Meinung

Der Vatikan schweigt auch 70 Jahre danach

War das Schweigen der katholischen Kirche zur Schoa ein Fehler? Ist sie mitschuldig geworden, weil sie abseits stand bei der großen Judenjagd in Europa? 70 Jahre nach Kriegsende wäscht der Vatikan noch immer seine Hände in Unschuld. Zu bedauern gebe es nichts – im Gegenteil. Pius XII. habe mit seinem Schweigen und seiner klugen Diplomatie »Schlimmeres verhütet«. Der hellsichtige Weckruf der Jüdin Edith Stein an den Heiligen Stuhl war schon 1933 ignoriert worden.

Niemand kann bestreiten, dass Pius XII. durch Hintertür-Diplomatie vielen Juden die Ausreise oder die Flucht in Verstecke ermöglichte. Das war für den Vatikan mit seinen Kontakten eine selbstverständliche Christenpflicht. Vorwerfen kann man Pius keinen Antisemitismus, wohl aber einen Antijudaismus, der ein Nährboden war für den Antisemitismus. Pius sympathisierte auch nicht mit dem NS-Regime oder dem Krieg gegen Stalin, obwohl er den Kommunismus für gefährlicher hielt als den Nationalsozialismus.

gewissensfrage
Das große Problem Pius’ XII. war, dass er die Gewissensfrage, die die Schoa ihm stellte, zweckrational lösen wollte, mit den Mitteln der zurückhaltenden Diplomatie. Statt offen und mutig wie ein Prophet dem dämonischen Vernichtungswerk Hitlers entgegenzutreten, sich schützend vor die Juden zu stellen und Widerstand zu leisten, wollte er Berlin nicht auf die Füße treten. Besonders tragisch wirkte sich dies bei der Judenrazzia in Rom aus, als über 1000 Juden nach Auschwitz deportiert wurden.

Gab es für einen Stellvertreter Christi etwas Heiligeres, als auf sein Gewissen zu hören, das bedingungslos verpflichtet? Hätte Hitler Opfer verlangt vom Vatikan und der Christenheit für einen päpstlichen Aufschrei des Gewissens und einen aktiven Schutz der Juden, wären das heilige Opfer gewesen – für die Liebe, Gerechtigkeit und Wahrheit. Papst Franziskus ließ am 21. April dieses Jahres aufhorchen, als er feststellte: Man muss der Wahrheit des Wortes Gottes treu bleiben – ohne »Verhandlungen und Kompromisse«. Die Geschichte der Kirche sei eine Geschichte der Märtyrer.

70 Jahre nach der Schoa ist es mehr als an der Zeit, dass man sich im Vatikan an die Brust schlägt, demütig eigenes Versagen anerkennt und um Vergebung bittet. Nur so wird sich das Tor zur Versöhnung öffnen.

Der Autor ist katholischer Theologe beim Bildungswerk der Erzdiözese Freiburg.

Berlin

Ordner bedrängte Lahav Shapira bei Uni-Besetzung: Geldstrafe

Der 32-Jährige wurde der Nötigung schuldig gesprochen

 17.07.2025

Nahost

Drusenführer erhebt schwere Vorwürfe nach Gewalt in Syrien

Es sei ein Fehler gewesen, die Sanktionen gegen Interimspräsident Ahmed al-Sharaa aufzuheben, sagt Scheich Muwafaq Tarif. »Er hat sich nicht geändert.«

 17.07.2025

Frankfurt am Main/Berlin

Schuster nennt Wadephuls Israel-Äußerung eine »Entgleisung«

Der Zentralratspräsident warnt zudem vor antisemitischer Verrohung

 17.07.2025

Berlin

Wo die Intifada globalisiert und gegen Zionisten gehetzt wird

Ein Augenzeugenbericht über einen merkwürdigen Abend an der Freien Universität, der mit einem Hausverbot endete

von Alon David  17.07.2025

Meinung

Es ist an der Zeit, endlich gegenzusteuern

Deutschland sollte lernen, seine Werte selbstbewusst zu vertreten. Plädoyer für eine andere Zuwanderungspolitik

von Jacques Abramowicz  17.07.2025

Zentralrat der Juden

Den Zeiten zum Trotz

Vor 75 Jahren gegründet, hat der Zentralrat das jüdische Leben in Deutschland nach der Schoa wieder möglich gemacht und geprägt. Worauf es nun in Zukunft ankommt

von Michael Brenner  17.07.2025

Jubiläum

»Stabiles, gesundes jüdisches Leben«

Mahner gegen Antisemitismus: Vor allem dafür ist der Zentralrat der Juden einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Zu seinen Aufgaben gehört noch mehr. Vor 75 Jahren wurde er gegründet

von Leticia Witte  17.07.2025

Washington D.C.

Möglicher UN-Botschafter Mike Waltz will UNRWA auflösen

Trumps Kandidat für die Vereinten Nationen verspricht, Israel bei der Weltorganisation zu unterstützen

 17.07.2025

Nahost

Irans Präsident gesteht Sicherheitsmängel im Krieg gegen Israel ein

Es ist äußert selten, dass Vertreter des Mullah-Regimes sich in Selbstkritik üben

 17.07.2025