Obwohl er seinem Fraktionsvorsitzenden Manfred Weber »Gestapo-Methoden« unterstellt hatte, bleibt dem ungarischen Fidesz-Abgeordneten Tamás Deutsch ein Ausschluss aus der Fraktion der Europäischen Volkspartei im Europaparlament erspart. Die Krise in der größten europäischen Parteienfamilie, der auch CDU und CSU angehören, dürfte mit dieser Entscheidung der Fraktionsmitglieder aber noch nicht vorüber sein.
RECHTEENTZUG Deutsch ist seit mehr als 30 Jahren Mitglied der ungarischen Regierungspartei Fidesz von Ministerpräsident Viktor Orbán und hatte Aussagen Webers zum neuen EU-Rechtsstaatsmechanismus in die Nähe der NS-Geheimpolizei sowie des früheren ungarischen Staatssicherheitsdienstes AVH gerückt.
Am Mittwochabend diskutierte die EVP-Fraktion seinen Ausschluss, entschied sich aber stattdessen, einige Mitgliedsrechte Deutschs auszusetzen. So soll er keine Reden mehr im Europaparlament für die Fraktion halten. Zudem ist vorgesehen, dass er nicht mehr EVP-Berichterstatter zu bestimmten Themen wird und auch sonst keine Posten im Namen der Gruppe mehr bekommen soll. Dies soll gelten, bis weitere Entscheidungen getroffen worden sind.
Zugleich wird die Europäische Volkspartei dazu aufgerufen, bald eine Entscheidung über den Fidesz-Verbleib in der Partei zu treffen, sobald es die Corona-Bedingungen zulassen. Das Verhältnis zwischen EVP und Fidesz ist schon lange schwer belastet. Seit März 2019 ist die Mitgliedschaft der Ungarn in der EVP auf Eis gelegt - unter anderem wegen mutmaßlicher Verstöße gegen EU-Grundwerte sowie wegen mehrerer Attacken auf den damaligen EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Der EVP-Fraktion gehören die Fidesz-Abgeordneten jedoch weiter an.
Nach dem NS-Vergleich von Deutsch hatten Dutzende Abgeordnete dessen Ausschluss aus der Fraktion gefordert. Dies hätte mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen werden müssen. Eine Entscheidung gegen Deutsch, der auch Chef der Fidesz-Delegation ist, hätte wohl das Ausscheiden aller Fidesz-Abgeordneten zur Folge gehabt. Womöglich hätte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban, der auch Fidesz-Chef ist, dann die Mitgliedschaft seiner Partei in der EVP beendet.
FAMILIE CDU und CSU haben in der EVP großes Gewicht. Sie haben sich bislang auch gegen den Rauswurf aus der Parteienfamilie ausgesprochen. Die CDU wählt im Januar einen neuen Vorsitzenden, der sich des Themas womöglich erneut annehmen könnte. EVP-Parteichef Donald Tusk dringt schon lange auf den Fidesz-Ausschluss, konnte sich bislang aber nicht durchsetzen.
Der 54-jährige Tamás Deutsch stammt aus einer jüdischen Familie und ist seit der Wendezeit in Ungarn vor 30 Jahren politisch aktiv. Im vergangenen Jahr war er Schirmherr der Maccabi-Spiele in Budapest, der Europameisterschaft jüdischer Sportler. dpa/ja