Herxheim

Gerichtsurteil: Keine »Verhöhnung« von Juden

Die sogenannte Hitler-Glocke im pfälzischen Herxheim Foto: dpa

Im Streit über die sogenannte Hitler-Glocke im pfälzischen Herxheim am Berg hat das Verwaltungsgericht in Neustadt an der Weinstraße am Montag zwei Klagen abgewiesen. Der jüdische Kläger hatte sich gegen einen Gemeinderatsbeschluss zum Verbleib der umstrittenen Glocke im Herxheimer Kirchturm gewandt (AZ: 3 K 751/18.NW). Das Hängenlassen der Glocke sei keine Verhöhnung von Juden, urteilte das Gericht.

Die Feststellung des Gemeinderats, die Glocke solle als »Anstoß zur Versöhnung und Mahnmal gegen Gewalt und Unrecht« hängen bleiben, sei rechtswidrig. Eine zweite Klage richtete sich gegen eine ähnlich lautende Äußerung des Herxheimer Bürgermeister Georg Welker (parteilos).

»Versöhnung« Ihm wollte der Kläger die Aussage gerichtlich verbieten lassen, das Leuten der Glocke diene »der Versöhnung mit den Opfern der Nazizeit« (AZ: 3 K 802/18.NW). Nach der Entscheidung der Neustädter Richter sind weder der Gemeinderatsbeschluss noch die Äußerung des Bürgermeisters rechtlich zu beanstanden.

Die Aussage, von der 1934 gegossenen, mit Hakenkreuzen und der Aufschrift »Alles fuer’s Vaterland – Adolf Hitler« verzierten Glocke gehe eine versöhnende Wirkung aus, falle unter die Meinungsfreiheit. Es handele sich dabei nicht um eine falsche Tatsachenbehauptung.

Ein Unterlassungsanspruch gegen den kritisierten Beschluss bestehe nicht, da er keine »Verhöhnung Menschen jüdischer Abstammung« zum Ziel habe. Dies werde dadurch deutlich, dass der Gemeinderat auch beschlossen habe, mit einer Mahntafel auf die Geschichte der Glocke hinzuweisen.

Schlagzeilen Seit Sommer 2017 erregt die Polizeiglocke in der protestantischen Kirche der rund 800 Einwohner zählenden Ortschaft Herxheim am Berg die Gemüter und macht bundesweit Schlagzeilen. Im Laufe der Debatte musste der Vorgänger Welkers als Ortsbürgermeister wegen relativierender Aussagen über die NS-Zeit zurücktreten.

Der Beschluss des Ortsgemeinderats im Februar dieses Jahres, die umstrittene »Hitler-Glocke« in der evangelischen Kirche des Ortes hängen zu lassen, hatte für massive Kritik gesorgt. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, verurteilte dies scharf. »Die Entscheidung des Gemeinderats von Herxheim macht mich fassungslos. Sie zeugt von einer tiefen Respektlosigkeit gegenüber allen Opfern des Nationalsozialismus«, sagte Schuster.

Im Laufe der Debatte hatte sich auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) für ein Abhängen der sogenannten Hitler-Glocke ausgesprochen.

Seit September 2017 ist die Glocke, die sich im Eigentum der Kommune befindet, stillgelegt. Die Evangelische Kirche der Pfalz befürwortet den Austausch von Glocken mit anstößigen Inschriften aus der Zeit des Nationalsozialismus. Zur finanziellen Unterstützung betroffener Gemeinden stellt die Kirche 150.000 Euro zur Verfügung. epd/ja

Dortmund

Ermittlungen gegen Wachmann von NS-Gefangenenlager 

Die Polizei ermittelt gegen einen Ex-Wachmann des früheren NS-Kriegsgefangenenlagers in Hemer. Er soll an Tötungen beteiligt gewesen sein - und ist laut »Bild« inzwischen 100 Jahre alt

 22.11.2025

Deutschland

»Völlige Schamlosigkeit«: Zentralrat der Juden kritisiert AfD-Spitzenkandidat für NS-Verharmlosung

Der AfD-Spitzenkandidat aus Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, äußert sich einschlägig in einem Podcast zur NS-Zeit

von Verena Schmitt-Roschmann  21.11.2025

München

»Wir verlieren die Hoheit über unsere Narrative«

Der Publizist und Psychologe Ahmad Mansour warnte in München vor Gefahren für die Demokratie - vor allem durch die sozialen Netzwerke

von Sabina Wolf  21.11.2025

Tobias Kühn

Wenn Versöhnung zur Heuchelei wird

Jenaer Professoren wollen die Zusammenarbeit ihrer Universität mit israelischen Partnern prüfen lassen. Unter ihnen ist ausgerechnet ein evangelischer Theologe, der zum Thema Versöhnung lehrt

von Tobias Kühn  21.11.2025

Kommentar

Martin Hikel, Neukölln und die Kapitulation der Berliner SPD vor dem antisemitischen Zeitgeist

Der bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln ist abgestraft worden - weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Gespräch

»Der Überlebenskampf dauert an«

Arye Sharuz Shalicar über sein neues Buch, Israels Krieg gegen den palästinensischen Terror und die verzerrte Nahost-Berichterstattung in den deutschen Medien

von Detlef David Kauschke  21.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  21.11.2025

Deutschland

»Hitler ist niedergekämpft worden. Unsere Städte mussten in Schutt und Asche gelegt werden, leider«

Militanter Linker, Turnschuhminister, Vizekanzler und Außenminister: Das sind die Stationen im Leben des Grünenpolitikers Joschka Fischer. Warum er heute vom CDU-Kanzler Konrad Adenauer ein anderes Bild als früher hat

von Barbara Just  21.11.2025

Berlin

Bundesinnenministerium wechselt Islamismusberater aus

Beraterkreis statt Task Force: Die schwarz-rote Bundesregierung setzt einen anderen Akzent gegen islamistischen Extremismus als die Ampel. Ein neues Expertengremium, zu dem auch Güner Balci gehören wird, soll zunächst einen Aktionsplan erarbeiten

von Alexander Riedel  21.11.2025