Wuligers Woche

Danke, Merkel!

Die Verbundenheit mit der jüdischen Gemeinschaft haben alle Kanzler der Bundesrepublik betont. Angela Merkel habe ich es geglaubt. Foto: imago

Die Ära Merkel geht angeblich, wenn man den Medien glaubt, zu Ende. Der »Spiegel« zeigt auf seinem Cover diese Woche die zur charakteristischen Raute geformten Hände der Kanzlerin als fast schon leere Sanduhr. Nun sind Titelblätter des Hamburger Magazins nicht unbedingt die verlässlichsten politischen Indikatoren.

Ich erinnere mich an mindestens ein halbes Dutzend »Spiegel«-Vorderseiten aus den 80er- und 90er-Jahren, die den unmittelbar bevorstehenden Sturz Helmut Kohls vorhersagten. Der Mann aus Oggersheim hat sie, wie vieles andere, souverän ausgesessen. Gut möglich also, dass auch diesmal die Journalisten voll daneben liegen und Angela Merkel weiter regiert. Ich würde es mir wünschen.

Verbundenheit Da aber nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung selbst deutsche Medien zufällig einmal recht haben könnten, ist nicht auszuschließen, dass demnächst tatsächlich jemand anderes in Berlin regieren könnte. Für diesen Fall wäre ein Dank fällig. Nie haben wir eine bessere Freundin im Kanzleramt gehabt. Die Verbundenheit mit der jüdischen Gemeinschaft haben alle Regierungschefs der Bundesrepublik betont.

Angela Merkel habe ich es geglaubt. Wenn die Kanzlerin von den moralischen Verpflichtungen Deutschlands aus der Geschichte redete, klang das niemals floskelhaft oder pathetisch. Sie sprach es als nüchterne Selbstverständlichkeit aus. Auch ihr berühmter Satz in der Knesset 2008, dass die Sicherheit Israels Teil der deutschen Staatsräson ist, kam, wie es Merkels Art ist, als sachliche Aussage daher und war deshalb so glaubhaft.

Und sie beließ es nicht bei bloßen Worten. Als der CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann 2003 eine – aus juristischen Gründen hier vorsichtig ausgedrückt – als antisemitisch empfundene Rede hielt, in der er unter anderem im Zusammenhang mit dem Terror der russischen Revolution von den Juden als »Tätervolk« schwadronierte, sorgte Angela Merkel als CDU-Parteivorsitzende dafür, dass Hohmann, gegen erheblichen Widerstand aus Partei und Fraktion, aus der Union ausgeschlossen wurde.

afd Das war ein einmaliger Akt in der deutschen Parteien- und Parlamentsgeschichte. Auf die Trennung von judenfeindlichen Abgeordneten warten wir bei anderen Bundestagsfraktionen immer noch. Hohmann sitzt derweil seit diesem Jahr wieder im Bundestag, jetzt für die AfD.

Auch keine Selbstverständlichkeit war, dass die Kanzlerin 2014, nach antisemitischen Demonstrationen und Übergriffen im Gefolge des damaligen Gaza-Krieges, in Berlin auf einer Kundgebung des Zentralrats der Juden in Deutschland gegen Antisemitismus auftrat und sprach. Nicht viele Regierungschefs westlicher Länder haben bei vergleichbaren Vorkommnissen dieselbe Konsequenz gezeigt.

Angela Merkel ist für die jüdische Gemeinschaft in Deutschland ein Glücksfall. Glück kommt im Leben selten vor. Man sollte, wenn man es ausnahmsweise einmal hat, sein Bestes tun, es zu erhalten.

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025

Extremismus

Beobachtungsstelle: Tausende christenfeindliche Straftaten in Europa

Europa gilt immer noch als christlicher Kontinent. Doch Experten warnen: Christen sind von einem Klima wachsender Intoleranz bedroht. Auch in Deutschland muss die Lage Besorgnis erregen

 16.11.2025

Deutschland

Auktion von Besitztümern von NS-Opfern abgesagt

Im Online-Katalog waren unter anderem Dokumente und Post von NS-Verfolgten aus Konzentrationslagern sowie Täterpost zu finden

 16.11.2025 Aktualisiert

Meinung

Mit Martin Hikel geht einer, der Tacheles redet

Der Neuköllner Bürgermeister will nicht erneut antreten, nachdem ihm die Parteilinke die Unterstützung entzogen hat. Eine fatale Nachricht für alle, die sich gegen Islamismus und Antisemitismus im Bezirk einsetzen

von Joshua Schultheis  16.11.2025

Berlin

Merz verspricht Schutz jüdischen Lebens in Deutschland

Bei der diesjährigen Verleihung des Preises für Verständigung und Toleranz im Jüdischen Museum Berlin an Amy Gutmann und David Zajfman gab Bundeskanzler Friedrich Merz ein klares Versprechen ab

 16.11.2025

Meinung

Die Ukrainer brauchen unsere Hilfe

Die Solidarität mit ukrainischen Geflüchteten in Deutschland nimmt ab. Aus einer jüdischen Perspektive bleibt es jedoch wichtig, auch weiterhin nicht von ihrer Seite abzuweichen

von Rabbinerin Rebecca Blady  16.11.2025

Berlin

Angriff auf Leiter deutsch-arabischer Schule in Neukölln

Al-Mashhadani gilt als Kritiker islamistischer Netzwerke und setzt sich für einen arabisch-israelischen Austausch ein

 15.11.2025

Debatte

»Hitler hatte eine unentdeckte genetische sexuelle Störung«

Eine neue britische Dokumentation über Adolf Hitler sorgt für Diskussionen: Kann die Analyse seiner DNA Aufschluss über die Persönlichkeit des Massenmörders geben?

 15.11.2025

Deutschland

Auschwitz-Komitee: Geplante Auktion ist schamlos 

Ein Neusser Auktionshaus will einen »Judenstern« und Briefe von KZ-Häftlingen und deren Angehörigen versteigern. Das internationale Auschwitz-Komitee reagiert

 15.11.2025