Interview

»Direkte Kontakte zu Arafat«

Wolfgang Kraushaar Foto: Bodo Dretzke

Herr Kraushaar, Ihr neues Buch »Wann endlich beginnt bei Euch der Kampf gegen die heilige Kuh Israel?« untersucht die antisemitischen Wurzeln des deutschen Linksterrorismus der 70er-Jahre. Wie zentral war der Judenhass für die Täter?
Meine These lautet, dass der Antisemitismus ein Konstituens war für den bundesdeutschen Terrorismus. Er begann mit einem Anschlag auf das Jüdische Gemeindehaus in Berlin am
8. November 1969. Kaum eine der deutschen terroristischen Gruppierungen ist in Aktion getreten, ohne zuvor von den Palästinensern ausgebildet worden zu sein – die Tupamaros West-Berlin ebenso wenig wie die RAF, die Bewegung 2. Juni und die Revolutionären Zellen.

Die Palästinenser – es gab, wie Sie schreiben, auch direkte Kontakte zu Arafat – waren sozusagen die stillen Teilhaber des bundesdeutschen Terrorismus?
Zweifelsohne. Es war ja nicht Altruismus, der sie dazu gebracht hat, deutsche Terroristen militärisch auszubilden. Die Frage liegt nahe, welche Gegenleistungen erwartet worden sind. Ich vermute, dass von Anfang an terroristische Aktionen verabredet und abgesprochen wurden. Insofern war der bundesdeutsche Linksterrorismus strukturell einbezogen in den palästinensischen Terrorismus.

Der linke Terrorismus war Teil einer breiteren linken Bewegung, oder jedenfalls entsprang er ihr. Wie stark war der Antisemitismus dieser »Mainstreamlinken«?
Man darf das, was im Terrorismus sichtbar wurde, nicht einfach auf das gesamte linke Umfeld hochrechnen. Auf den Anschlag auf das Gemeindehaus in Berlin 1969 hat die linke Szene ausgesprochen negativ reagiert. Das fand kein Einverständnis, im Gegenteil.

Aber war nicht Antizionismus ein wesentliches Thema der gesamten Linken?
Keine Frage. Der Antizionismus gehörte seit dem Junikrieg 1967 zu den beinahe selbstverständlichen Positionsmerkmalen der gesamten Neuen Linken. Das allein wirft bereits nachhaltige Fragen auf. Dennoch ist das nicht gleichbedeutend mit Antisemitismus. Wobei die Grenzen fließend verlaufen konnten, etwa bei einem Flugblatt, das im Herbst 1969 in Kiel verteilt wurde. Es trug den Titel »Schlagt die Zionisten tot, macht den Nahen Osten rot!« Aber im Grundsatz hat man den Terrorismus abgelehnt, ohne allerdings gleichzeitig den eigenen Antizionismus zu reflektieren.

Diese Reflexion ist sehr spät erfolgt. Fast wie bei der Aufarbeitung des Nationalsozialismus, die ernsthaft auch erst stattfand, als es keinem mehr wehtun konnte.
Sie haben recht. Es ist eine sehr verspätete Aufarbeitung. Die ersten Ansätze eines Nachdenkens setzten im Grunde erst nach Entebbe 1976 ein, wo deutsche Terroristen jüdische Passagiere eines entführten Flugzeugs selektierten. Es dauerte dann noch Jahre, bevor linker Antisemitismus überhaupt thematisiert werden konnte. Inzwischen ist es allerdings in der Wissenschaft wie in Teilen der Öffentlichkeit selbstverständlich geworden, linken Antisemitismus als solchen zu benennen.

Mit dem Hamburger Historiker sprach Michael Wuliger.

Wiesbaden

Hessischer Minister schließt AfD-Politiker von Reisen aus

Gastgeber im Ausland für Fotos mit AfD-Politikern zusammenbringen? Für Manfred Pentz nun ein Tabu. Seine erste Reiseausladung ist kurzfristig

 05.05.2025

Berlin

Sarah Wedl-Wilson neue Berliner Kultursenatorin

Die parteilose 56-Jährige übernimmt das Amt von Joe Chialo (CDU), der am Freitag wegen der Sparpolitik des Berliner Senats zurückgetreten war

 05.05.2025

Interview

»Wir sind ein Impulsgeber«

Zentralratspräsident Josef Schuster über die Internationale Task Force gegen Antisemitismus J7, den deutschen Vorsitz und ein Treffen in Berlin

von Philipp Peyman Engel  05.05.2025

Interview

»Antiisraelische Meinungen und die Stimmungen machen uns Sorgen«

Inessa Myslitska über die Auswirkungen des 7. Oktober auf Jüdische Gemeinden in Sachsen-Anhalt, Drohanrufe und Hilfe für jüdische Flüchtlinge aus der Ukraine

von Oliver Gierens  05.05.2025

Oranienburg

Woidke warnt vor Umdeutung der NS-Geschichte

Manche Geschichtsleugner wollten vom Holocaust nichts mehr wissen, erklärt der Ministerpräsident Brandenburgs (SPD)

 05.05.2025

Berlin

Union und SPD wollen sich zu Umgang mit rechtsextremistischer AfD verständigen

Jens Spahn hatte empfohlen, sie wie andere Oppositionsparteien zu behandeln. Nun äußert er sich erneut

 05.05.2025

Regierung

Mit Davidstern ins Kabinett

Karin Prien wird Deutschlands erste Bundesministerin mit jüdischen Wurzeln. Erst seit wenigen Jahren spricht die CDU-Politikerin öffentlich über ihre Familiengeschichte

von Michael Thaidigsmann  05.05.2025 Aktualisiert

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen nun in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  04.05.2025

Brandenburg

1200 Menschen gedenken der Befreiung des KZ Ravensbrück

28.000 Menschen wurden in dem Konzentrationslager während der Schoa getötet

 04.05.2025