Meinung

Das Dilemma der Diaspora

Die Einschläge kommen näher. Nach Grass und dem Beschneidungsstreit erleben wir mit der Augstein-Kontroverse jetzt die dritte große Antisemitismusdebatte in Deutschland binnen eines Jahres. Und es wird nicht die letzte sein. Das nach der Schoa verhängte Tabu gegen Judenfeindlichkeit wirkt nicht mehr. In Zukunft werden wir uns auf weitere und noch bösartigere Angriffe einstellen müssen.

Mit anderen Worten: Wir kehren zur Normalität der Diaspora zurück. Juden als Minorität waren immer dem Misstrauen der Mehrheitsgesellschaft ausgesetzt. In wenigen Wochen werden wir an Purim Hamans Worte an den König von Persien wieder lesen: »Es gibt ein Volk, dessen Gesetze sind anders als die aller Völker, aber die Gesetze des Königs üben sie nicht.«

So oder so ähnlich lautet der Vorwurf an die Juden in der Galut von jeher, mal offen ausgesprochen, mal implizit. Bis heute und nicht nur in Deutschland. »Vor Antisemitismus ist man nur auf dem Mond sicher«, hat Hannah Arendt einmal ironisch-resigniert geschrieben.

zionismus Dort oder in Israel. Der jüdische Staat ist die Konsequenz aus der Erkenntnis, dass gegen Judenhass kein Kraut gewachsen ist und man vor ihm letztendlich nur auf eigenem Boden gefeit ist. In einem Punkt jedoch ist der Zionismus gescheitert: Statt, wie erwartet und erhofft, Heimstatt aller Juden zu werden, ist Eretz Israel nur eine Option jüdischen Lebens unter mehreren. Eine knappe Mehrheit der Kinder Israels lebt weiterhin in der Zerstreuung – freiwillig, manche auch bewusst.

Das macht sie nicht, wie einige rabiate Zionisten meinen, zu schlechteren Juden. Die diasporische Existenz ist eine legitime Daseinsform. Wer sie wählt, darf sich aber nicht über die unvermeidlichen Begleiterscheinungen wundern. Das heißt nicht, dass wir uns hier nicht mit aller Vehemenz wehren sollten und müssen, wenn wir angegriffen werden. Im Gegenteil. Das gebietet schon die Ehre.

Aber man sollte aufhören, über Antisemitismus zu wehklagen. Das ist erstens würdelos, und zweitens bringt es nichts. Ebenso gut kann man sich beschweren, dass es im Winter kalt ist. Besser, man zieht sich warm an – oder wechselt in eine andere Klimazone. Für uns alle aber, die hier bleiben, gilt, was Hyman Roth in Der Pate II zu Michael Corleone sagt: »Das ist das Leben, das wir uns ausgesucht haben.«

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

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Stuttgart

Polizei plant Großeinsatz bei Maccabi-Spiel

Vor den Europa-League-Auftritten gegen Maccabi Tel Aviv sind der VfB Stuttgart und der SC Freiburg alarmiert. Ein Fan-Ausschluss wie zuletzt in Birmingham ist momentan nicht geplant

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Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  19.11.2025

Kommentar

Danke, Berlin!

Die Entscheidung der Behörden, einem Hamas-Fanboy die Staatsbürgerschaft zu entziehen, sendet ein unmissverständliches und notwendiges Signal an alle Israelhasser. Mit Mahnwachen allein können wir die Demokratie nicht verteidigen

von Imanuel Marcus  19.11.2025

München

LMU sagt Veranstaltung zu palästinensischer Wissenschaft ab

Die Universität verwies in ihrer Stellungnahme darauf, dass es erhebliche Zweifel gegeben habe, »ob es sich um eine wissenschaftliche Veranstaltung auf dem erforderlichen Niveau gehandelt hätte«

 19.11.2025

Internet

Expertin: Islamisten ködern Jugendliche über Lifestyle

Durch weibliche Stimmen werden auch Mädchen von Islamistinnen verstärkt angesprochen. Worauf Eltern achten sollten

 19.11.2025

Portrait

Die Frau, die das Grauen dokumentieren will

Kurz nach dem 7. Oktober 2023 gründete die israelische Juristin Cochav Elkayam-Levy eine Organisation, die die Verbrechen der Hamas an Frauen und Familien dokumentiert. Unser Redakteur sprach mit ihr über ihre Arbeit und ihren Frust über die Vereinten Nationen

von Michael Thaidigsmann  19.11.2025

Religion

Rabbiner: Macht keinen Unterschied, ob Ministerin Prien jüdisch ist

Karin Priens jüdische Wurzeln sind für Rabbiner Julian-Chaim Soussan nicht entscheidend. Warum er sich wünscht, dass Religionszugehörigkeit in der Politik bedeutungslos werden sollte

von Karin Wollschläger  19.11.2025

Riad/Istanbul

Scheinbar doch kein Treffen zwischen Witkoff und Hamas-Führer

Es geht um die Umsetzung der nächsten Schritte des Trump-Plans. Den zentralen Punkt der Entwaffnung der Hamas lehnt die Terrororganisation ab

 19.11.2025 Aktualisiert