NIEDERLANDE

Freispruch für Geert Wilders

Zufriedenes Grinsen: Geert Wilders nach der Urteilsverkündung Foto: Reuters

Ein turbulenter Prozess kommt nach anderthalb Jahren zu einem eindeutigen Ende: Der Amsterdamer Gerichtshof hat Geert Wilders, den Chef der niederländischen Partij voor de Vrijheid (PVV), am Donnerstag in allen Anklagepunkten freigesprochen. Der umstrittene Politiker musste sich wegen Aufruf zu Hass sowie Diskriminierung und Beleidigung von Muslimen aufgrund ihres Glaubens verantworten.

GRENZWERTIG Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass die meisten von Wilders’ Äußerungen auf den Islam als Religion abzielten, nicht aber auf Muslime. Wilders hatte ein Verbot des Koran gefordert und diesen wegen seiner antisemitischen Passagen mit Hitlers Mein Kampf verglichen. Gleichwohl nahmen die Richter einzelne Anklagepunkte von diesem Befund aus, so die Forderung, die Grenzen für »nicht-westliche Ausländer« zu schließen. »Im Kontext« der politischen Debatte erklärten die Richter die Forderung für »zulässig«. Wilders’ Feststellung, die Niederländer müssten sich angesichts der steigenden Zahl von Moscheen verteidigen, liege dagegen »an der Grenze zur Strafbarkeit«. Doch auch dies sei kein Aufruf zum Hass, da Wilders in demselben Interview äußerte, er habe nichts gegen Muslime.

Mit diesem Urteil endet in den Niederlanden einer der umstrittensten Prozesse der vergangenen Jahre. Sowohl Wilders-Wähler als auch zahlreiche liberale Intellektuelle kritisierten ihn von Beginn an als Versuch, den selbst erklärten »Freiheitskämpfer« gegen die vermeintliche Islamisierung zum Schweigen zu bringen und die Deutungshoheit in der Integrationsdebatte zurückzugewinnen. Kurz vor der geplanten Urteilsverkündung im Herbst stellte Wilders’ Verteidiger Bram Moszkowicz einen Befangenheitsantrag, nachdem der Eindruck von der Beeinflussung eines Zeugen aufgekommen war. Mit neuen Richtern begann der Prozess zum zweiten Mal.

VEREINTE NATIONEN Wilders selbst sagte unmittelbar nach dem Freispruch, eine »große Last« sein von ihm gefallen. Weiter sprach er von einem »wichtigen Tag für die Meinungsfreiheit«. Ties Prakken, als Anwältin islamischer Vereinigungen am Prozess beteiligt, kündigte eine Klage vor dem Menschenrechtskomitee der Vereinten Nationen an.

Wie heikel die Diskussion in den Niederlanden ist, zeigt sich an der Einschätzung Ronnie Eisenmanns. Der Vorsitzende der orthodoxen Nederlandse Israëlitische Hoofdsynagoge (NIHS) in Amsterdam kritisierte, dass »Religionsgemeinschaften von der Debatte ausgeschlossen werden«. Auch den Umgang mit Minderheiten in den Niederlanden bemängelte Eisenmann. Gleichwohl wies er auf das fragile Verhältnis zwischen Meinungs- und Religionsfreiheit hin. Darüber wird in den Niederlanden auch nach dem Wilders-Prozess weiter heftig diskutiert werden.

Existenzrecht Israels

Objektive Strafbarkeitslücke

Nicht die Gerichte dafür schelten, dass der Gesetzgeber seine Hausaufgaben nicht macht. Ein Kommentar

von Volker Beck  23.11.2025

Dortmund

Ermittlungen gegen Wachmann von NS-Gefangenenlager 

Die Polizei ermittelt gegen einen Ex-Wachmann des früheren NS-Kriegsgefangenenlagers in Hemer. Er soll an Tötungen beteiligt gewesen sein - und ist laut »Bild« inzwischen 100 Jahre alt

 22.11.2025

Deutschland

»Völlige Schamlosigkeit«: Zentralrat der Juden kritisiert AfD-Spitzenkandidat für NS-Verharmlosung

Der AfD-Spitzenkandidat aus Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, äußert sich einschlägig in einem Podcast zur NS-Zeit

von Verena Schmitt-Roschmann  21.11.2025

München

»Wir verlieren die Hoheit über unsere Narrative«

Der Publizist und Psychologe Ahmad Mansour warnte in München vor Gefahren für die Demokratie - vor allem durch die sozialen Netzwerke

von Sabina Wolf  21.11.2025

Kommentar

Wenn Versöhnung zur Heuchelei wird

Jenaer Professoren wollen die Zusammenarbeit ihrer Universität mit israelischen Partnern prüfen lassen. Unter ihnen ist ausgerechnet ein evangelischer Theologe, der zum Thema Versöhnung lehrt

von Tobias Kühn  21.11.2025

Kommentar

Martin Hikel, Neukölln und die Kapitulation der Berliner SPD vor dem antisemitischen Zeitgeist

Der bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln ist abgestraft worden - weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Gespräch

»Der Überlebenskampf dauert an«

Arye Sharuz Shalicar über sein neues Buch, Israels Krieg gegen den palästinensischen Terror und die verzerrte Nahost-Berichterstattung in den deutschen Medien

von Detlef David Kauschke  21.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  21.11.2025

Deutschland

»Hitler ist niedergekämpft worden. Unsere Städte mussten in Schutt und Asche gelegt werden, leider«

Militanter Linker, Turnschuhminister, Vizekanzler und Außenminister: Das sind die Stationen im Leben des Grünenpolitikers Joschka Fischer. Warum er heute vom CDU-Kanzler Konrad Adenauer ein anderes Bild als früher hat

von Barbara Just  21.11.2025