Meinung

Berlusconis KZ-Vergleiche

Ein paar Mal wurde er schon »Clown« genannt, doch ein Dummkopf ist Silvio Berlusconi nicht. Einen Großteil seiner Popularität verdankt der frühere italienische Premierminister einer Reihe von peinlichen Fauxpas: Meistens sind das Sexgeschichten, aber manchmal stolpert »Il Cavaliere« auch über seine ganz persönliche Interpretation der Nachkriegsgeschichte.

kalkül Als Berlusconi aber am Wochenende den SPD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Martin Schulz, angriff, war das kein Fehler. Wohlüberlegt sagte er: »Für die Deutschen haben die KZs ja nie existiert!« Das Kalkül des verurteilten Steuerbetrügers ist es, seine kränkelnde Partei Forza Italia, für die er laut Gerichtsbeschluss nicht kandidieren darf, aufzupeppen.

Umfragen zeigen nämlich, dass Forza Italia derzeit nur die drittstärkste Kraft ist, ja, dass Italien auf dem Weg zu einem Zweiparteiensystem ist. Die italienische Rechte setzt auf Anti-Euro-Rhetorik, aber alle wissen, dass Berlusconi nicht für das Ende des Euros eintritt. Trotz seiner Abneigung gegen Angela Merkel würde er eher für deren Spitzenkandidaten, Jean-Claude Juncker, stimmen. Also muss Berlusconi seine Partei, die zwar rechts, aber nicht antieuropäisch ist, anders positionieren.

nazi Zu diesem Zweck holt Berlusconi die gute alte »Nazi«-Beleidigung aus dem Schrank: Indem er Martin Schulz beschimpft, will er seine Partei als starke rechte Kraft etablieren. Die Deutschen aber sind so sehr von Berlusconis Bemerkungen über KZs gekränkt, dass sie den Aspekt, dass es gegen die Linke geht, gar nicht gehört haben. »Wer die Linke wählt, stimmt für Herrn Schulz, einen Mann, der unser Land nicht leiden kann«, hatte Berlusconi hinzugefügt.

Berlusconis Beleidigungen finden zwar zur Europawahl statt, haben aber mit Europa nichts zu tun. Sein Problem heißt Italien. Weil in den vergangenen Jahren die wirtschaftlichen Interessen Italiens Merkels und Schäubles Fiskalpolitik entgegenstanden, setzt Berlusconi bei diesen Wahlen ganz auf die italienische – und das heißt auch: antideutsche – Karte. Mit seinen Bemerkungen über Vernichtungslager will er zudem ungefragt eine projüdische Position vertreten, weil er glaubt, dass das in Europa gerade modern ist. Vielleicht hat sich Berlusconi hier ja von seinem guten Freund Putin anregen lassen.

Der Autor ist freier Journalist in Berlin und berichtet unter anderem für Sky Italia, Libero Quotidiano und Panorama aus Deutschland.

Nahost

Netanjahu nach Washington abgereist - Treffen mit Trump 

Der israelische Regierungschef trifft den US-Präsidenten zum dritten Mal in sechs Monaten. Die Beziehungen sind eng. Mit Blick auf den Nahen Osten knüpfen sich an den Besuch große Erwartungen

 06.07.2025

Politik

AfD will im Bundestag »gemäßigt« auftreten

Die rechtsextreme Partei will sich im Parlament weniger krawallig präsentieren und beschließt dafür einen Verhaltenskodex

 06.07.2025

Meinung

New York: Zohran Mamdani und der Clash der Generationen

Der Bürgermeisterkandidat der Demokraten wurde nicht zuletzt wegen seiner antizionistischen Haltung gewählt. Während er unter jungen jüdischen New Yorkern Unterstützer hat, stehen die älteren überwiegend fest an Israels Seite

von Hannes Stein  06.07.2025

Meinung

Israel, Iran und das Völkerrecht

Die Präventivschläge Israels gegen das Atomprogramm der Mullahs verstießen nicht gegen das Völkerrecht, sondern waren ebenso notwendig wie angemessen

von Daniel Neumann  06.07.2025

Westjordanland

Kritik nach Angriff auf Deutsche-Welle-Mitarbeiter

Eine Korrespondentin und ein Kameramann wurden am Freitag von radikalen Siedlern mit Steinen beworfen

 06.07.2025

Interview

Antisemitismusforscher: »Seit dem 7. Oktober gibt es eine Mobilisierung gegen Juden«

Günther Jikeli über die Auswirkungen des 7. Oktober 2023 auf die deutsche Gesellschaft, israelfeindliche Proteste an Hochschulen und Defizite in der Wissensvermittlung

von Pascal Beck  06.07.2025

Nuklearprogramm

Atominspektoren der IAEA verlassen den Iran

Nach dem Krieg mit Israel setzt Teheran weiter auf Konfrontation mit der Internationalen Atomenergiebehörde

 05.07.2025

Extremismus

BSW-Chefin Wagenknecht will Brandmauer zur AfD einreißen 

Gespräche zwischen BSW und AfD? Landespolitiker in Thüringen haben es vorgemacht. Selbstverständlich sei das auch auf Bundesebene möglich, sagen beide Seiten

von Torsten Holtz  04.07.2025

Meinung

Der falsche Feind

Warum der deutsche Pazifismus blind für die Realitäten in Nahost ist – und deshalb moralisch Schiffbruch erleiden muss

von Mirna Funk  06.07.2025 Aktualisiert