Meinung

Gauck-Rede: Was fehlte

Michael Wuliger Foto: Marco Limberg

Es hat zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus bedeutende Reden im Bundestag gegeben. Elie Wiesel, Simone Veil, Arno Lustiger, Imre Kertész, Zoni Weisz, Marcel Reich-Ranicki und Inge Deutschkron sprachen als Überlebende des Völkermords. Sie wussten, wovon sie redeten.

Zeitzeugen leben immer noch. Marian Turski etwa, einer der letzten Überlebenden von Auschwitz. Doch der 88-Jährige saß dieses Jahr nur als Zuhörer auf der Tribüne des Parlaments. Die Rede zum 70. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz hielt Bun- despräsident Joachim Gauck.

gräueltaten Nichts, was das deutsche Staatsoberhaupt an diesem Vormittag in dieser offiziellen Feierstunde sagte, war a priori falsch. Gauck benannte die Schoa als deutsches Verbrechen. Er sprach den Antisemitismus vor der Schoa ebenso an wie die Verdrängung und Verleugnung danach sowohl in der Bundesrepublik wie in der DDR.

Er wandte sich gegen eine »Schlussstrich«-Mentalität, unterstrich, wie wichtig das Gedenken auch für künftige Generationen ist, auch und gerade für Bundesbürger nichtdeutscher Herkunft. Er appellierte an Toleranz und Solidarität für Flüchtlinge und Fremde, geißelte Ausgrenzung, forderte, die Augen nicht vor gegenwärtigen Gräueltaten wie in Syrien und Irak zu verschließen. Wer würde Gauck da widersprechen wollen?

Nur die Essenz dessen, wofür Auschwitz steht, hat der Bundespräsident nicht begriffen. »Das haben Menschen Menschen angetan«, zitierte er die polnische Schriftstellerin Zofia Nalkowska. Nein, eben nicht! Die übergroße Mehrzahl derer, die in Auschwitz und anderswo starben, wurden nicht als Menschen im Allgemeinen, sondern als Juden im Besonderen ermordet.

Hass Das war der Kern der nationalsozialistischen Weltanschauung. Die Schoa war nicht der Höhepunkt einer generellen Inhumanität. In ihr kulminierte ein ganz spezifischer Hass. Und dieser Hass hat mit Auschwitz nicht aufgehört. Auf deutschen Straßen wurde im vergangenen Sommer »Juden ins Gas!« gebrüllt. Vor wenigen Wochen sind in Paris wieder Juden gezielt als Juden umgebracht worden. Doch davon war beim Bundespräsidenten nicht die Rede.

»Das Ganze ist das Unwahre«: Adornos Diktum passt auf diese Rede. Oder um einen Begriff zu nutzen, den der evangelische Theologe Gauck kennen wird: Sie war eine Sünde durch Unterlassung.

Meinung

Israel hat eine historische Chance auf Frieden

Nach den militärischen Erfolgen der vergangenen 20 Monate hat der jüdische Staat keinen Feind mehr, der seine Existenz ernsthaft bedrohen könnte. Nun ist die Zeit für Diplomatie gekommen

von Joshua Schultheis  19.06.2025

Straßburg/Berlin

Israelfeindliche Demos: Europarat kritisiert Deutschland

Menschenrechtskommissar Michael O’Flaherty kritisiert das Vorgehen gegen Demonstranten. Er bezieht sich auch auf die »Nakba-Tag«-Demo am 15. Mai, bei der ein Polizist fast zu Tode geprügelt wurde

 19.06.2025

Diplomatie

»Israel macht die Drecksarbeit für uns«

Beim G7-Gipfel in Kanada lobt der Bundeskanzler den Angriff auf Iran

von Michael Thaidigsmann  19.06.2025

Nahost

NGO: Iran seit über zwölf Stunden vom Internet getrennt

Viele Iraner haben nun keinen Kontakt mehr zur Außenwelt

 19.06.2025

Diplomatie

Europäische Außenminister wollen mit Iran verhandeln

In Genf sollen am Freitag direkte Gespräche europäischer Top-Diplomaten mit dem iranischen Außenminister stattfinden

 19.06.2025

Bundesregierung

Kabinett Merz: Bisher 4 Mio. Euro Rüstungsexporte für Israel

In der ersten fünf Wochen ihrer Amtszeit hat die neue Bundesregierung aber keine Ausfuhrgenehmigungen für Kriegswaffen erteilt

 19.06.2025

Berlin

Prosor nimmt Merz gegen Kritik in Schutz

Der Kanzler hat sich hinter die israelischen Angriffe auf den Iran gestellt. Für seine drastische Wortwahl wird Merz scharf kritisiert, aber er bekommt auch Unterstützung

 19.06.2025

Berlin

Kritik an Merz-Zitat zur »Drecksarbeit« Israels im Iran

Der Bundeskanzler lobt den Mut Israels beim Vorgehen gegen den Iran. Die Äußerungen sorgen in Deutschland auch für Kritik – auch in den Reihen des Koalitionspartners SPD

 18.06.2025

Extremismus

Jüdische Studenten fordern Maßnahmen gegen »Jüdische Stimme«

Der VJSH verlangt unter anderem, dass dem Verein »Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden« die Gemeinnützigkeit entzogen wird

von Imanuel Marcus  18.06.2025