Einspruch

Gurlitt, Geld und große Gesten

Michael Wuliger Foto: Marco Limberg

Fragwürdige Vermögenswerte bringt man gern in der Schweiz unter. Dieser schlechte Ruf haftet der Eidgenossenschaft an. Vielleicht auch deshalb wollte das Kunstmuseum Bern (KMB) die ihm vermachte Sammlung von Cornelius Gurlitt nur im Einvernehmen mit dem Bund und Bayern annehmen. Denn an einem nicht geringen Teil der 2010 zufällig aufgefundenen rund 1500 Werke klebt Blut – sie stammen aus von den Nazis geraubtem jüdischen Besitz.

Profiteur des Holocaust zu sein, will sich heutzutage niemand mehr nachsagen lassen. Spätestens seit der Affäre um die »nachrichtenlosen Konten« von Schoa-Opfern bei helvetischen Banken in den 90er-Jahren ist man in der Eidgenossenschaft sensibilisiert. Für Deutschland gilt die Pflicht zu historischem Fingerspitzengefühl erst recht. So geriet denn die Unterzeichnung der Vereinbarung zwischen dem Bund, Bayern und dem Berner Museum am Montag in Berlin fast zur Mahn- und Gedenkstunde. Von Verantwortung war immer wieder die Rede, von Ethik und Moral.

anwälte Um die geht es im Fall Gurlitt sicherlich. Man tut den deutschen und Schweizer Beteiligten dennoch nicht unrecht, wenn man ihnen dazu auch nüchterne Kalkulation unterstellt. Der moralische wie materielle Preis für den Besitz von Raubkunst ist in den vergangenen Jahren spürbar gestiegen. Das verdankt sich einer Gruppe, die hierzulande einen denkbar schlechten Ruf hat: Anwälte, vor allem jüdische und aus den USA, die mit allen Finessen Rückgabeverfahren betreiben. Es ist die Sorge, um nicht zu sagen, Angst davor, sich mit ihnen Ärger einzuhandeln, die viele Gewissen schlagen lässt.

Diese Anwälte sind gewiss keine Zaddikim. Sie handeln nicht unbedingt aus edlen Motiven, sie wollen hohe Honorare verdienen. In der deutschen Kulturszene tituliert man sie deshalb gelegentlich als »Haifische«. Kein schlechter Vergleich, auch wenn die Urheber es nicht so meinen. Haie sorgen als ökologische »Meerespolizei« dafür, dass die Ozeane nicht umkippen – und die verschrienen Anwälte für Sauberkeit im Biotop der Kunst. Die Ethik und Moral gibt’s kostenfrei dazu.

Konferenz

Vertreter jüdischer Organisationen tagen in Berlin

Auf dem »Fifth Summit of European Jewish Leaders« wird auch der israelische Diaspora-Minister Amichai Chikli erwartet

von Imanuel Marcus  23.03.2023

90. Jahrestag

Ermächtigungsgesetz war »Totenschein der ersten deutschen Demokratie«

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warnt vor »einer Politik der Lügen« und ruft zu gegenseitigem Respekt auf

 23.03.2023

Diplomatie

Nein, danke

Warum die Regierung in Jerusalem vom EU-Außenbeauftragten Josep Borrell zurzeit nichts wissen will

von Michael Thaidigsman  23.03.2023

Einspruch

Als Jüdin im Visier

Andrea M. Jarach sieht bei der italienischen Regierung eine Mitschuld an der Hetze gegen die Politikerin Elly Schlein

von Andrea M. Jarach  23.03.2023

Auschwitz Komitee

Twitter von antisemitischem Hass befreien

Es sei eine »alarmierende und bedrohliche Entwicklung«, dass sich dort judenfeindliche Hetze häuft

 23.03.2023

Meinung

An der Seite Israels

Trotz aller Kritik an der aktuellen Regierungspolitik: Jüdinnen und Juden stehen zum jüdischen Staat

von Josef Schuster  23.03.2023

FU Berlin

Knochenfunde werden beerdigt

Ein Teil der Gebeine könnte von Opfern nationalsozialistischer Verbrechen stammen

 22.03.2023

Erinnerung

Nach Verbot: Förderverein Buchenwald richtet sich neu aus

Eine Gästeführung zu Orten der NS-Geschichte in Weimar wird nun entwickelt

 22.03.2023

Erinnerung

Söder: »Im KZ Dachau ging jede Form von Menschlichkeit verloren«

»Der Schrecken breitete sich wie ein grausamer Prototyp aus«, so der Ministerpräsident

 22.03.2023