Europa

Antrag abgelehnt

Im Juni war der mit Spannung erwartete Bericht des deutschen Georg-Eckert-Instituts für internationale Schulbuchforschung (GEI) veröffentlicht worden, den die Europäische Kommission in Auftrag gegeben hatte. 156 an Schulen in den Palästinensergebieten verwendete Lehrbücher wurden vom GEI unter die Lupe genommen. Zuvor waren immer wieder Beispiele für antisemitische und hetzerische Inhalte bekannt geworden.

Die Prüfer kamen zu dem Schluss, dass die Schulmaterialien in einem »Umfeld produziert und verortet werden, das von andauernder Besatzung, Konflikten und Gewalt geprägt« und sehr »feindselig gegenüber Israel« eingestellt sei. Es gebe in den Büchern zwar eine »starke Betonung auf die Menschenrechte« – allerdings nur auf die Rechte der Palästinenser, nicht die der Israelis. Dennoch kam das Institut zu dem Urteil, dass es seit 2020 messbare Verbesserungen gegeben habe.

Marcus Sheff, Geschäftsführer des israelischen Instituts IMPACT-SE, sieht diese Schlussfolgerung kritisch. Die Gutachter hätten Beispiele für problematische Inhalte einfach ignoriert, so Sheff. Ihr Bericht decke zudem nur einen Ausschnitt des 2016 eingeführten Lehrplans ab. In der Bildungspolitik der Palästinenser liege so einiges im Argen, sagte er dieser Zeitung.

»Die Dinge haben sich in den letzten Jahren verschlechtert, nicht verbessert«, meint Sheff. Hinzu komme, dass auch die vom UN-Hilfswerk UNRWA betriebenen Schulen sich am offiziellen Curriculum der palästinensischen Autonomiebehörde orientierten und dort dieselben Schulbücher verwendet würden.

KONTROVERSE Innerhalb der Europäischen Union löste der GEI-Bericht eine Kontroverse aus. Finanziert die EU den Hass junger Palästinenser auf Israel mit? Der Haushaltsausschuss des Europaparlaments, das dem Jahresbudget der EU zustimmen muss, entschloss sich, zu handeln. Auf Drängen vor allem deutscher Abgeordneter beschloss das Gremium Ende September, 20 Millionen Euro – rund sieben Prozent des jährlichen EU-Zuschusses – in die Reserve zu stellen, und zwar so lange, bis sichergestellt werde, dass die Schulbücher keine problematischen Inhalte mehr enthalten.

Lob bekamen die Ausschussmitglieder nicht nur von Marcus Sheff, sondern auch von jüdischen Organisationen. Doch die Mühe war vergebens. Das Parlamentsplenum verwarf mit 345 zu 291 Stimmen die Empfehlung des zuständigen Ausschusses.

Das Ergebnis ist enttäuschend, die UNRWA wird sich freigesprochen sehen.

Auch eine Mehrheit der liberalen »Renew Europe«-Fraktion stimmte gegen die Kürzung der EU-Mittel – und das, obwohl deren Fraktionsmitglieder Moritz Körner (FDP) und Olivier Chastel (MR, Belgien) den ursprünglichen Antrag gestellt hatten. Aus Kreisen der sozialdemokratischen S&D-Fraktion hieß es, man sei prinzipiell gegen die »finanzielle Austrocknung« der UNRWA. »Die UNRWA hat sehr stark gegen meinen Änderungsantrag lobbyiert.

AUFSTOCKUNG Offensichtlich hat eine Mehrheit im Parlament am Ende die Befürchtung gehabt, dass durch das Zurückhalten der Gelder die Arbeit der UNRWA generell gefährdet sein könnte. Das Ergebnis ist enttäuschend, die UNRWA wird sich freigesprochen sehen, und eine Änderung der Schulbücher wird wohl wieder nicht stattfinden«, sagte Körner der Jüdischen Allgemeinen.

Anstelle einer Mittelkürzung nahm das Parlament stattdessen eine Entschließung an, in der »die Notwendigkeit einer Aufstockung der Mittel für das UNRWA« gefordert wird. Das UN-Hilfswerk leiste einen »Beitrag zur regionalen Stabilität« und sei »ein einzigartiger Erbringer lebenswichtiger Dienstleistungen für Millionen von Palästina-Flüchtlingen«.

Die EU-Kommission forderte die Abgeordneten auf, weiterhin mit der Palästinensischen Autonomiebehörde und dem UNRWA zusammenzuarbeiten, »um eine qualitativ hochwertige Bildung für palästinensische Kinder zu fördern und die vollständige Einhaltung der UNESCO-Standards zu gewährleisten«.

VERANTWORTUNG Von den Mitgliedern der Grünen-Fraktion im Europaparlament votierte nur der ehemalige Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Reinhard Bütikofer, für das Vorhaben. Die Parlamentarier von CDU/CSU und FDP im Straßburger Parlament unterstützten den Antrag ebenfalls. Doch am Ende war das zu wenig.

Auch der CDU-Europaabgeordnete Niclas Herbst hatte im Haushaltsausschuss für die Zurückhaltung der Mittel geworben. Es sei trotz des negativen Votums im Plenum klar geworden, dass sich die Autonomiebehörde endlich darum kümmern müsse, den Kindern eine Schulbildung ohne Hass zu geben. »Ich streite weiter dafür, dass die Lehrbücher überarbeitet werden. Es darf kein Hass gegen Israel gelehrt und mit EU-Geldern unterstützt werden«, erklärte er nach der Abstimmung. Darauf habe jedes Kind, egal, wo es lebe, ein Anrecht.

»Mit Überzeugungsarbeit allein hat das bislang nicht funktioniert. Deshalb sind finanzielle Maßnahmen der einzige Weg, der jetzt noch bleibt.«

marcus sheff, impact-se

Ähnlich äußerte sich Marcus Sheff gegenüber der Jüdischen Allgemeinen. Für ihn hat es die EU und insbesondere Deutschland in der Hand, den grassierenden Antisemitismus an palästinensischen Schulen zu stoppen. Sheff ist sich sicher: »Mit Überzeugungsarbeit allein hat das bislang nicht funktioniert. Deshalb sind finanzielle Maßnahmen der einzige Weg, der jetzt noch bleibt.«

Ob Europa allerdings willens ist, gegenüber den Palästinensern seinen Einfluss geltend zu machen, darf nach der Abstimmung in Straßburg bezweifelt werden. Moritz Körner will dennoch nicht lockerlassen. »Ich werde im nächsten Haushaltsjahr einen neuen Anlauf nehmen«, betonte er und äußerte die Hoffnung, dann für seine Fraktion die Verhandlungen führen zu können. »Ich bin überzeugt, dass eine Verbesserung der Schulbuchsituation gelingen wird, wenn die UNRWA eindeutig in die Verantwortung genommen wird«, sagte Körner dieser Zeitung.

Meinung

Wenn deutsche Linke jüdische Selbstbestimmung ablehnen

In einer Resolution delegitimiert die Linksjugend Israel als koloniales, rassistisches Projekt. Dabei ist der Staat der Juden nicht zuletzt eine Konsequenz aus den Verbrechen der Deutschen im Nationalsozialismus

von Frederik Schindler  04.11.2025

Auswärtiges Amt

Deutschland entschärft Reisehinweise für Israel

Nach Beginn des Gaza-Krieges hatte das Auswärtige Amt vor Reisen in Teile Israels gewarnt. Dies gilt so nicht mehr. Der Außenminister begründet das mit gewachsenem Vertrauen in den Friedensprozess

 04.11.2025

Würdigung

Margot Friedländer wird mit Sonderbriefmarke geehrt

Wie das Finanzministerium mitteilte, war die Sonderbriefmarke für Friedländer ein »besonderes Anliegen« von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil

 04.11.2025

Jerusalem

Nach Eklat in Jerusalem: Westfälische Präses setzt auf Dialog

Projekte, Gedenkorte und viele Gespräche: Die Theologin Ruck-Schröder war mit einer Delegation des NRW-Landtags fünf Tage in Israel und im Westjordanland. Angesichts der Spannungen setzt sie auf dem Weg zur Verständigung auf Begegnungen und Dialog

von Ingo Lehnick  04.11.2025

Gedenkstätten

Gedenkzeichen für jüdische Ravensbrück-Häftlinge

Zur feierlichen Enthüllung werden unter anderem Zentralratspräsident Josef Schuster, die brandenburgische Kulturministerin Manja Schüle (SPD) und der Beauftragte für Erinnerungskultur beim Kulturstaatsminister, Robin Mishra, erwartet

 03.11.2025

Innere Sicherheit

Dschihadistisch motivierter Anschlag geplant: Spezialeinsatzkommando nimmt Syrer in Berlin-Neukölln fest 

Nach Informationen der »Bild« soll der Mann ein Ziel in Berlin im Blick gehabt haben

 02.11.2025 Aktualisiert

Interview

»Wir hatten keine Verwandten«

Erst seit einigen Jahren spricht sie über ihre jüdischen Wurzeln: Bildungsministerin Karin Prien erzählt, warum ihre Mutter davon abriet und wann sie ihre eigene Familiengeschichte erst begriff

von Julia Kilian  02.11.2025 Aktualisiert

Meinung

Ich kann euch nicht hören

Während im Sudan die schwerste humanitäre Krise der Welt tobt, schweigen die selbst ernannten Menschenrechts-Demonstranten in Europa und auf der Welt

von Sophie Albers Ben Chamo  02.11.2025

Berlin/München

Nach Terror-Skandal beim ZDF: ARD überprüft Mitarbeiter in Gaza

Alle in Gaza tätigen Mitarbeiter hätten versichert, keinerlei Nähe zu Terrororganisationen zu haben, sagt der zuständige Bayerische Rundfunk

 02.11.2025 Aktualisiert