Würdigung

Ein Mahner und Versöhner

Leo-Baeck-Preis 1998: Roman Herzog (l.) mit Ignatz Bubis Foto: dpa

Mit tiefer Trauer hat der Zentralrat der Juden in Deutschland auf die Nachricht vom Tod des früheren Bundespräsidenten Roman Herzog reagiert. Zentralratspräsident Josef Schuster sagte, Herzog habe »mit seiner klaren Haltung und seinem Engagement viel zur Versöhnung zwischen der deutschen Mehrheitsgesellschaft und der jüdischen Gemeinschaft sowie zwischen Deutschland und Israel beigetragen«.

In der Nacht zum Dienstag starb Roman Herzog im Alter von 82 Jahren in einem Krankenhaus im baden-württembergischen Bad Mergentheim, wie das Bundespräsidialamt mitteilte. Zuletzt hatte Herzog mit seiner zweiten Ehefrau, Alexandra Freifrau von Berlichingen, auf der Götzenburg in Jagsthausen gelebt. Von 1994 bis 1999 war Herzog Bundespräsident, zuvor amtierte er als Kultus- und Innenminister in Baden-Württemberg sowie als Vize- und später Präsident des Bundesverfassungsgerichts.

engagement Der Zentralrat der Juden betonte in einer Erklärung die enge Verbundenheit Herzogs mit der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland. Ihm sei das friedliche Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen und Religionen immer ein Herzensanliegen gewesen. »Bis heute haben viele seiner Worte ihre Gültigkeit nicht verloren«, sagte Josef Schuster. Der Zentralratspräsident erinnerte daran, dass Herzog in seiner Zeit am Bundesverfassungsgericht maßgeblichen Anteil daran hatte, dass das Leugnen der Schoa höchstrichterlich als Straftatbestand bestätigt wurde.

Als Bundespräsident hatte Herzog nicht nur in vielen Reden die Singularität der Schoa betont, sondern 1996 auch den 27. Januar, den Jahrestag der Befreiung des KZs Auschwitz, zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus proklamiert. 1998 erhielt Herzog für sein Engagement den Leo-Baeck-Preis, die höchste Auszeichnung des Zentralrats der Juden.

Auch der Jüdische Weltkongress (WJC) würdigte Herzogs Verdienste. Maram Stern, der stellvertretende Geschäftsführer des WJC, nannte den früheren Bundespräsidenten einen großen Kämpfer für den Rechtsstaat und für eine freie und tolerante Gesellschaft. Er habe sich immer »durch große Offenheit und Freundschaft der jüdischen Gemeinschaft gegenüber ausgezeichnet und sich für ihren Platz in der deutschen Zivilgesellschaft starkgmacht«.

gedenken Stern erinnerte auch an Herzogs Rede im ehemaligen KZ Bergen-Belsen im Jahr 1995, als der Bundespräsident betont hatte, dass der Völkermord des NS-Regimes in seiner technischen und bürokratischen Perfektion so einzigartig und beispiellos war, dass man glauben könnte, er könne sich nicht wiederholen. Herzog warnte damals, dies sei ein gefährlicher Trugschluss, es könne neue Formen von Ausschluss und Gleichschaltung, von Selektion und Totalitarismus geben: »Also müssen wir wachsam bleiben. Dazu müssen wir uns erinnern. Nur wer sich erinnert, kann Gefahren für die Zukunft bannen.«

Auch das Internationale Auschwitz Komitee (IAK) verabschiedete sich mit Dank und Respekt von Roman Herzog. In Berlin betonte Christoph Heubner, Exekutivvizepräsident des IAK: »Roman Herzog war ein Verfechter der wehrhaften Demokratie, der immer wieder den Blick in die Geschichte nutzte, um den Wert und die Zerbrechlichkeit der Demokratie sichtbar werden zu lassen.«

Die Ausrufung des 27. Januar zum Tag des Gedenkens für die Opfer des Nationalsozialismus habe die Voraussetzung »für das Engagement vieler junger Menschen geschaffen, sich der Verbrechen des Nationalsozialismus zu erinnern«, so Heubner. »Die Überlebenden von Auschwitz verlieren mit Roman Herzog einen klugen Freund und einen großen Repräsentanten der Demokratie.« ja (mit epd)

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