Meinung

Der Tod und der Kritiker

France 2 ist der größte französische Staatssender. TV c’est moi! Er hat jetzt Philippe Karsenty, den Betreiber einer kleinen Internetseite, juristisch zur Strecke gebracht, jahrelang durch alle Instanzen, er hat Medienkampagnen inszeniert, Kollegen bedroht und diffamiert, um einem Privatmann das Maul zu stopfen. Schämt euch, Kollegen!

Warum ist der kleine Blogger so gefährlich, dass man ihn abschalten muss? Er hatte nach der ARD-Dokumentation Drei Kugeln und ein totes Kind von Esther Schapira behauptet, France 2 sei einem Fake aufgesessen, die schockierenden Bilder des Vaters, der mit seinem Kind hinter einem Betonfass Schutz vor den Kugeln israelischer Soldaten sucht, seien eine Inszenierung der palästinensischen Propaganda.

Abwehrschlacht Na und? Ist jemand wie Philippe Karsenty, der Zweifel an der Arbeit von Journalisten hegt, ein Verbrecher? Es sind Zweifel, die dem Autor des Films, dem französischen Starreporter Charles Enderlin, selbst hätten kommen müssen, die er aber des Scoops wegen vom Tisch gewischt hat. Eine fatale Unterlassung.

Hätten France 2 und er am 30. September 2000, als sie die Bilder des kleinen Mohammed Al-Dura exklusiv um die Welt schickten, auch nur ein Quäntchen der Kraft, die sie in die Abwehrschlacht gegen ihre Kritiker gesteckt haben, für die Aufklärung des Falles aufgebracht – sie hätten meine Hochachtung. Keiner von uns ist unfehlbar, keiner hat die Wahrheit gepachtet. Sie aber haben nur einen Zweifler ausgeschaltet und ihn mit 7000 Euro abgewatscht.

Aber es wird ein Pyrrhussieg werden. Andere werden weiter recherchieren. Als wir in einer zweiten ARD-Dokumentation (Das Kind, der Tod und die Wahrheit) nachweisen konnten, dass Mohammed am Ende der Szene noch lebt, anders als Charles Enderlin behauptete (»l’enfant est mort«), als wir nachweisen konnten, dass israelische Schützen nicht infrage kommen, sondern eher palästinensische, und als wir schließlich nachweisen konnten, dass der kleine Junge, der am Abend des 30. September pompös zu Grabe getragen wird, nicht Mohammed sein kann, da verlor der hochdekorierte Kollege jede Contenance.

»Militanten Journalismus« nannte er unsere Recherchen und verschwand in der Kulisse. Kein guter Abgang für einen renommierten Journalisten, der wissen müsste, dass die Wahrheit ein hohes Gut ist, um das wir allerorten ringen müssen. Aber nicht vor Gericht.

Der Autor ist Publizist und Filmautor.

Dortmund

Ermittlungen gegen Wachmann von NS-Gefangenenlager 

Die Polizei ermittelt gegen einen Ex-Wachmann des früheren NS-Kriegsgefangenenlagers in Hemer. Er soll an Tötungen beteiligt gewesen sein - und ist laut »Bild« inzwischen 100 Jahre alt

 22.11.2025

Deutschland

»Völlige Schamlosigkeit«: Zentralrat der Juden kritisiert AfD-Spitzenkandidat für NS-Verharmlosung

Der AfD-Spitzenkandidat aus Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, äußert sich einschlägig in einem Podcast zur NS-Zeit

von Verena Schmitt-Roschmann  21.11.2025

München

»Wir verlieren die Hoheit über unsere Narrative«

Der Publizist und Psychologe Ahmad Mansour warnte in München vor Gefahren für die Demokratie - vor allem durch die sozialen Netzwerke

von Sabina Wolf  21.11.2025

Kommentar

Wenn Versöhnung zur Heuchelei wird

Jenaer Professoren wollen die Zusammenarbeit ihrer Universität mit israelischen Partnern prüfen lassen. Unter ihnen ist ausgerechnet ein evangelischer Theologe, der zum Thema Versöhnung lehrt

von Tobias Kühn  21.11.2025

Kommentar

Martin Hikel, Neukölln und die Kapitulation der Berliner SPD vor dem antisemitischen Zeitgeist

Der bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln ist abgestraft worden - weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Gespräch

»Der Überlebenskampf dauert an«

Arye Sharuz Shalicar über sein neues Buch, Israels Krieg gegen den palästinensischen Terror und die verzerrte Nahost-Berichterstattung in den deutschen Medien

von Detlef David Kauschke  21.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  21.11.2025

Deutschland

»Hitler ist niedergekämpft worden. Unsere Städte mussten in Schutt und Asche gelegt werden, leider«

Militanter Linker, Turnschuhminister, Vizekanzler und Außenminister: Das sind die Stationen im Leben des Grünenpolitikers Joschka Fischer. Warum er heute vom CDU-Kanzler Konrad Adenauer ein anderes Bild als früher hat

von Barbara Just  21.11.2025

Berlin

Bundesinnenministerium wechselt Islamismusberater aus

Beraterkreis statt Task Force: Die schwarz-rote Bundesregierung setzt einen anderen Akzent gegen islamistischen Extremismus als die Ampel. Ein neues Expertengremium, zu dem auch Güner Balci gehören wird, soll zunächst einen Aktionsplan erarbeiten

von Alexander Riedel  21.11.2025