Reaktionen

»Bewusst für eine rechtsextreme, von einem Nazi dominierte Zerstörungs-Partei entschieden«

Björn Höcke, Vorsitzender der AfD Thüringen (l.) und Tino Chrupalla, AfD-Bundesvorsitzender (r.) gratulieren Landrat Robert Sesselmann. Foto: picture alliance/dpa

Vertreter von Judentum, Politik und Wissenschaft haben sich besorgt über die Wahl des ersten AfD-Landrats in Deutschland geäußert.

Das Internationale Auschwitz Komitee sprach von einem »traurige(n) Tag für den Landkreis Sonneberg, für Deutschland und für die Demokratie«. Exekutiv-Vizepräsident Christoph Heubner weiter: »Eine Mehrzahl der Wählerinnen und Wähler hat sich offensichtlich aus der Demokratie verabschiedet und sich bewusst für eine rechtsextreme, von einem Nazi dominierte Zerstörungs-Partei entschieden.«

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Für Überlebende des Holocaust reiße dies im Blick auf Deutschland »brennende Fragen« auf. »Ihnen bleibt die Hoffnung, dass sich an diesem Wahlergebnis das Bewusstsein der Menschen in Deutschland stärken wird, Gleichgültigkeit zu überwinden und gerade jetzt nach den Erfahrungen aus der Geschichte die Demokratie aktiv zu schützen und zu stärken«, sagte Heubner.

Gefahr für Minderheiten Auch die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, zeigte sich zutiefst besorgt. Zehn Jahre nach Gründung der AfD und sechs Jahre nach dem Einzug »der rechtsextremen Partei in den Bundestag« sei die Gefahr für die jüdische Gemeinschaft und andere Minderheiten längst real, erklärte sie am Sonntagabend.

Mit der ersten Wahl eines AfD-Vertreters zum Landrat schlügen die Menschen »der stabilen Demokratie in Deutschland einen weiteren Stützpfeiler aus«, so die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden.

Viele trügen eine Mitverantwortung für dieses Ergebnis. »Aber allen voran haben die Menschen vor Ort an der Wahlurne diese gefährliche Entscheidung getroffen. Sie haben - mit demokratischen Mitteln - ein Ausrufezeichen gegen die Demokratie gesetzt«, erklärte Knobloch.

Jens-Christian Wagner, der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, bezeichnete den Wahlausgang als Schande. Nicht alle, die bei dieser Wahl für Robert Sesselmann gestimmt hätten, seien Rechtsextreme und Rassisten, schrieb Wagner in einem Twitter-Beitrag. Allerdings hätten AfD-Wähler wissentlich für eine Partei gestimmt, zu deren Kern Rassismus, Antisemitismus und Demokratiefeindlichkeit gehörten.

Die aus Thüringen stammende Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt sprach ebenfalls von Bestürzung. »Die AfD hat ein erklärtes Ziel, sie möchte unserer Demokratie Schaden zufügen«, sagte sie dem RND. »Sie hetzt, sie verunsichert, sie stachelt auf«, so die Grünen-Politikerin. Die Wahl dürfe nicht als Protestwahl abgestempelt werden. »Ich bin überzeugt, dass die Menschen die AfD nicht trotz ihrer Positionen wählen, sondern genau wegen dieser Haltungen.«

In der Verantwortung Alle demokratischen Parteien seien in der Verantwortung, nicht weiter zu einer Normalisierung beizutragen. »Wer rhetorisch rechts blinkt, darf sich nicht wundern, wenn die Menschen bei Wahlen auch tatsächlich rechts abbiegen«, so Göring-Eckardt.

Extremismusforscher Matthias Quent sprach gegenüber dem RND von einem symbolischen Wert des Wahlsiegs von bundesweiter Bedeutung: »Die realen Gestaltungsmöglichkeiten eines Landrats in einem Kreis mit 54.000 Einwohnern sind begrenzt, aber dieser Wahlsieg gibt der AfD eine zentrale Position für den Angriff auf die Landes- und Bundespolitik.«

Sesselmanns Wahl sei eine »Bestätigung für den rechtsextremen Radikalisierungskurs von Björn Höcke. Sie ist zudem ein Ausgangspunkt für eine nun höchstwahrscheinlich folgende Normalisierung und Legitimierung einer Zusammenarbeit zwischen AfD und CDU«, so der Forscher.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Erfüllungsgehilfen für rechte Politik Quent forderte, Landkreistag und andere Gremien dürften sich »nicht zum Erfüllungsgehilfen für extrem rechte Politik machen lassen, sondern müssen einen Schutz vor demokratie- und menschenfeindlichen Bestrebungen schaffen - insbesondere für die diskriminierten Gesellschaftsgruppen, gegen die sich die Agitation der AfD besonders richtet«.

Bei der Stichwahl um das Amt des Landrats im thüringischen Kreis Sonneberg hatte sich AfD-Kandidat Robert Sesselmann nach vorläufigem Ergebnis mit 52,8 Prozent gegen Amtsinhaber Jürgen Köpper (CDU) durchgesetzt. Dieser kam demnach nur auf 47,2 Prozent, obwohl er von einer Parteienallianz aus Linken, SPD, Grünen und FDP unterstützt wurde. epd

Österreich

Hitler-Geburtsort Braunau benennt Straßennamen mit NS-Bezug um

Ausgerechnet in Adolf Hitlers Geburtsort gibt es bis dato nach Nationalsozialisten benannte Straßen. Das soll sich ändern - und trifft bei einigen Politikern auf Widerstand

 03.07.2025

Hamburg

Hamas-Anhänger tritt bei staatlich gefördertem Verein auf

Das Bündnis Islamischer Gemeinden in Norddeutschland wird durch das Programm »Demokratie leben« gefördert und lud einen Mann ein, der Sinwar als »Märtyrer« bezeichnet hat

 03.07.2025

«Stimme der verstummten Millionen»

Anita Lasker-Wallfisch blickt ernüchtert auf die Welt

Sie gehörte dem Mädchen-Orchester von Auschwitz an, überlebte das Lager und später das KZ Bergen-Belsen. Am 17. Juli wird die Cellistin Anita Lasker-Wallfisch 100. Und ist verzweifelt angesichts von Antisemitismus, Rechtsruck und Krieg, sagt ihre Tochter

von Karen Miether  03.07.2025

Janusz-Korczak-Preis

»Eine laute Stimme für Frieden und Gerechtigkeit in dieser Welt«

Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann wurde mit dem Janusz-Korczak-Preis für Menschlichkeit ausgezeichnet. Die Laudatio hielt der Professor für Internationale Politik und Konfliktexperte Carlo Masala. Die Rede im Wortlaut

von Carlo Masala  03.07.2025

Ravensbrück

KZ-Gedenkstätte erhält 207 Interviews mit Überlebenden

Grimme-Preisträgerin Loretta Walz führte über 30 Jahre Gespräche mit den Überlebenden, nun übergab sie den letzten Teil der Sammlung

von Daniel Zander  03.07.2025

Geschichte

Rechts und links: Wie die AfD ein falsches Goebbels-Zitat verbreitet

Ein Faktencheck

 02.07.2025

Reaktionen

Massive Kritik an Urteil über Charlotte Knoblochs Ex-Leibwächter

Der Mann bewachte die Präsidentin der IKG München, obwohl er sich privat judenfeindlich und rassistisch äußerte. Für das Verwaltungsgericht nicht genug, um ihn aus dem Polizeidienst zu entlassen

 02.07.2025

Kommentar

Justiz: Im Zweifel für Antisemitismus?

Ein Verwaltungsgerichtsurteil lässt große Zweifel aufkommen, dass es alle mit der Bekämpfung von Antisemitismus unter Beamten ernst meinen

von Michael Thaidigsmann  02.07.2025

Nach Skandal-Konzert

Keine Bühne bieten: Bob-Vylan-Auftritt in Köln gestrichen

Die Punkband hatte beim Glastonbury-Festival israelischen Soldaten den Tod gewünscht

 02.07.2025