Nahost

»Besorgt über mögliche Folgen«

Bijan Djir-Sarai, Außenpolitischer Sprecher der FDP‐Fraktion im Bundestag Foto: Bernhardt Link -Farbtonwerk

Herr Djir-Sarai, Sie haben die gezielte Tötung des iranischen Militärs Qassem Soleimani durch US-Kräfte im Irak mit dem Angriff auf den Terrorführer Osama bin Laden verglichen. Welche Konsequenzen wird dieser Schritt haben?
Bin Laden war zum Zeitpunkt seines Todes offiziell Chef von Al Qaida, aber er war weitestgehend isoliert. Qassem Soleimani war der Chef der Al-Quds-Brigade, der in den vergangenen Jahren die iranische Außenpolitik in der Region umgesetzt hat. Die Tragweite ist weitaus größer.

Was haben Sie zuerst gedacht, als Sie vom Tod Soleimanis gehört haben?
Ich war überrascht von diesem Schritt. Die iranischen Revolutionsgarden sind eine Terrororganisation. Deshalb war und bin ich außerordentlich besorgt über die möglichen Folgen dieser Aktion, die natürlich schon der militärischen Logik der vergangenen Monate gefolgt ist.

Was bedeutet das für die Region, insbesondere für Israel?
Qassem Soleimani war kein Held, sondern der Henker vieler unschuldiger Menschen. Sein Hauptantrieb war die Vernichtung Israels. Sein Tod bedeutet auch, dass die koordinierte und geplante Ausübung von iranischem Terror gegen Israel jetzt erschwert wird. Dennoch ist seine Eliminierung ein Funke im Pulverfass, und wir haben bereits militärische Gegenschläge seitens des Iran gesehen. Neben amerikanischen Einrichtungen in der Region müssen daher jetzt besonders jüdische Einrichtungen – auch in Deutschland – geschützt werden.

Sehen Sie noch Chancen für das Atomabkommen (JCPOA)?
Nein. Das Abkommen war ursprünglich ein Verhandlungserfolg der Diplomatie. Dennoch wurden darin von jeher wichtige Komponenten ausgespart. Es war nie perfekt, und es ist faktisch seit dem Ausstieg der USA tot. Über die ständige Betonung des Festhaltens an dem Abkommen durch die Bundesregierung lacht sich das iranische Regime doch ins Fäustchen. Das ist deutsche und europäische Realitätsverweigerung. Die EU hätte auch die Bedenken der US-Administration aufgreifen und darauf drängen müssen, dass zusätzliche Abkommen zustande kommen: über das iranische Raketenprogramm und die Rolle des Iran in der Region.

Das irakische Parlament hat den Abzug aller ausländischen Truppen gefordert. Was bedeutet das für die Bundeswehrmission?
Man muss Realpolitiker bleiben. Wenn ein Staat nicht will, dass westliche Kräfte dort sind, kann das auch Deutschland nicht ignorieren. Andere werden diese Lücke füllen. Das wird dazu führen, dass der Iran im Irak erst einmal noch stärker wird als bisher. Darüber muss man sich im Klaren sein. Jetzt ist es zunächst gut, dass die Bundeswehrmission ruht und unsere Soldatinnen und Soldaten während des Wartens, wie es weitergeht, nicht in der Nähe Bagdads ausharren müssen.

Mit dem im Iran geborenen außenpolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion sprach Ayala Goldmann.

Essay

Ausweg Palästina

Große Teile der Linken sind mit der Komplexität der Gegenwart überfordert. Orientierung suchen sie ausgerechnet im Hass auf den jüdischen Staat. Mit progressiver Politik hat das wenig zu tun

von Jessica Ramczik, Monty Ott  13.09.2025

Sachsenhausen

120 Minuten Holocaust

Angesichts des grassierenden Antisemitismus sollen Schüler zum Besuch einer NS-Gedenkstätte verpflichtet werden. Doch was kann eine Führung vor Ort tatsächlich bewirken?

von Mascha Malburg  13.09.2025

Brüssel

»Gegen EU-Grundwerte«: Kommission verurteilt Festival

Eine Sprecherin der Europäischen Kommission hat den Boykott der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani in die Nähe von Antisemitismus gerückt und scharf verurteilt

von Michael Thaidigsmann  12.09.2025

Belgien

»Ruf unseres Landes beschmutzt«: Premier rügt Gent-Festival

Premier Bart de Wever kritisiert die Leiter eines belgischen Festivals dafür, die Münchner Philharmoniker und ihren Dirigent Lahav Shani ausgeladen zu haben

 12.09.2025

Berlin

Humboldt-Universität will gegen Antisemitismus vorgehen

Präsidentin Julia von Blumenthal sieht ihre Hochschule für künftige Auseinandersetzungen rund um den Nahost-Konflikt gut vorbereitet

von Lukas Philippi  12.09.2025

Kommentar

Die Genozid-Lüge

Wie die Hamas nach dem 7. Oktober vom Täter zum Opfer wurde – und Israel zur Verkörperung des Bösen schlechthin

von Stephan Lehnstaedt  12.09.2025

Nachkriegsjustiz

Verhandlung über Massenmord: Vor 80 Jahren begann der Belsen-Prozess

Fünf Monate nach der Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen erhob ein britisches Militärgericht in Lüneburg Anklage gegen die Täter. In einer Turnhalle begann damit vor 80 Jahren der erste große NS-Kriegsverbrecherprozess in Deutschland

von Karen Miether  12.09.2025

Belgien

Deutsche Botschaft beendet Partnerschaft mit Gent-Festival

Die Deutsche Botschaft in Brüssel hat nach der Ausladung der Münchner Philharmoniker ihre Zusammenarbeit mit dem Flandern-Festival in Gent eingestellt

von Michael Thaidigsmann  11.09.2025

Debatte

Zentralrat: Ausladung Shanis ist »fatales Signal«

Wer einen Künstler aufgrund seiner Staatsangehörigkeit oder seiner jüdischen Religion ausgrenzt und diskreditiert, trete die Demokratie mit Füßen

 11.09.2025