werden.

Verlangen auch Griechenlands Juden Entschädigung von Deutschland?
Die deutschen Besatzer haben die jüdische Gemeinde Thessaloniki nahezu ausgelöscht. Sie war eine der größten in Europa. Mehr als 50.000 Menschen wurden ermordet, rund 97 Prozent der Gemeindemitglieder. Anders als in der übrigen Welt erhielt bis vor wenigen Jahren kein überlebendes Opfer der Nazigräuel in Griechenland eine Rente. Ich konnte zu meiner Zeit als Vorsitzender der Gemeinde Thessaloniki über einen persönli- chen Kontakt zum damaligen deutschen Außenminister Joschka Fischer erreichen, dass die wenigen Überlebenden zumindest eine symbolische Rente erhalten. Dies ist eine verschwindend geringe Korrektur des Unrechts, aber dennoch eine kleine moralische Geste.

Wie wirkt sich die ökonomische Krise Griechenlands auf die jüdische Gemeinde aus?
Sie verstärkt die gewohnten Feindbilder und fördert den Judenhass. Hier muss die Regierung besser und schneller reagieren als im jüngsten Fall der Brandanschläge auf die letzte erhaltene Synagoge Kretas. Der Staat sollte für solche Fälle eine »schnelle Eingreiftruppe« einrichten. In der Öffentlichkeit und auch in Schulen muss Aufklärungsarbeit geleistet werden, damit das historisch verwurzelte Judentum Griechenlands besser akzeptiert wird. Der Holocaustgedenktag am 27. Januar sollte endlich als substanzieller Tag der Erinnerung und Mahnung genutzt werden. Es wäre schön, wenn er auch im griechischen Parlament mit einer Sondersitzung gewürdigt würde.

Mit dem Präsidenten des Zentralrats der jüdischen Gemeinden Griechenlands sprach Wassilis Aswestopoulos.

Regierung

Mit Davidstern ins Kabinett

Karin Prien wird Deutschlands erste Bundesministerin mit jüdischen Wurzeln. Erst seit wenigen Jahren spricht die CDU-Politikerin öffentlich über ihre Familiengeschichte

von Michael Thaidigsmann  30.04.2025

Iran

Mullahs lassen angeblichen Mossad-Informanten hinrichten

Die Zahl der Hinrichtungen hat in den vergangenen Jahren drastisch zugelegt

 30.04.2025

Buenos Aires

Argentinien stellt Dokumente über geflohene Nazis online

Viele hochrangige Nationalsozialisten flohen nach dem Zweiten Weltkrieg vor Strafverfolgung – vor allem nach Südamerika. In Argentinien sind Dokumente zu den NS-Tätern nun digital zugänglich

 30.04.2025

Hanau

Antisemitisches Plakat an Schule: Staatsschutz ermittelt

In einem angrenzenden Park gab es eine Veranstaltung der Jüdischen Gemeinde. Besteht ein Zusammenhang?

 30.04.2025

Jom Hasikaron

Israel gedenkt der Terroropfer und Kriegstoten

Seit dem 7. Oktober 2023 sind 850 israelische Soldaten und 82 Sicherheitskräfte getötet worden

 30.04.2025

Josef Schuster

»Was bedeutet die Schoa heute noch für Deutschland?«

In seiner Rede zum 80. Jahrestag der Befreiung des KZ Bergen-Belsen reflektiert der Zentralratspräsident die Herausforderungen und Gefahren, vor denen die Erinnerung an die Schoa heute steht. Eine Dokumentation

von Josef Schuster  29.04.2025

Mauthausen

Überlebenswunderkind Eva Clarke: Geburt im KZ vor 80 Jahren

Es war eines der größten und gefürchtetsten Konzentrationslager der Nazizeit. Im Mai 1945 wurde es von US-Soldaten befreit. Unter den Überlebenden waren eine Mutter und ihr Neugeborenes

von Albert Otti  29.04.2025

Umfrage

Mehrheit hält AfD wegen deutscher Geschichte für unwählbar

Zum 80. Jahrestag des Kriegsendes fragt die »Memo«-Studie Menschen in Deutschland nach dem Blick zurück

 29.04.2025

Potsdam

Brandenburgs CDU-Chef Redmann fordert besseren Schutz für Synagoge

Vermutlich wurde in Halle ein zweiter Anschlag auf die Synagoge verhindert. Brandenburgs CDU-Chef Redmann fordert deshalb dazu auf, auch die Potsdamer Synagoge besser zu schützen

 29.04.2025