Internationaler Strafgerichtshof

»Halten uns an Recht und Gesetz«: Jetzt äußert sich die Bundesregierung

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) Foto: picture alliance / AA/photothek.de

Reaktionen aus der Bundespolitik auf die Nachricht von Haftbefehlen gegen zwei israelische Politiker waren zunächst spärlich gesät. Doch am Freitag bezog Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) zur Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) Stellung.

»Wir halten uns national, europäisch und international an Recht und Gesetz«, sagte sie im ARD-»Morgenmagazin«. Man werde jetzt genau prüfen, was das »für die Umsetzung in Deutschland« bedeute.

Gefragt, ob man Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nun raten müsse, besser nicht nach Deutschland einzureisen, antwortete Baerbock ausweichend: »Es gilt die Unabhängigkeit der Justiz. Das gilt national, das gilt europäisch, und das gilt auch international. Das haben wir in der Vergangenheit bereits deutlich gemacht. Wir haben auch deutlich gemacht, dass wir uns an Recht und Gesetz halten.« Die Frage nach Netanjahus möglicher Verhaftung in Deutschland nannte die Außenministerin »eher theoretisch«.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit veröffentlichte am Freitagvormittag eine Pressemitteilung. Darin heißt es, man habe die Haftbefehle »zur Kenntnis genommen«. Man werde nun »gewissenhaft prüfen«, welche Konsequenzen sich aus der Entscheidung in Den Haag ergäben. Weiteres stünde erst an, wenn ein Aufenthalt von Netanjahu oder Gallant in Deutschland absehbar sei, so Hebestreit.

In der Bundespressekonferenz sagte der Regierungssprecher dann aber auf Nachfrage noch Folgendes: »Es fällt mir schwer, mit vorzustellen, dass wir auf dieser Grundlage Verhaftungen in Deutschland durchführen.«

Lesen Sie auch

Der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid äußerte sich am Freitag im »Deutschlandfunk« ebenfalls zu diesem Thema. Die Vorwürfe gegen Netanjahu und den ehemaligen Verteidigungsminister Yoav Gallant müssten nach rechtsstaatlichen Prinzipen geklärt werden. Er wandte sich aber gegen eine Vorverurteilung. Die Bundesregierung habe zudem, so Schmid, schon immer klargemacht, dass Haftbefehle in Deutschland ausgeführt würden; das gebiete der Respekt vor dem internationalen Recht.

Netanjahu müsse deshalb damit rechnen, festgenommen zu werden, falls er nach Deutschland komme. Es gebe allerdings, sagte Schmid, neben den rechtlichen Fragen noch »den Wirkungsraum der Diplomatie«. Es müsse auch weiterhin Besuche deutscher Regierungspolitiker in Israel geben können.

Deutschland rechtlich an IStGH-Vorgaben gebunden

Als Signatarstaat des Römischen Statuts, der Arbeitsgrundlage des IStGH, ist Deutschland rechtlich an die Vorgaben des Gerichts gebunden. Entsprechende Rechtsvorschriften wurden in deutsches Recht aufgenommen.

Eine Kammer des Strafgerichtshofs hatte am Donnerstag Einsprüche des Staates Israel zurückgewiesen und Haftbefehle gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu sowie seinen früheren Verteidigungsminister Yoav Gallant wegen angeblicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Gazastreifen erlassen.

Auch gegen den Hamas-Militärchef Mohammed Deif erlies das Gericht Haftbefehl. Deif ist allerdings seit Monaten verschollen. Israel hat ihn bereits für tot erklärt. In seinem Antrag hatte Chefankäger Karim Khan zudem zwei weiteren Hamas-Führern - Yahya Sinwar und Ismail Haniyeh – schwere Verbrechen vorgeworfen. Sie seien »verantwortlich für die Tötung Hunderter israelischer Zivilisten« am 7. Oktober 2023. Sinwar und Haniyeh wurden aber zwischenzeitlich von Israel getötet. mth

Berlin

Altbundespräsident: »Wir brauchen mehr Entschlossenheit«

Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck fordert mehr Beschäftigung mit dem Antisemitismus aus dem arabischen Raum und von links

 09.11.2025

Erinnerung

Den alten und den neuen Nazis ein Schnippchen schlagen: Virtuelle Rundgänge durch Synagogen

Von den Nazis zerstörte Synagogen virtuell zum Leben erwecken, das ist ein Ziel von Marc Grellert. Eine Internetseite zeigt zum 9. November mehr als 40 zerstörte jüdische Gotteshäuser in alter Schönheit

von Christoph Arens  09.11.2025

9. November

Erinnerung ohne Empathie ist leer

Wenn Deutschland am Sonntag der Pogromnacht gedenkt, darf Erinnerung nicht nur rückwärtsgewandt sein. Sie muss auch die Angst der Juden von heute im Blick haben

von Tobias Kühn  09.11.2025

Deutschland

Auschwitz-Komitee: Demokratie vor Attacken schützen

Das Internationale Auschwitz Komitee sieht mit Sorge einen Rechtsruck. Zum Jahrestag der Reichspogromnacht fordert es Solidarität mit den Schoa-Überlebenden

 09.11.2025

Berlin

Israels Botschafter: Linker Antisemitismus am gefährlichsten

Ron Prosor, israelischer Botschafter in Deutschland, differenziert zwischen linkem, rechtem und islamistischem Antisemitismus. Und erläutert, welchen er für den gefährlichsten hält

 09.11.2025

Urteil

Betätigungsverbot für israelfeindlichen Aktivisten war rechtswidrig

Ghassan Abu-Sittah, der der israelischen Armee vorwirft, vorsätzlich Kinder zu töten, hätte auf dem »Palästina-Kongress« sprechen dürfen

 08.11.2025

Meinung

Wieder ein Milliarden-Blankoscheck für Palästina?

Europa will den Wiederaufbau Gazas mit 1,6 Milliarden Euro fördern. Glaubt man in Brüssel wirklich, durch Scheckbuchdiplomatie etwas zum Besseren verändern zu können?

von Jacques Abramowicz  08.11.2025

Jerusalem

Bischof Azar bedauert Irritation durch »Völkermord«-Äußerung

Weil er in einem Gottesdienst in Jerusalem von »Völkermord« an den Palästinensern sprach, hat der palästinensische Bischof Azar für Empörung gesorgt. Nun bedauert er, dass seine Worte Irritation ausgelöst haben

von Christine Süß-Demuth  07.11.2025

Berlin

Israelfeindliche Aktivisten besetzen ZDF-Hauptstadtstudio

Die Polizei musste die Besetzung beenden

 07.11.2025