Berlin

»Deutschland hätte Israels Sportler schützen müssen«

Bundespräsident Steinmeier und Israels Staatspräsident Herzog am Sonntag in Berlin Foto: IMAGO/Christian Spicker

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat an das Olympia-Attentat vor 50 Jahren erinnert. Bei einem Staatsbankett zu Ehren des israelischen Präsidenten Isaac Herzog übte Steinmeier am Sonntag auch Kritik am deutschen Umgang mit der Bluttat: »Viel zu lange haben wir nicht wahrhaben wollen, dass auch wir unseren Teil an Verantwortung tragen: Es war an uns, für die Sicherheit der israelischen Sportler zu sorgen.«

Am frühen Morgen des 5. September 1972 drangen palästinensische Terroristen ins Quartier der israelischen Olympia-Mannschaft ein. Sie töteten zwei Israelis und nahmen neun weitere als Geiseln. Mit der blutigen Aktion wollte die Gruppe »Schwarzer September« Gesinnungsgenossen aus der Haft freipressen. Begleitet von Fehleinschätzungen und Pannen missglückte ein Befreiungsversuch auf dem Flughafen Fürstenfeldbruck. Dabei wurden alle Geiseln, ein Polizist und fünf der acht Terroristen getötet.

Nun gehöre es »zu unserer Verantwortung als Deutsche«, die »blinden Flecken des Anschlags in München auszuleuchten«, mahnte der Bundespräsident. »Viel zu lange haben wir den Schmerz der Hinterbliebenen nicht wahrhaben wollen«, kritisierte er. Gemeinsam mit Herzog wird Steinmeier am Montag zu den Gedenkfeierlichkeiten nach Fürstenfeldbruck reisen.

Die Hinterbliebenen warfen den deutschen Behörden lange Zeit Vertuschen und Versagen vor und verlangten eine angemessene Entschädigung. Zu der nun erzielten Einigung gehören laut Bundesregierung die Aufarbeitung der Geschehnisse durch eine Kommission deutscher und israelischer Historiker, die rechtskonforme Freigabe von Akten, die Einordnung und Übernahme von politischer Verantwortung im Rahmen der Gedenkveranstaltung sowie die Bereitstellung weiterer Anerkennungsleistungen durch den Bund, das Land Bayern und die Stadt München. Deren Gesamthöhe soll laut Medienberichten 28 Millionen Euro für die Familien der Opfer betragen.

Steinmeier machte bei dem Staatsbankett deutlich, dass er den Kampf gegen Antisemitismus als elementar für die Demokratie in Deutschland sieht. »Es erfüllt mich mit Zorn und es beschämt mich, dass Jüdinnen und Juden sich nach wie vor nicht sicher fühlen können – ausgerechnet in unserem Land«, sagte das Staatsoberhaupt.

Steinmeier betonte zudem: »Wir Deutsche bekennen uns unverbrüchlich zum Existenzrecht und zur Sicherheit Israels. Wir stehen an Ihrer Seite.« 

Herzog war am Nachmittag von Steinmeier zu einem dreitägigen Staatsbesuch begrüßt worden. Beim Staatsbankett sagte der Bundespräsident: »Für das Menschheitsverbrechen der Schoa trägt mein Land eine Verantwortung, die nicht vergeht. Die Erinnerung an das, was geschehen ist und geschehen kann, muss uns eine Mahnung sein, für die Gegenwart und für die Zukunft: damit es nicht wieder geschieht.« Auf dieser Verpflichtung gründe das demokratische Deutschland. 

Teil der historischen Verantwortung sei es, »dass wir nicht gleichgültig sein dürfen, wenn Antisemitismus wieder erstarkt«, sagte Steinmeier. Darauf könne es nur eine Antwort geben: »Wir dürfen keinerlei Antisemitismus dulden.« Dies sei die Verantwortung aus der deutschen Geschichte und gegenüber den hier lebenden Jüdinnen und Juden.

»Aber das sind wir uns auch selbst und unserer Demokratie schuldig: Denn nur, wenn Jüdinnen und Juden sich hier vollkommen sicher und zu Hause fühlen, ist dieses Deutschland ganz bei sich«, ergänzte der Bundespräsident. dpa/kna

Lesen Sie mehr dazu in der kommenden Printausgabe der Jüdischen Allgemeinen.

Berlin

Mehr Demonstrationen mit Nahost-Bezug

Auf den Straßen der Hauptstadt ist 2025 weniger demonstriert worden, die Kundgebungen mit Bezug zum Nahen Osten haben jedoch zugenommen

 28.12.2025

Berlin

»Jeder sollte sich überlegen, ob er mit dem Teufel ins Bett geht«

Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, hält Koalitionen mit der AfD auf Länderebene für gefährlich

 27.12.2025

Genua

Italien geht gegen mutmaßliches Hamas-Netzwerk vor

Die Ermittler decken ein Netzwerk zur Unterstützung der islamistischen Terrororganisation auf

 27.12.2025

Berlin

Wadephul: Keine deutsche Beteiligung an Gaza-Stabilisierungstruppe

Er sei dafür, »dass Deutschland eine vermittelnde Rolle einnimmt, um der Sicherheit Israels Rechnung zu tragen«, so der Außenminister

 26.12.2025

Istanbul

Türkei nimmt 115 mutmaßliche IS-Mitglieder fest

Die Verdächtigen sollen Anschläge während der Weihnachts- und Neujahrszeit geplant haben

 25.12.2025

Australien

Mann solidarisiert sich mit Sydney-Attentätern – Festnahme

Bei dem Verdächtigen wurden Einkaufslisten für den Bau einer Bombe und Munition gefunden. Es erging bereits Anklage

 24.12.2025

Washington

US-Regierung nimmt deutsche Organisation HateAid ins Visier

Die beiden Leiterinnen wurden wegen angeblicher Zensur amerikanischer Online-Plattformen mit Einreiseverboten belegt. Die Bundesregierung protestiert

 24.12.2025

Großbritannien

Israelfeindlicher Protest: Greta Thunberg festgenommen

In London treffen sich Mitglieder der verbotenen Gruppe Palestine Action zu einer Protestaktion. Auch die schwedische Aktivistin ist dabei. Die Polizei schreitet ein

 23.12.2025

Stockholm

Was bleibt von den Mahnungen der Überlebenden?

Der Schoa-Überlebende Leon Weintraub warnt vor der AfD und Fanatismus weltweit. Was für eine Zukunft hat die deutsche Erinnerungskultur?

von Michael Brandt  23.12.2025