Einspruch

Das syrische Risiko

Der »Arabische Frühling«, im Westen anfangs romantisch idealisiert, droht, in Blut und Chaos zu ersticken. Syriens Despot Baschar al-Assad wird den Krieg gegen die eigene Bevölkerung trotz des stärker werdenden internationalen Drucks kaum einstellen – weiß er doch, dass vage Zugeständnisse an die geschundene Opposition seine Haut längst nicht mehr retten können.

Welche Kräfte nach ihm das Sagen haben würden, ist indes völlig ungewiss. Ein Blick nach Ägypten und Tunesien stimmt diesbezüglich wenig zuversichtlich. Tendenzen zur Restauration der alten Diktatur verbinden sich dort mit dem Vordringen des Islamismus, dem die viel beschworenen »säkularen Liberalen« kaum etwas entgegenzusetzen haben. Und aus der verzweifelten ökonomischen und sozialen Lage der genannten Länder ist kein Ausweg erkennbar.

Demokratie Bessere Zukunftschancen hätte dank seines Ölreichtums Libyen. Doch der mörderische Gaddafi-Clan krallt sich zäh an die Macht, und erste Friktionen im Lager der Rebellen zeigen, dass auch hier die Zeit danach kaum ein Selbstlauf zur Demokratie werden dürfte. Ausgerechnet in dieser Lage ist der Westen vollauf mit sich und seiner verheerenden Finanzkrise beschäftigt, die USA fallen als aktiver Ordnungsfaktor in der Region weitgehend aus.

Für Israel ergibt das eine zwiespältige Perspektive. Assads Sturz wäre ein herber Rückschlag für Jerusalems Hauptfeind, den Iran, und für dessen Handlanger, die libanesische Hisbollah. Doch wusste man stets, woran man mit dem syrischen Baath-Regime war – nun aber könnte das Verschwinden eines berechenbaren Feinds unkalkulierbare extremistische Kräfte nach oben spülen. Immerhin verschafft die bedrohliche Unübersichtlichkeit Israel eine Atempause von internationaler Dauerdenunziation. Angesichts so vieler explosiver Konflikte in der Region schrumpft – nicht nur im Westen – der Eifer, auf das prosperierende, freiheitliche Israel einzudreschen.

Der Autor ist Politischer Korrespondent der »Welt« und der »Welt am Sonntag«.

München

»Wir verlieren die Hoheit über unsere Narrative«

Der Publizist und Psychologe Ahmad Mansour warnte in München vor Gefahren für die Demokratie - vor allem durch die sozialen Netzwerke

von Sabina Wolf  21.11.2025

Kommentar

Wenn Ideologen mehr zu wissen scheinen als Expertinnen

Der Antisemitismusbekämpfer und bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Martin Hikel, ist abgestraft worden - weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  21.11.2025

Deutschland

»Hitler ist niedergekämpft worden. Unsere Städte mussten in Schutt und Asche gelegt werden, leider«

Militanter Linker, Turnschuhminister, Vizekanzler und Außenminister: Das sind die Stationen im Leben des Grünenpolitikers Joschka Fischer. Warum er heute vom CDU-Kanzler Konrad Adenauer ein anderes Bild als früher hat

von Barbara Just  21.11.2025

Berlin

Bundesinnenministerium wechselt Islamismusberater aus

Beraterkreis statt Task Force: Die schwarz-rote Bundesregierung setzt einen anderen Akzent gegen islamistischen Extremismus als die Ampel. Ein neues Expertengremium, zu dem auch Ahmad Mansour gehören wird, soll zunächst einen Aktionsplan erarbeiten

von Alexander Riedel  21.11.2025

TV-Kritik

Allzu glatt

»Denken ist gefährlich«, so heißt eine neue Doku über Hannah Arendt auf Deutsch. Aber Fernsehen, könnte man ergänzen, macht es bequem - zu bequem. Der Film erklärt mehr als dass er zu begeistern vermag

von Ulrich Kriest  21.11.2025

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  21.11.2025 Aktualisiert

Vor 80 Jahren

Zentralrat der Juden: Nürnberger Prozesse waren Wendepunkt

Es waren hochrangige NS-Kriegsverbrecher, die vor 80 Jahren in Nürnberg vor Gericht standen. Was diese Prozesse aus Sicht des Zentralrats der Juden bedeuten - auch heute

von Leticia Witte  21.11.2025

Paris

EJC warnt vor wachsender Radikalisierung junger Menschen im Netz

»Hass ist viral gegangen«, sagt Moshe Kantor, der Präsident der Organisation

 21.11.2025