In Sachsen hat es im vergangenen Jahr mindestens 349 antisemitische Vorfälle gegeben. Das geht aus einem Bericht der Meldestelle RIAS Sachsen hervor, der am Mittwoch in Dresden vorgestellt wurde. Demnach sei die Zahl antisemitischer Vorfälle im Freistaat rasant angestiegen. Laut dem Bericht seien fast doppelt so viele Fälle wie im Jahr zuvor dokumentiert worden. 2023 waren 192 Vorkommnisse bekannt geworden.
Marina Chernivsky vom Trägerverein der RIAS-Meldestelle Sachsen sagte, unter allen Fällen habe die Meldestelle im vergangenen Jahr 40 Gewalttaten dokumentiert, darunter 16 körperliche Angriffe, acht Bedrohungen und 16 gezielte Sachbeschädigungen. Die Dunkelfelder seien aber noch nicht ausgeleuchtet, sagte Chernivsky. 2023 waren es laut RIAS Sachsen 25 Gewalttaten.
Nur ein Teil der antisemitischen Vorfälle kommt zur Anzeige
Nur ein Teil der antisemitischen Vorfälle kommt laut Chernivsky zur Anzeige. Für die Meldenden und Betroffenen müsse vor allem zunächst geschaut werden, welche Konsequenzen für deren Sicherheit damit verbunden sein könnten. Es werde »sehr gut abgewogen, ob ein Fall zur Anzeige gebracht wird«.
Vor dem Terrorangriff der palästinensischen Hamas am 7. Oktober 2023 seien etwa neun antisemitische Vorfälle pro Monat registriert worden, danach waren es laut RIAS 36 Fälle. Inzwischen gebe es nahezu täglich einen antisemitischen Vorfall in Sachsen. Chernivsky sagte: »Die dokumentierten Vorfälle wirken wie ein Seismograf für tief verankerte antisemitische Strukturen, die insbesondere in Krisenzeiten wirksam werden.«
66 Vorfälle enthielten laut RIAS lebensbedrohliche Inhalte, darunter waren zum Beispiel Schmierereien, die offen zum Töten von Jüdinnen und Juden aufriefen. An Bildungseinrichtungen erfasste die Meldestelle 49 antisemitische Vorfälle, davon allein 28 Vorfälle an sächsischen Hochschulen. Dazu zählen antisemitische Versammlungen auf Universitätsgelände, wie »Protestcamps«. Es habe aber auch körperliche Angriffe auf Kommilitoninnen und Kommilitonen gegeben.
»Protestcamps«, aber auch körperliche Angriffe auf jüdische Studierende
Auch die Zahl antisemitischer Vorfälle an Schulen lag mit 15 Vorfällen 2024 deutlich höher als im Vorjahr. 2023 waren sechs solcher Vorfälle bekannt geworden. Insgesamt ordnete RIAS Sachsen 222 Vorfälle einem israelbezogenen Antisemitismus zu. Der häufigste Tatort sei mit 132 Vorkommnissen die offene Straße gewesen.
Der sächsische Beauftragte für das Jüdische Leben, Thomas Feist, sagte, Antisemitismus sei nicht nur eine ernst zu nehmende Bedrohung für jüdische Sachsen. Er sei »darüber hinaus Seismograf für Gefahren, die unsere offene Gesellschaft immer wieder durch Hass, Menschenfeindlichkeit und Intoleranz herausfordern«. Die Meldestelle RIAS Sachsen ist in Trägerschaft der Beratungsstelle bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung in Berlin.
Die Vorsitzende des Landesverbandes Sachsen der jüdischen Gemeinden, Ekaterina Kulakova, erklärte in einem Vorwort zum RIAS -Bericht: »Wir brauchen einen Blick mit offenen Augen auf Deutschland und müssen verstehen, dass sich das Land verändert hat.« Es brauche neue Regeln, um den Hass auf andere zurückzudrängen. epd