»Mein Kampf«

Bestseller Hitler

Verkaufsschlager mit 3700 Fußnoten: Adolf Hitlers Pamphlet in der von Historikern besorgten kritischen Ausgabe Foto: dpa

Wer in der Meyerschen Buchhandlung in Bochum nach der kritischen Edition von Hitlers Mein Kampf sucht, wird nicht fündig. Weder in der Geschichtsabteilung noch in dem Regal, in dem die »Spiegel«-Bestellerliste präsentiert wird, findet sich das Buch, das es dort zeitweilig auf Platz vier geschafft hatte. »Wir haben Mein Kampf nicht ausliegen«, sagt die Buchhändlerin.

»Wer es haben will, muss es bestellen.« Man will keine Leute im Haus haben, die »nach besonders harten Stellen blättern«. In keiner der 43 Filialen der großen Buchhandelskette in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz liegt das Werk auf dem Ladentisch.

verkauf Die Meyersche ist eine Ausnahme unter den deutschen Buchhandlungen. Das sagt auch Simone Paulmichl vom Institut für Zeitgeschichte (IfZ) in München, dessen Historiker das Buch herausgegeben haben: »Wir haben hier noch keine abschließende Statistik, aber ein Großteil der Auflage ist an den stationären Buchhandel gegangen.« Beim Versandhändler Amazon beispielsweise könne man das Werk erst seit Kurzem regulär beziehen. »Die Leute haben sich das Buch also nicht irgendwie anonym im Internet bestellt«, sagt Paulmichl, »sondern haben das meistens bei ihrem Buchhändler vor Ort gekauft.«

Und zwar oft: Bislang 78.000 Kunden erwarben das fast 2000 Seiten dicke Werk, das zum großen Teil aus Kommentaren und Anmerkungen besteht und mehr als doppelt so umfangreich ist wie das Original aus den 20er-Jahren. Mit 59 Euro bringt es auch preislich nicht die besten Voraussetzungen für einen Bestseller mit.

Vom Erfolg seiner Edition ist auch das IfZ überrascht: »Wir freuen uns natürlich sehr, dass unser Projekt einerseits in der Wissenschaft auf ein sehr positives Echo gestoßen ist, wir aber andererseits damit auch ein großes Publikum außerhalb der reinen Fachwelt erreichen.« Ziel sei immer gewesen, einen Beitrag zur politisch-historischen Bildung zu leisten und eine kritische Auseinandersetzung mit Hitlers Propaganda zu ermöglichen.

Nazis hätten auf die IfZ-Edition nicht warten müssen, wehrt man sich beim Institut gegen einen populären Vorwurf: »Jeder Neonazi, der Mein Kampf haben wollte, konnte sich das schon längst antiquarisch oder über das Internet besorgen.«

Adrian Preißinger, vorbestrafter Rechtsextremist und Inhaber des Leipziger Verlags »Der Schelm«, sieht das anders. Im unter der Adresse volkstod.com zu erreichenden Onlineshop seines Verlages nimmt er bereits Vorbestellungen für Hitlers Originaltext von Mein Kampf, den er als »wissenschaftlichen Quellentext« bezeichnet, entgegen. Wer nicht so lange warten will, bis Preißinger Hitlers Werk endlich verlegt, kann sich derweil mit Titeln wie Der staatsfeindliche Zionismus von Alfred Rosenberg oder Knorke. Ein neues Buch Isidor für Zeitgenossen, herausgegeben von Joseph Goebbels, versorgen lassen.

Das Vorwort zu Preißingers Mein-Kampf-Fassung soll von dem in Australien lebenden und ebenfalls vorbestraften Holocaustleugner Fredrick Toben stammen. Nachdem die »Bild«-Zeitung über die Pläne des Verlags berichtet hatte, beschimpfte Preißinger »Bild«-Chefreporter Hans-Wilhelm Saure in einer Mail, er und die »Platzhirsche der Juden-Lobby in der brddr« würden so verfahren: »Die Oberjidden schmeißen das Stöckchen – Journaillisten, Politiker, das Bayerische Justizministerium und die Generalstaatsanwaltschaft von Bamberg (Oberfranken) apportieren brav ...« Die Staatsanwaltschaft Bamberg hat Ermittlungen wegen des geplanten Nachdrucks eingeleitet.

ermittlungen Überhaupt ist unsicher, ob die Rechnung Preißingers aufgeht. Das nordrhein-westfälische Justizministerium teilt mit, dass der Beschluss der Justizministerkonferenz aus dem Jahr 2014, die unkommentierte Fassung von Mein Kampf als volkverhetzende Schrift zu behandeln, nach wie vor gültig ist. Und das ist er nicht nur auf dem Papier: Gegen eine bayerische Buchhändlerin ermittelt der Staatsschutz, weil sie online für die Originalversion von Mein Kampf warb.

Auch Preißinger hat schon vor Erscheinen seiner Ausgabe Probleme: Nachdem bekannt wurde, dass er das Hitler-Buch herausbringen will, kündigte der Online-Bezahldienst PayPal die Geschäftsbeziehungen zu seinem Verlag.

Ostdeutschland

Zentralrat warnt vor AfD-Regierung: »Echte Gefahr für jüdisches Leben«

Der Präsident des Dachverbands der jüdischen Gemeinden sieht in den hohen Umfragewerten der AfD zehn Monate vor den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt einen »Weckruf«

von Joshua Schultheis  05.11.2025

Berlin

Dobrindt verbietet islamistische Vereinigung Muslim Interaktiv

Zudem laufen gegen die Vereine Generation Islam und Realität Islam vereinsrechtliche Ermittlungen

von Martina Herzog  05.11.2025 Aktualisiert

Medien

So erzeugt man einen gefährlichen Spin

Wie das Medienunternehmen »Correctiv« den Versuch unternimmt, die Arbeit des israelischen Psychologen Ahmad Mansour fragwürdig erscheinen zu lassen

von Susanne Schröter  05.11.2025

USA

Sozialist Mamdani wird neuer Bürgermeister von New York

Die Demokraten-Hochburg New York bekommt einen neuen Bürgermeister

 05.11.2025

Judenhass

Berlin-Kreuzberg: Antisemitische Parolen in Schule - Lehrerin angespuckt

Die Hintergründe

 04.11.2025

Meinung

Wenn deutsche Linke jüdische Selbstbestimmung ablehnen

In einer Resolution delegitimiert die Linksjugend Israel als koloniales, rassistisches Projekt. Dabei ist der Staat der Juden nicht zuletzt eine Konsequenz aus den Verbrechen der Deutschen im Nationalsozialismus

von Frederik Schindler  04.11.2025

Auswärtiges Amt

Deutschland entschärft Reisehinweise für Israel

Nach Beginn des Gaza-Krieges hatte das Auswärtige Amt vor Reisen in Teile Israels gewarnt. Dies gilt so nicht mehr. Der Außenminister begründet das mit gewachsenem Vertrauen in den Friedensprozess

 04.11.2025

Würdigung

Margot Friedländer wird mit Sonderbriefmarke geehrt

Wie das Finanzministerium mitteilte, war die Sonderbriefmarke für Friedländer ein »besonderes Anliegen« von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil

 04.11.2025

Jerusalem

Nach Eklat in Jerusalem: Westfälische Präses setzt auf Dialog

Projekte, Gedenkorte und viele Gespräche: Die Theologin Ruck-Schröder war mit einer Delegation des NRW-Landtags fünf Tage in Israel und im Westjordanland. Angesichts der Spannungen setzt sie auf dem Weg zur Verständigung auf Begegnungen und Dialog

von Ingo Lehnick  04.11.2025