Mascha Malburg

»Compact«-Verbot: Faesers Wellenbrecher

Mascha Malburg Foto: Marco Limberg

»Beim Verbinden mit www.compact-online.de trat ein Fehler auf.« Seit Dienstag ist die Website des rechtsextremen Magazins nicht mehr erreichbar.  Das Bundesinnenministerium hat die Zeitschrift verboten, seinen Onlineformaten den Stecker gezogen und Einnahmen konfisziert, mit sofortiger Wirkung.

In der Frühe öffnete der noch zerzauste Chefredakteur Jürgen Elsässer im Morgenmantel die Tür seiner weißen Villa – schwer bewaffnete Polizisten standen davor, bereit zur Hausdurchsuchung. Die Szene haben professionelle Fotografen festgehalten – wie schon bei der Razzia gegen die selbsternannten Reichsbürger hat Faesers Ministerium ausgewählte Pressevertreter offenbar vorab informiert.

Doch nicht nur wegen dieser angeblichen Medienshow steht die Aktion der Innenministerin in der Kritik: Aus ihrem Haus hagele es nur Verbote, heißt es, Meinungen, die eine Demokratie aushalten müsse, würden kriminalisiert. Manche sehen schon die Diktatur am Horizont: Wer oppositionelle Medien verbiete, ebne diesen Weg auch für kommende Regierungen, fürchten selbst diejenigen, die Elsässers Inhalte abscheulich finden.

Lesen Sie auch

Nun lässt das Verbot eines Medienunternehmens zurecht die Alarmglocken schrillen. Mit gutem Grund ist im Artikel 5 des Grundgesetzes festgehalten: »Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten.« In den letzten Jahren wurden zwar kleinere radikale Blogs, nie aber ein Medium mit einer solchen Reichweite verboten.

Doch wurde hier tatsächlich die Pressefreiheit beschnitten? Wer sich das Unternehmen hinter der Compact-Zeitschrift genauer ansieht - so wie es der Verfassungsschutz seit vielen Jahren getan hat-, erkennt nicht nur ein Medium mit leider kaum zu verbietenden Meinungen. Sondern ein Netzwerk, das Altnazis mit den neuen Rechten verbindet, und »antisemitische, rassistische, minderheitenfeindliche, geschichtsrevisionistische und verschwörungstheoretische Inhalte« nicht nur verbreitet, sondern über die radikalsten Köpfe der AfD politisch umsetzen will.

Chefredakteur Jürgen Elsässer plante in den letzten Jahren ganz gezielt Kampagnen, um an der »Entmachtung der Altparteien« mitzuwirken: Zuletzt mit der Veranstaltungsreihe »Blaue Welle«, die seit März durch Ostdeutschland schwappt: Vor den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen sollte hier ordentlich Stimmung für die AfD gemacht werden.

Elsässer will aber nicht einfach nur mehr Prozentpunkte für die Rechtsextremen, er träumt von einem vom Westen der Republik abgespaltenen Ostdeutschland, in dem Björn Höcke als »Reichskanzler« waltet und der (selbst der AfD zu radikale) André Poggenburg als »Reichskommissar für Inneres und Bandenbekämpfung« für Ordnung sorgt.

Gegen solche Pläne vorzugehen, macht die Demokratie erst wehrhaft. Dass dabei eine Zeitschrift aus den Kiosken und dem Netz verschwindet, die wohl kaum das Wort »Presse« verdient, sondern, so Faeser, Hetze »gegen Jüdinnen und Juden, gegen Menschen mit Migrationsgeschichte und gegen unsere parlamentarische Demokratie« betrieb, ebnet auch nicht der Diktatur den Weg. Wenn überhaupt, verhindert sie eine.

Jürgen Elsässer wollte, so hat er es selbst geschrieben, dass die blaue Welle zum Tsunami wird. Nun hat Faeser vorerst einen Wellenbrecher errichtet. Doch die politische See bleibt auch ohne Compact blau-braun und stürmisch.

Berlin

Gericht vertagt Verhandlung über Lahav Shapiras Klage gegen Freie Universität

Warum die Anwältin des jüdischen Studenten die Entscheidung der Richter trotzdem als großen Erfolg wertet. Die Hintergründe

 15.07.2025 Aktualisiert

Berlin

Vor 90 Jahren: Antisemitische Ausschreitungen am Kudamm

Am 15. Juli 1935 griff bei diesem Pogrom ein Nazi-Mob jüdische Passanten an. Zahlreiche Menschen wurden verletzt

 15.07.2025

Andenken

Berliner SPD: Straße oder Platz nach Margot Friedländer benennen

Margot Friedländer gehörte zu den bekanntesten Zeitzeugen der Verbrechen der Nationalsozialisten. Für ihr unermüdliches Wirken will die Berliner SPD die im Mai gestorbene Holocaust-Überlebende nun sichtbar ehren

 15.07.2025

Menlo Park

Zuckerberg kündigt riesige KI-Rechenzentren an

Der Facebook-Gründer will bei Künstlicher Intelligenz vorn liegen. Dafür nimmt er hunderte Milliarden Dollar in die Hand

 15.07.2025

München

Angriff auf Juden: Marokkaner muss ins Gefängnis

Das Verbrechen ereignete sich vor einem Jahr in der Münchner Innenstadt

 15.07.2025

Berlin

Organisationen unterstützen Lahav Shapiras Klage gegen die Freie Universität

Die Klage sei von »grundsätzlicher Bedeutung für alle Studierenden«, sagt etwa der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt

 15.07.2025

Untersuchung

BBC verletzte Sorgfaltspflicht mit Gaza-Doku

Wie sich herausstellt, ist der jugendliche Erzähler in einer BBC-Doku der Sohn eines Hamas-Vertreters. Das sorgt für heftige Kritik. Es ist nicht der einzige Fall, bei dem Sender schlecht aussieht

 15.07.2025

Judenhass

AJC Berlin: »Pro-palästinensische« Demos erinnern an Querdenker

Israelfeindliche Demonstranten und Querdenker? Aus Sicht des Direktors des American Jewish Committee gibt es da durchaus Gemeinsamkeiten. Was er jetzt von der deutschen Zivilgesellschaft erwartet

von Johannes Peter Senk  14.07.2025

Medien

Die Deutsche Welle und Israel: Mitarbeiter werfen ihrem Sender journalistisches Versagen vor

Die Hintergründe

von Edgar S. Hasse  14.07.2025