Wien

»Es trifft uns ins Mark«

Benjamin Nägele Foto: Daniel Shaked

Wien

»Es trifft uns ins Mark«

Benjamin Nägele über den Anschlag, Krisenmanagement und den Schutz der Gemeindemitglieder

von Tobias Kühn  05.11.2020 08:35 Uhr

Herr Nägele, in der Nähe des Stadttempels in der Wiener Innenstadt hat es am Montagabend einen islamistischen Terroranschlag gegeben. Wie haben Sie diese Stunden erlebt?
Ich war in der Innenstadt, zwei, drei Kilometer entfernt vom Geschehen. Unser Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister, der direkt über der Synagoge wohnt, rief mich an. Er berichtete von Schüssen und bat mich, die Polizei zu rufen, weil er mehrere Minuten vergeblich versucht hatte durchzukommen und die Polizei bisher nicht vor der Synagoge erschienen sei. Seitdem war ich dann mit dem Krisenmanagement beschäftigt.

Worin bestand dies?
Ich trat sofort mit der Sicherheitsabteilung unserer Gemeinde in Kontakt sowie mit den Behörden, dem Gemeindepräsidium und mit unserem Krisenstab. Um unsere Gemeindemitglieder zu schützen, entschieden wir noch in der Nacht, alle jüdischen Einrichtungen – Synagogen, Schulen, Restaurants, koschere Supermärkte – am Dienstag komplett zu schließen. Denn zu diesem Zeitpunkt ging man davon aus, dass es höchstwahrscheinlich mindestens einen weiteren Täter gibt, der noch auf der Flucht ist.

Wie reagierten die Gemeindemitglieder auf den Anschlag und Ihre Entscheidungen?
Das ist ein massiver Einschnitt. Man kann plötzlich nicht einkaufen gehen, die Kinder können nicht in die Schule. Was die psychische Seite betrifft, arbeiten wir eng mit unserem psychosozialen Zentrum ESRA zusammen, um den Gemeindemitgliedern und -mitarbeitern Unterstützung zu bieten. Und den orthodoxen Mitgliedern musste verständlich gemacht werden, dass sie nicht zu den Gebeten gehen konnten, die jüdische Routine am Dienstag leider durchbrochen werden musste.

Wie sicher leben Juden in Wien?
Die Stadt hat eine jüdische Infrastruktur, die für die Größe der Gemeinde weltweit einmalig ist: Es gibt zahlreiche Synagogen, Schulen, Restaurants und Vereine. Wien ist nicht zu Unrecht die lebenswerteste Stadt der Welt und eine der sichersten Städte der Welt. Umso mehr trifft es uns ins Mark, wenn so ein schrecklicher Anschlag passiert, der sich ja nicht nur gegen Einzelne, sondern gegen die gesamte Bevölkerung richtet.

Nach dem Anschlag haben viele Mitglieder das Bedürfnis, dass die Gemeinde enger zusammenrückt. Wie kann das trotz des Lockdowns geschehen?
Das ist eine große Herausforderung. Um das Gemeindeleben aufrechtzuerhalten, versuchen wir, immer mehr virtuell stattfinden zu lassen, ob das Gebete sind oder Jugendangebote. Was jetzt noch wichtiger wird, ist, telefonisch psychosoziale Unterstützung anzubieten für die Gemeindemitglieder. Wir haben eine Hotline, bei der man sich melden kann. Wir versuchen, emotionale Nähe zu bieten, obwohl sie physisch nicht vorhanden ist.

Mit dem Generalsekretär der Israelitischen Kultusgemeinde Wien sprach Tobias Kühn.

Stockholm

Was bleibt von den Mahnungen der Überlebenden?

Der Schoa-Überlebende Leon Weintraub warnt vor der AfD und Fanatismus weltweit. Was für eine Zukunft hat die deutsche Erinnerungskultur?

von Michael Brandt  23.12.2025

Israel

Netanjahu warnt Türkei

Israel will die Zusammenarbeit mit Griechenland und Zypern stärken. Gleichzeitig richtet der Premier scharfe Worte an Ankara

 23.12.2025

New York

Mitglieder von Mamdanis Team haben Verbindungen zu »antizionistischen« Gruppen

Laut ADL haben mehr als 80 Nominierte entsprechende Kontakte oder eine dokumentierte Vorgeschichte mit israelfeindlichen Äußerungen

 23.12.2025

Düsseldorf

Reul: Bei einer Zusammenarbeit mit der AfD wäre ich weg aus der CDU

Die CDU hat jede koalitionsähnliche Zusammenarbeit mit der AfD strikt ausgeschlossen. Sollte sich daran jemals etwas ändern, will Nordrhein-Westfalens Innenminister persönliche Konsequenzen ziehen

 23.12.2025

Interview

»Diskrepanzen zwischen warmen Worten und konkreten Maßnahmen«

Nach dem Massaker von Sydney fragen sich nicht nur viele Juden: Wie kann es sein, dass es immer wieder zu Anschlägen kommt? Auch der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antisemitismus, Felix Klein, sieht Defizite

von Leticia Witte  22.12.2025

Washington D.C.

Kritik an fehlenden Epstein-Dateien: Minister erklärt sich

Am Freitag begann das US-Justizministerium mit der Veröffentlichung von Epstein-Akten. Keine 24 Stunden später fehlen plötzlich mehrere Dateien - angeblich aus einem bestimmten Grund

von Khang Mischke  22.12.2025

Australien

Behörden entfernen Blumenmeer für die Opfer von Bondi Beach

Die Regierung von New South Wales erklärt, man habe sich vor dem Abtransport der Blumen eng mit der jüdischen Gemeinde abgestimmt

 22.12.2025

Sydney

Attentäter warfen Sprengsätze auf Teilnehmer der Chanukka-Feier

Die mutmaßlichen Attentäter Naveed und Sajid Akram bereiteten sich auf das Massaker vor. Ihre Bomben explodierten nicht

 22.12.2025

New York

Tucker Carlson ist »Antisemit des Jahres«

Die Organisation StopAntisemitism erklärt, ausschlaggebend seien Beiträge, in denen er erklärten Judenhassern, Holocaustleugnern und extremistischen Ideologen eine große Bühne geboten habe

 22.12.2025