Meinung

Freihandel – aber bitte demokratisch!

Rabbinerin Elisa Klapheck Foto: Marina Maisel

Die deutsche Öffentlichkeit ist zu sehr auf den eigenen Staat fixiert. Das erleben wir dieser Tage wieder mit der Debatte um das Freihandelsabkommen TTIP. Zwar stimmt es, dass durch das Abkommen zwischen der EU und den USA nationales Recht ausgehebelt werden könnte.

Doch um solche Gefahren auszuräumen, hilft kein Weltbild, das den eigenen Staat zum alleinigen Rechtsmaßstab erhebt und ihn gegen den internationalen Handel stellt. Es gibt zu wenig Bewusstsein für die verschiedenen Quellen des Rechts. Die Halacha etwa hat ihre Rechtsquelle gerade nicht im Staat, sondern in der Religionsgemeinschaft.

diktum Doch diese muss nicht in Opposition zum Staat stehen. Das talmudische Diktum »Dina deMalchuta Dina« (die Gesetze des Staates gelten auch für Juden) erzeugte ein kreatives Spannungsverhältnis, in dem jahrhundertelang Rabbiner eigene Rechtsnormen entwickelten, die jüdische Identität und Diskurse ermöglichten.

Der internationale Handel ist eine weitere Quelle des Rechts, die gerade auch in der jüdischen Wirtschaftsgeschichte als Möglichkeit erkannt worden ist, mehr Wohlfahrt zu erreichen und so höhere ethische Standards für die ganze Gemeinschaft unabhängig von staatlichen Vorgaben zu verwirklichen.

Auch die Rechtsentwicklung der EU erfolgte aus keinem Staat, der von oben Vorgaben macht, sondern aus Verträgen, die zwischen Regierungen ausgehandelt wurden. Die Verträge müssen jedoch einen demokratischen Prozess durchlaufen, also von den nationalen Parlamenten verabschiedet werden, um Gesetzeskraft zu erhalten. Bundeswirtschaftsminister Gabriel hat richtigerweise gefordert, dass auch TTIP den Parlamenten der EU-Mitgliedsstaaten zur Abstimmung vorgelegt werden muss.

verhandlungen Nicht im internationalen Handel als eigener Rechtsquelle liegt das Problem, sondern im Demokratiedefizit der Verhandlungen. Derzeit verhandelt die Europäische Kommission hinter verschlossenen Türen. Hin und wieder erfährt man von Konfliktfeldern – etwa dem Investitionsschutz für ausländische Firmen gegenüber nationalem Recht oder den offenbar weiterhin geltenden protektionistischen Handelsbeschränkungen der USA.

Gegen ein Freihandelsabkommen Europas mit den USA ist im Prinzip nichts einzuwenden. Es könnte sogar zu einem Exerzierstück globaler Wirtschaftsdemokratie nach ethischen Standards werden – aber hierfür wären viel mehr Zeit für die Einzelheiten und vor allem viel mehr demokratische Transparenz notwendig.

Die Autorin ist Rabbinerin des Egalitären Minjans in Frankfurt/Main.

Faktencheck

Berichte über israelischen Pass Selenskyjs sind Fälschung

Ukrainische Behörden ermitteln wegen hochrangiger Korruption. Doch unter diesen Fakten mischen sich Fälschungen: So ist erfunden, dass bei einer Razzia ein israelischer Pass Selenskyjs gefunden wurde

 20.12.2025

Analyse

Ankaras Machtspiele

Manche befürchten schon einen »neuen Iran«. Warum Israel die Türkei zunehmend als Bedrohung wahrnimmt

von Ralf Balke  20.12.2025

Bundestag

Zentralrat verteidigt Weimers Gedenkstättenkonzept

Der Ausschuss für Kultur und Medien hörte Experten zu der Frage an, ob über den Holocaust hinaus auch andere Verbrechen Teil der deutschen Erinnerungskultur sein sollen

 19.12.2025

Frankreich

Drei Jahre Haft für antisemitisches Kindermädchen

Ein französisches Gericht hat eine Algerierin zur einer Gefängnisstrafe verurteilt, weil sie einer jüdischen Familie Reinigungsmittel ins Essen, Trinken und die Kosmetika mischte

 19.12.2025

Berlin

Bericht über Missbrauch internationaler Hilfe durch Hamas im Bundestag vorgestellt

Olga Deutsch von der Organisation NGO Monitor sagt, während die Bundesregierung über Beiträge zum Wiederaufbau Gazas berate, sei es entscheidend, auf bestehende Risiken hinzuweisen

von Imanuel Marcus  19.12.2025

Meinung

Heute Juden, morgen Christen

Judenhass führt konsequent zum Mord. Dafür darf es kein Alibi geben

von Rafael Seligmann  19.12.2025

Tel Aviv/Berlin

Israel unterzeichnet weiteren Vertrag mit Deutschland über Raketenabwehr

Es handelt sich um das größte Rüstungsgeschäft in der Geschichte des jüdischen Staates

 19.12.2025

Sydney/Canberra

Nach Terroranschlag von Bondi Beach: Australien plant nationalen Trauertag

Die Regierung kündigt zudem umfassende Maßnahmen an. Dazu gehört eine landesweite Rückkaufaktion für Schusswaffen

 19.12.2025

New York

Antisemitische Äußerungen: Mitglied von Mamdanis Team tritt zurück

Die Tiraden von Catherine Almonte Da Costa sorgen für Entsetzen

 19.12.2025