Langenau

»Die Aktivisten wollen den Pfarrer und seine Familie zermürben«

Seit Pfarrer Sedlak am 15. Oktober 2023 in seiner Kirche den Terror der Hamas anprangerte, wird er massiv behelligt. Foto: Ingo Schleicher

Langenau

»Die Aktivisten wollen den Pfarrer und seine Familie zermürben«

Württembergs Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl fordert konkrete Schritte gegen »propalästinensische« Störer vor der Martinskirche. Die Stadt habe »versucht, es auszusitzen«

 09.07.2025 17:17 Uhr

Nach einer gewalttätigen Auseinandersetzung vor der evangelischen Kirche in Langenau (Alb-Donau-Kreis) hat der Bischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Ernst-Wilhelm Gohl, juristische Schritte gegen die dortigen »Pro-Palästina«-Aktivisten gefordert. Die Stadt müsse eine Allgemeinverfügung erlassen, die Demonstrationen vor der Kirche verbiete, forderte Gohl am Mittwoch in einem kurzfristig anberaumten Pressegespräch vor Journalisten. »Die Aktivisten wollen die Gemeinde, den Pfarrer und seine Familie zermürben«, kritisierte er.

Jetzt sei »ein Punkt erreicht, wo man endlich diese untragbaren Zustände beenden muss«, sagte Gohl weiter. Bisher habe die Stadt »sehr lange zugewartet«. In Langenau sei versucht worden, »es auszusitzen«.

Seit über eineinhalb Jahren sind Gemeindepfarrer Ralf Sedlak, seine Familie und Gottesdienstbesucher massiven Anfeindungen ausgesetzt. Diese begannen, als der Pfarrer im Oktober 2023 im Gottesdienst den Überfall der Hamas auf Israel erwähnte. Zu den Anfeindungen gehörten wöchentliche »Pro-Palästina«-Demonstrationen von meistens rund fünf Personen mit Plakaten sowie antisemitische Schmierereien an der Martinskirche. An Silvester 2023 gab den Angaben zufolge ein Unbekannter fünf oder sechs Schüsse mit einer Signalpistole auf Pfarrhaus und Gemeindehaus ab. Am Sonntag kam es dann zu Handgreiflichkeiten. Die Polizei ermittelt.

Gohl unterstrich, dass man schon seit fast einem Jahr eine Allgemeinverfügung fordere. Sollten Demos vor der Kirche verboten werden, könne die Polizei vor Ort eingreifen und Recht und Ordnung durchsetzen. Die Stadt zögere offenbar, weil eine solche Verfügung von einem Gericht kassiert werden könnte.

Unzumutbare Einschränkung der Religionsfreiheit

Der Bischof sprach sich für die Meinungsfreiheit aus, hält es aber für eine unzumutbare Einschränkung der Religionsfreiheit, wenn etwa auch Konfirmations- und Taufgottesdienste von Demonstranten gestört werden. Der Gottesdienst werde laut Teilnehmern zum »Spießrutenlauf«.

»Es kann nicht sein, dass Sonntag für Sonntag Gottesdienstbesucherinnen und -besucher bedrängt und eingeschüchtert werden, so dass viele Gemeindeglieder inzwischen den Gottesdienst in der Martinskirche nicht mehr besuchen«, beklagte der Landesbischof. Langenau sei allerdings auf dem Gebiet der württembergischen Landeskirche »Gott sei Dank ein Einzelfall«.

Bei der Auseinandersetzung vom vergangenen Sonntag geht es um Beleidigung und Handgreiflichkeiten. Ersten Erkenntnissen zufolge soll ein 75-jähriger Demonstrant den Pfarrer der Gemeinde verunglimpft und einen 84-jährigen Mann, offenbar einen Gottesdienstbesucher, zu Boden gestoßen haben. Daraufhin ging wohl ein weiterer Mann den 75-Jährigen körperlich an, wodurch auch dieser stürzte. Dieser zweite Vorgang wurde dann auf einem Video in sozialen Medien verbreitet. Der 75-Jährige gilt als Drahtzieher des Protests gegen die Kirchengemeinde.

Innenminister Thomas Strobl (CDU) hatte sich bereits am Dienstag für eine Allgemeinverfügung durch die Kommune ausgesprochen. Antisemitismus, Schmierereien und die Belästigung des Pfarrers seien »extrem widerlich und verachtenswürdig«, sagte er. epd/kna

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