Im Streit über das iranische Atomprogramm haben Deutschland, Frankreich und Großbritannien den Mechanismus zur Wiedereinführung von UN-Sanktionen ausgelöst.
Das geht aus einem Brief der drei Länder hervor, der dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am Donnerstag zugestellt wurde. Das Schreiben liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.
Dem Iran droht damit die Reaktivierung von Strafmaßnahmen, die im vergangenen Jahrzehnt aufgehoben worden waren. Zudem wäre nach Abschluss des Verfahrens auch das internationale Atom-Abkommen mit dem Iran endgültig Geschichte.
Mit diesem Abkommen sollte die Islamische Republik darin gehindert werden, eine Atombombe zu bauen. Das Dokument regelt insbesondere die unabhängige Überprüfung des iranischen Nuklearprogramms und legt Grenzen bei Menge und Anreicherung von Uran fest.
Der Schritt zeigt: Die drei europäischen Staaten (E3) sind - auch mit Blick auf eine Ablauf-Frist Mitte Oktober - mit ihrer Geduld am Ende. Der Iran habe seine Verstöße gegen das Atom-Abkommen von 2015 bis zuletzt fortgesetzt und fast waffenfähiges Uran hergestellt, monierten Diplomaten mehrfach. Teheran hatte den einseitigen Ausstieg der USA aus dem Abkommen im Jahr 2018 zum Anlass genommen, sich selbst nicht mehr an die Vereinbarungen zu halten.
30-Tage-Frist läuft
Konkret sieht der sogenannte Snapback-Mechanismus vor, dass der UN-Sicherheitsrat binnen 30 Tagen über die Fortsetzung der bisherigen Sanktionsaufhebung entscheiden muss. Eine solche Resolution steht vonseiten Russlands im Raum, das mit dem Iran militärisch und wirtschaftlich eng kooperiert.
Wird keine Resolution vorgelegt oder wird sie abgelehnt, dann greifen die früheren UN-Sanktionen aus den Jahren 2006 bis 2010 wieder - ohne weitere Abstimmung im Sicherheitsrat. Eine Ablehnung der Resolution könnte ohne Probleme durch Großbritannien und Frankreich erfolgen, da sie im Sicherheitsrat als ständige Mitglieder ein Veto-Recht haben.
Unklar war zunächst, wie der Iran auf das Auslösen des Snackback—Mechanismus reagieren wird. Zwar könnte Teheran versuchen, die Europäer in den kommenden Wochen noch davon zu überzeugen, dass es bereit ist, eine zuverlässige Kontrolle seiner atomaren Aktivitäten zuzulassen. Doch das gilt aufgrund jüngster Erfahrungen als äußerst unwahrscheinlich.
Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Islamische Republik ihrerseits konfrontativ reagiert. Das könnte bedeuten, dass die Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) aus dem Land verwiesen werden. Weitere mögliche Eskalationsschritte wären ein Ausstieg aus dem internationalen Vertrag zur Nicht-Verbreitung von Nuklearwaffen oder sogar die Ankündigung, eine Atombombe zu bauen.
Iran ist schon jetzt stark angeschlagen
Die Sanktionen dürften den Iran erheblich treffen. Der Staat mit etwa 90 Millionen Einwohnern ist schon heute durch die US-Sanktionen ökonomisch stark angeschlagen. Mit den reaktivierten UN-Maßnahmen, die auf die Wirtschaft und die Militärgüter zielen, geriete Teheran weiter unter Druck. Zumal ist das Vorgehen ein Signal an Unternehmen weltweit, dass eine Zusammenarbeit mit dem Iran äußerst heikel werden kann. Insofern dürften sich noch mehr Firmen überlegen, überhaupt mit dem Iran Geschäfte zu machen.
Bereits jetzt ist der Iran mit harten Sanktionen belegt, die vor allem auf den Energiesektor des öl- und gasreichen Landes zielen. Zudem ist das Land weitgehend vom internationalen Zahlungsverkehr ausgeschlossen.
Angriffe auf Atomanlagen als Signal der Entschlossenheit
Hinzu kommt, dass Israel und die USA zuletzt mit Militärschlägen zeigten, wie entschlossen sie sind, den Iran am Bau einer Atombombe zu hindern.
Israel hatte im Juni zwölf Tage lang Krieg gegen den Iran geführt und gemeinsam mit den USA die Atomanlagen Fordo, Natans und Nukleareinrichtungen in Isfahan bombardiert. Neben militärischen Zielen tötete Israel dabei auch mindestens zehn Atomforscher, um das Nuklearprogramm zu sabotieren.
Die Islamische Republik droht dem jüdischen Staat seit Jahrzehnten mit Vernichtung. Jerusalem betrachtet daher eine mögliche iranische Atombombe als existenzielle Bedrohung.
Westen befürchtet Bau iranischer Atombomben
Laut einem Bericht der IAEA verfügte der Iran vor Beginn des israelischen Kriegs gegen das Land über mehr als 400 Kilogramm Uran mit einem Reinheitsgrad von 60 Prozent. Für den Bau von Atomwaffen ist ein Reinheitsgrad von über 90 Prozent erforderlich. IAEA-Chef Rafael Grossi, hat wiederholt darauf hingewiesen, dass der Iran der einzige Staat ohne Atomwaffen sei, der solches fast waffenfähiges Material herstelle. Nach der Bombardierung zentraler iranischer Atomanlagen ist weiter unklar, wo das angereicherte Uran verblieben ist.
Teheran betont, keine Nuklearwaffen anzustreben und begründet dies auch mit einem religiösen Rechtsgutachten durch Staatsoberhaupt Ali Chamenei, das Massenvernichtungswaffen verbietet. Dagegen ist insbesondere Israel von der Absicht Teherans überzeugt, eine Atombombe bauen zu wollen.
USA verlangen ein Einstellen der Uran-Anreicherung
Vor dem Krieg hatten die USA fast zwei Monate lang mit Teheran über das iranische Nuklearprogramm verhandelt – ohne Durchbruch. Eine sechste Gesprächsrunde kam nicht mehr zustande, nachdem Israel zwei Tage vor dem Termin den Krieg begonnen hatte. Die Verhandlungen waren an einer zentralen Streitfrage ins Stocken geraten: Die USA forderten, dass der Iran seine Uran-Anreicherung einstellt – eine Forderung, die Teheran strikt ablehnte. dpa/ja